Kapitel 9 - Herzklopfen

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FP setzt mich beim Motel ab und lässt es sich nicht nehmen, mich bis zu meiner Zimmertür zu begleiten. Ich rolle lächelnd die Augen. Ich schließe auf und drehe mich zu ihm um. "FP, ich...", setze ich an, komme aber nicht weiter, weil er einfach so nah ist. Er steht dicht vor mir. Mein Blick ist auf seine Brust geheftet. Ich schnappe lautlos nach Luft... Und sauge dabei aus Versehen auch seinen Duft ein. Ich bin nicht sicher, was ich mir wünsche. Soll ich ihn hereinbitten? Einen Abschiedskuss geben? Er hat sich heute so beschützend um mich gekümmert und ich fühle mich in seiner starken Gegenwart sicher. Aber ich kenne ihn nicht. Ich weiß gar nichts von ihm. Außer... dass keine Frau zu Hause auf ihn wartet.

FP macht einen Schritt auf mich zu und... "Dad?" Mist. FP reißt seinen Kopf zur Seite. "Juggy. Ich hab dich gar nicht gehört. Solltest du nicht besser schlafen? Morgen ist Schule." Jugs Stirn zieht sich kraus und er blickt argwöhnisch zwischen mir und FP hin und her. 

Ich hebe meine verletzte Hand. "Dein Dad hat mich heute echt gerettet. Ich hatte einen Unfall bei Pop's und er hat mich ins Krankenhaus gebracht... Und jetzt... also er wollte nur sicher gehen... ich sollte nur heil ankommen." Ich schwimme ein bisschen, aber der Ausdruck auf Jugheads Gesicht verändert sich von misstrauisch zu besorgt. "Oh Gott, Carla...", sagt er, kommt auf mich zu und zieht mich in eine feste Umarmung. Erleichtert umarme ich ihn auch und lasse meinen Kopf auf Seite Schulter fallen. "Danke, Dad."

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass FP schon fast aus der Tür raus ist. "FP...", rufe ich und löse mich aus Jugs Umarmung. Aber er geht einfach weiter und dreht sich auch nicht mehr um.

"Hier komm... ich kümmere mich um dich", plappert Jug und führt mich in mein vorübergehendes Zimmer. Erschöpft falle ich aufs Bett und schließe die Augen. Ich bekomme vage mit, dass eine Decke über mich gelegt wird und mir meine Schuhe ausgezogen werden. Dann wird es schwarz und der Schlaf, den ich mir den ganzen Abend herbeigesehnt habe, kommt.

Ich träume. Ich sitze auf der Ladefläche eines Trucks in Decken gehüllt und mit Popcorn in der Hand. Vor mir auf der Leinwand läuft die Urfassung von "Der Zauberer von Oz". In weiteren Autos sitzen ebenfalls Menschen und schauen den Film. Jemand zieht mich an sich. Ich lege den Arm um ihn und lasse den Kopf auf seine Schulter fallen. Ich sehe, dass derjenige ein rot-kariertes Flanellhemd trägt. Ich schaue auf. FP sieht mich ebenfalls an und platziert einen sanften Kuss auf meinen Lippen. Seufzend rücke ich näher an ihn heran und intensiviere den Kuss. FP's Hand wandert unter der Decke meinen Oberschenkel herauf und meine Atmung beschleunigt sich hörbar. "Wir können hier weiter machen oder wir fahren schnell zu mir", flüstert FP mit dunkler Stimme in mein Ohr und nimmt mein Ohrläppchen zwischen seine Zähne. Ich stöhne auf.

Ich schrecke hoch und öffne die Augen. Mein Herz hämmert hart und schnell gegen meinen Brustkorb und ich muss ein paar Mal tief durchatmen. FP geht mir wirklich unter die Haut. Als ich mich ein wenig gefasst habe, höre ich, dass meine Atmung nicht die einzige im Raum ist. Neben mir liegt Jughead und schläft. 

Eine Welle der Zuneigung erfasst mich. Er scheint bei mir geblieben zu sein, um sicherzugehen, dass es mir gut geht. Er ist so lieb. Und FP scheint auch wirklich nicht übel zu sein. Sonst hätte er sich gestern nicht so rührend um mich gekümmert. Wenn die beiden sich doch nicht so unähnlich sind... Wieso wohnt Jug dann nicht zu Hause? Und wo ist seine Mom? Irgendwas muss schrecklich schief laufen in dieser Familie. Und ich habe so viele eigene Probleme und meine Vergangenheit... ich weiß nicht, ob ich tiefer graben möchte.

Mit diesen Gedanken schlafe ich erneut ein und wache erst auf, als es schon hell ist und die warme Oktobersonne durch das Fenster scheint. Jug ist weg. Da ich heute frei habe und meine Hand lästigerweise pocht wie verrückt, beschließe ich, mich abzulenken. Ich öffne meinen Laptop und kann mich ebenfalls dazu durchringen, mein Handy einzuschalten. Seit meiner Ankunft hier hatte ich keine Lust auf Es-tut-uns-ja-so-leid-und-wir-wollten-dir-nie-wehtun-Anrufe oder Bitte-melde-dich-wir-vermissen-dich-so-Nachrichten. Ich schnaufe. 

Jap... 25 verpasste Anrufe und 86 Nachrichten auf Whats-App. Ich lösche den Chatverlauf ungelesen und höre auch meine Mailbox nicht ab. Ich wende mich meinem Bildschirm zu und öffne meine Datei mit der Buchidee. Ich beginne zu schreiben.


Finding myselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt