Kapitel 11 - Anfang?

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Ich bleibe im Türrahmen stehen. Verdammt. Was mache ich denn jetzt? Unsicher gehe ich ein paar Schritte auf meine Tasche zu. Ich sollte wirklich gehen.

"Uhm, FP. Ich denke, ich werde mal gehen. Ich habe noch ein paar Sachen zu erledigen und mit der Hand dauert alles etwas länger." Ich hebe die Hand um meine Aussage zu unterstreichen. FP blickt nicht auf.

"Ja, okay.", sagt er einfach nur. Das irritiert mich. Kein schelmischer Kommentar, keine Diskussion. Er scheint zu resignieren. Meine Füße bewegen sich von ganz allein auf ihn zu, ich beuge mich etwas zu ihm herab und lege ihm meine unverletzte Hand auf die Schulter. "Hey, alles okay?", frage ich besorgt.

Er schaut mich an. Oh, diese braunen Augen... "Carla, ich bin kein guter Umgang für dich. Für niemanden. Besser, du gehst und läufst so weit und schnell von mir weg wie es geht." Während er spricht werde ich traurig. Was für ein Leben führt er nur? Was trägt er alles mit sich herum?

Ich fasse einen Entschluss. Ich werde nicht gehen. Mein Leben mag zwar gerade auch nicht besonders toll laufen und vielleicht hat er recht mit dem was er sagt, aber jemanden zurück zu lassen, der leidet, liegt nicht in meiner Natur.

Ich fasse ihn leicht am Arm. "Komm", sage ich und ziehe ihn leicht hoch, "wir setzen uns mal auf die Couch. Das ist gemütlicher." Er lässt sich ohne Widerstand mit ziehen und lässt sich ans Ende der Couch fallen. Ich setze mich ans andere Ende und ignoriere die leeren Flaschen um mich herum.

"FP, ich bin schon groß. Ich denke, ich kann ganz gut entscheiden, mit wem ich mit umgebe und mit wem nicht. Du hast mir bisher immer geholfen. Du hast mich zum Krankenhaus gefahren, bist die ganze Zeit bei mir geblieben und hast mir Rückhalt gegeben. Anschließend hast du mich nach Hause gefahren und mich sogar bis zur Tür begleitet, um sicher zu gehen, dass mir nichts passiert. Das macht kein Mensch, der kein guter Umgang ist." Ich beende meine kleine Rede.

Er lacht traurig auf. "Du hast keine Ahnung, Süße. Du würdest die ganze Wahrheit nicht ertragen. Ich weiß zwar auch nicht besonders viel von dir, aber mit Sicherheit bist du behütet aufgewachsen. Ohne Gewalt, ohne Sucht. Du musstest dich nie durchs Leben kämpfen. Nicht ums Überleben. Und du hast auch keine Kinder, bei denen du versagt hast. Du solltest gehen. Hörst du? Du erträgst es nicht." Er redet sich richtig in Rage.

Das einzige, was ich momentan heraus bringe ist: "Kinder?" 

Das reißt ihn scheinbar aus seinem Monolog. "Was?", fragt er überrumpelt. "Du... du hast Kinder gesagt. Plural." Vielleicht sollte ich doch besser rennen. "Ja, Jug ist nicht mein einziges Kind. Meine Tochter Jelly lebt bei meiner Frau." Er schaut mich abwartend an. Fast schon provozierend. Und obwohl sich bei dem Wort 'Frau' alles in mir zusammen zieht und ich eigentlich auf der Stelle flüchten möchte, verstehe ich, was er hier versucht. Er will mich abschrecken. Von sich stoßen. Ich soll nicht näher kommen.

Vielleicht will er mich auch testen. Okay, das kann er haben. Ich werde nicht gehen. So lange er mich nicht explizit bittet.

Ich atme tief durch. "Ich werde nicht gehen, FP.", sage ich bestimmt und schaue ihm direkt in die Augen. "Erzähl mir so viele erschreckende oder unangenehme Dinge aus deinem Leben wie du willst. Aber so lange du mich nicht raus schmeißt, werde ich dich nicht allein lassen." Jetzt sehe ich ihn abwartend an.

"Vielleicht habe ich mich geirrt.", gibt er mit einem leichten, hoffnungsvollen Lächeln zu. "Ja, vielleicht hast du das.", erwidere ich und lächle zurück. "Und mein Leben ist nicht perfekt. Warte nur, bis du alles von mir gehört hast. Vielleicht willst du dann rennen." "Das kann ich mir nicht vorstellen. Bei so einer wundervollen Frau wie dir." Er legt mir eine Hand aufs Knie und mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken.

Entweder ist das der Anfang von etwas wundervollem oder mein Ruin. 

Finding myselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt