Kapitel 8 - Was ist nur los?

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Die Fahrt verläuft ruhig. Ich bin FP dankbar, dass er das Radio aus lässt. Ob er einfach nicht gerne Musik hört oder doch mitbekommen hat, warum ich durcheinander bin, weiß ich nicht. Es ist mir gerade auch egal. Da sich mein Nebel langsam lichtet, nehme ich meine schmerzende Hand umso mehr wahr. Zum Glück hat es die linke Hand erwischt. 

Als wir da sind, mache ich Anstalten, auszusteigen. "Nein, warte", sagt FP. Er kommt um den Wagen rum und will mir heraus helfen. Ich bin zwar verletzt, aber ich bin nicht unfähig. "Ich kann das alleine, FP", sage ich etwas schärfer als beabsichtigt. 

Er nimmt beide Hände hoch. "Hey, alles klar." Er scheint allerdings nicht sauer, sondern eher... amüsiert. Okay... Wir gehen zum Eingang des Krankenhauses. "Ich weiß, dass du das alleine kannst, Darling", beginnt FP und ich schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an "aber ich kenne hier den ein oder anderen und du kommst schneller dran, wenn du mich redet lässt." Er sieht mich abwartend an. Ich gebe auf und nicke. Ich will ins Bett.

Nachdem FP tatsächlich jemanden getroffen hat, den er kennt, sitzen wir jetzt in einem Behandlungsraum. FP ist einfach mitgekommen und ich bin zu fertig, als das ich die Kraft habe, ihn rauszuschicken. "Weißt du", setze ich an "ich bin wirklich dankbar, dass du hier bist. Tut mir leid, dass ich dir den Abend verdorben habe. Du kannst fahren. Ich komme alleine zurecht. Wirklich. Deine Familie wartet bestimmt auf dich." Ich gucke ihn entschuldigend an und lächle gequält. Auch FP's Gesicht nimmt einen gequälten Ausdruck an. "Glaube mir", erwidert er "du hast mir nicht den Abend verdorben. Und..." er öffnet erneut den Mund um etwas zu sagen, aber in diesem Augenblick kommt der Arzt. 

"Na, dann lassen Sie doch mal sehen." Er nimmt vorsichtig meinen behelfsmäßigen Verband ab und schaut sich das Chaos an. Nachdem er die Wunde gesäubert und desinfiziert hat, sagt er: "Nun, es scheint nichts Schlimmes passiert zu sein. Da haben Sie Glück gehabt. Aber ich muss die Wunde nähen." Ich schaue ihn ängstlich an. "Muss das wirklich sein?" "Ja, aber es wird schneller vorbei sein als Sie denken. Warten Sie einen Moment." Er verlässt den Raum.

"Hast du etwas Angst vor einer kleinen Nadel?", ärgert FP mich. Ich recke das Kinn. "Um ehrlich zu sein, ja, ich habe Angst. Ich wurde noch nie genäht. In meiner kleinen, ach-so-perfekten Welt kam das bisher nicht vor." Ich klinge bitter. FP's Ausdruck wird weicher. "Hey, für uns alle gibt es ein erstes Mal für alles. Ich kann ja dein kleines zartes Händchen halten", ärgert er weiter. "Weißt du was,", erwidere ich "du lachst, aber das nehme ich glatt an. Bitte halt meine Hand, vielleicht bin ich danach nicht mehr die einzige mit Schmerzen." Ärgern kann ich auch. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich das nun im Scherz gesagt habe oder ob ich mir wirklich wünsche, dass er meine Hand hält. Seltsamerweise nimmt mir das ein wenig die Anspannung. Und die Tatsache, dass ich noch immer seine Jacke um mich habe, gibt mir das Gefühl, sicher und beschützt zu sein. 

Der Arzt kommt wieder und mir rutscht das Herz in die Hose. FP scheint meinen Blick zu bemerken, denn er erhebt sich. Er stellt sich neben mich als der Doktor meine Hand nimmt. "Sie bekommen jetzt erst einmal eine Betäubung und danach werde ich erst nähen." "Okay", gebe ich ihm zu verstehen. Als die Spritze meine Haut durchdringt, schließe ich die Augen und spüre gleichzeitig FP's Hand auf meiner Schulter. Ich neige leicht den Kopf in seine Richtung. "So, sehen Sie, das war es schon mit der Spritze. Wir warten jetzt einen Augenblick und Sie erzählen mir mal, wie das passiert ist."

Ich erzähle eine sehr stark abgespeckte Version. Ich habe Shakes gemacht, bin ausgerutscht und das Glas ist vor mir auf die Kante gefallen. Ich greife danach, will es vom Fallen abhalten und schwupps... Sicherheitshalber vermeide ich es, FP anzuschauen.

Der Arzt nickt und holt die Werkzeuge zum Nähen. Die Wunde hat aufgehört zu bluten und ich bin zwar etwas angewidert, aber auch fasziniert, wie es im inneren meiner Handfläche aussieht. Als der Arzt die Nadel ansetzt, schließe ich wieder die Augen und erwarte Schmerz. FP's Hand drückt leicht meine Schulter. Als ich nichts spüre, öffne ich die Augen wieder und bin tatsächlich richtig fasziniert von der Arbeit des Doktors. Die Nadel durchbricht meine Haut und ich spüre gar nichts. "Abgefahren", entfährt es mir. FP lacht. "Doktor, sind Sie sicher, dass Sie ihr nur eine Betäubung gespritzt haben?" 

Erleichtert schaue ich auf meine verbundene und genähte Hand. Wir verabschieden uns vom Arzt und gehen zu FP's Truck zurück. "Ähm FP...", beginne ich während ich die Trucktür öffne. "Ich muss zurück ins Diner. Das Blut und die Scherben aufwischen. Andernfalls bekommt Pop noch einen Herzanfall, wenn er mich nachher ablöst." Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich FP schon so lange in Anspruch nehme und ihm total den Abend verderbe. "Ich kann aber auch von hier laufen. Das ist kein Problem. Fahr du ruhig zurück zu deiner Frau und J-." Da fällt mir ein, dass Jughead sehr offensichtlich nicht bei ihm wohnt, da er bei mir im Motel schläft. Ich verstumme.

Als FP sich eine halbe Minute später noch immer nicht rührt oder etwas sagt, breche ich das Schweigen. "Tut mir Leid. Das ist auch kein guter Abend für mich. Ich finde alleine zu Pop's." Ich greife nach der Türklinke. "Warte." Ich halte inne. "Bleib... hier." "Bist du ganz sicher?" "Weder deine noch meine Situation werden besser, wenn ich dich im Dunkeln verletzt durch die Straßen ziehen lasse."

Als wir bei Pop's ankommen, streife ich seine Jacke ab und flüchte halb aus dem Auto. "Danke noch mal für alles." Ich schließe die Tür auf und mache das Licht wieder an. Als ich mich umdrehe, sehe ich FP noch immer in seinem Truck sitzen. Na toll. Wenn es vorher noch nicht so weit war, dann habe ich ihm jetzt mit Sicherheit die Laune versaut.

Seufzend gehe ich in die Küche und fange an, das Chaos aus Blut und Scherben zu beseitigen. Mit einer Hand dauert das leider sehr lange. Ich bin gerade fertig, als die Glocke klingelt. Kundschaft. Oh nein, nicht jetzt noch. Meine Schicht endet in 20 Minuten und ich erwarte Pop jeden Moment zurück.

Ich bin ziemlich überrascht als sich die 'Kundschaft' erneut als FP entpuppt. Ich war sicher, dass er mittlerweile zu Hause ist. Wo auch immer das ist und wer auch immer dort auf ihn wartet.

"Möchtest du deinen Shake haben, den ich dir vorher versprochen habe?", frage ich aufmunternd. FP setzt sich auf einen der Barhocker und sieht mich an. Er sieht traurig aus. "Juggie wohnt nicht bei mir, wie du bemerkt hast", bricht es aus ihm heraus. "Und auch sonst niemand." Er reibt sich mit beiden Händen durch das Gesicht und ich kann nicht anders, als zu ihm zu gehen und kurz seine Schulter zu drücken. Ich weiß nicht, was man auf so etwas sagt. 

Mir entweicht ein frustriertes Lachen. "Wir sind schon Zwei. Vielleicht sollten wir mal zusammen Trinken gehen, um den ganzen Scheiß ein bisschen zu vergessen", schlage ich vor. FP schaut mich überrascht an. "Wirklich? Du würdest mit mir ausgehen?" Oookay, ich hatte jetzt zwar kein Date gemeint... Aber er sieht so hoffnungsvoll aus, dass ich es nicht übers Herz bringe, das richtig zu stellen. 

"Ähm, ja sicher. Habe ich doch gerade vorgeschlagen", sage ich und bei der Vorstellung, wirklich mit FP unterwegs zu sein und ihn nicht nur zufällig zu treffen, macht mein Herz einen kleinen Sprung. Verräterischer Körper. In dem Moment kommt Pop herein. "Hallo Carla, entschuldige bitte die kleine Verspätung. FP-" er nickt ihm zur Begrüßung zu. "Du kannst jetzt gehen. Wir sehen uns dann am Mittwoch, richtig?" "Ja, genau. Danke Pop. Eine ruhige Nacht wünsche ich dir noch." Ich schnappe mir schnell meine Klamotten. Meine Uniform möchte ich erst mal waschen. Auch FP erhebt sich und wir verlassen das Diner.

"Also so langsam habe ich das Gefühl, du seist mein persönlicher Bodyguard", lache ich ihn an. "Wäre das denn so schlimm?" erwidert er und sieht mich von der Seite an. "Nein, eigentlich nicht." 




Finding myselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt