Kapitel 10

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Bin ich tot? Wo bin ich? Ich kann nichts sehen, alles ist schwarz um mich herum. Ich kann nichts fühlen. Keinen Schmerz. Keinen Wind. Nichts. Es ist auch alles still. Totenstill. Was ist hier los? Das alles macht mir Angst. Nichts zu spüren. Nicht mal meinen Körper. Habe ich überhaupt noch einen Körper? Was ist überhaupt passiert?
Ach ja..! Wir wurden angegriffen. Verdammt! Geht es den anderen gut? Haben sie überlebt? Was wenn wir jetzt alle tot an unserem Lager liegen? Was wenn wir tatsächlich tot sind? Was wird dann aus Lariel? Wer sagt ihr das? Wie wird sie reagieren?
So viele Fragen. Und keine Antwort.
Wie lange ich wohl schon hier in der Dunkelheit verweile, und nachdenke?
Ich habe kein Zeitgefühl. Ich habe gar nichts. Ich mag es nicht so ahnungslos zu sein. Ich möchte jetzt wissen was hier los ist.
Mey!
Warte, was war das? Ich habe doch meinen Namen gehört. Aber nur ganz leise und schwach. Ich bin also nicht tot! Aber wer ruft da? Ich kann die Stimme nicht erkennen. Sie hört sich so verdammt weit weg und verschwommen an. Doch plötzlich auf einen Schlag spüre ich einen stechenden Schmerz. Aber nicht nur in meiner Schulter. Auch mein Rücken tut verdammt weh. Ich fühle mich plötzlich wie gerädert. Es fühlt sich schrecklich an. Als ob mein Körper an meiner Wirbelsäule in zwei gebrochen wäre. Ich kann mich nicht bewegen. Und selbst wenn werde ich es auch lassen, da es mir wahrscheinlich noch mehr Schmerzen zufügt. Wir ist warm. Verdammt warm. Und das ist für mich, bzw. für meinen Körper sehr ungewöhnlich. Langsam bekommen meine Gliedmaßen einzeln ihr Gefühl wieder. Und so kann ich eine warme, weiche Hand auf meiner spüre . Ist das Lariel's Hand? Ist sie bei mir? Nein, ich möchte nicht. Ich möchte nicht, dass sie mich so sieht. Sie würde sich nur unnötig Sorgen machen. Plötzlich tut es sogar weh zu denken. Höllische Kopfschmerzen breiten sich aus und sind bereit mich zu quälen.
Herzliches Dankeschön an meinen Körper!
Jetzt höre ich wieder eine Stimme. Sie ist klar und hell, und nicht mehr so verschwommen und weit weg.
Natürlich ist die Stimme weiblich, bei dem engelsgleichen Klang wird mir ganz warm und mein Herz fängt an wie wild zu klopfen. Es ist die Stimme, die ich so sehr vermisst habe. Die Stimme, in die ich mich jedes Mal neu verlieben könnte. Es ist ihre Stimme. Lariel's Stimme.
Ich kann durch meine Augenlider ein gedämmtes Licht sehen. Ich habe jetzt wieder die volle Kontrolle über meinen Körper zurück. Und um zu zeigen, dass ich wach bin (und am Leben!!) versuche ich mich zu bewegen, aber das kurze Zucken mit der Hand, welche sie hält, ist jetzt nicht die "stärke" die ich von mir erwartet habe. Mensch, wie armselig.
"Mey?", höre ich sie wimmern. Ihre Stimme zittert und man kann einen Besorgten Unterton raushören. Klingt als ob sie geweint hat. Ich möchte nicht, dass sie weint! Ich spüre ihre zweite Hand, die die meine jetzt fest umgreift. Meine Augenlider zucken leicht, als ich sie öffnen will. Sie sind schwer, doch ich schaffe es und will sie am liebsten wieder schließen. Meine Sicht ist verschwommen, und das Licht ist Gott sei Dank nicht so grell, und verstärkt meine Kopfschmerzen dadurch nicht. Ich sehe nun einen Schatten, oder mehr eine Person, die sich über mich beugt. Ich kann nur erkennen wer es ist, durch die Farben. Braunes Haar. Schillernde, erdfarbene Augen, die auf mich herab schauen. Ich möchte ihren Namen sagen, doch meine Stimme ist kratzig und so gut wie nicht vorhanden, daher bringe ich ein gebrochenes "La...i...l" über meine trockenen Lippen. Meine Sicht wird langsam, Schritt für Schritt schärfer, und ich spüre, wie etwas nasses, warmes auf meine Wange tropft. Eine Träne. Ihre Träne. Die sie unnötig vergießt. Sie soll nicht weinen. Ich will mich aufsetzen um sie in den Arm zu nehmen. Doch beim Versuch daran, verzeihe ich mein Gesicht vor Schmerz und stöhne auf. Mein Körper ist schmerzerfüllt und zittert. "Nicht bewegen!", ruft sie und hält mich sanft fest. "Dein Rücken ist noch nicht vollständig geheilt.. du brauchst noch drei Tage ruhe..", erklärt sie mit zittriger Stimme. Eine kleine Erleichterung ist zu hören. Ein Schluchzen ist zu hören, und glitzernde Tränen laufen über ihre leicht rosa gefärbten Wangen. "N-nich.. wei..en..", murmele ich ganz leise. Meine Stimme ist immer noch kratzig und nicht das schönste was man gerade hören kann.
"Ich habe mir solche sorgen um dich gemacht! Ich habe angst! Warum bist du einfach gegangen? Du hast dich nicht mal verabschiedet! Was wenn du nie wieder gekommen wärst?! Was soll ich denn ohne dich machen?? Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht!?", brüllt sie schon fast. Natürlich ist sie aufgebracht. Und natürlich ist sie auch sauer. Sie weint, und das tut mir sehr weh. Ich möchte ihr sagen das es mir leid tut, was es auch tut, aber meine Kehle ist so trocken, und ich bringe kein Wort über meine Lippen. Sie sackt neben dem Bett auf einen Stuhl zusammen und drückt ihr Gesicht an meinen Bauch. Ihre Tränen machen meine Bluse ganz nass und sie zittert. Ich lege vorsichtig und meine Hand auf ihr Haar. Ich beginne es zu streicheln, in der Hoffnung es beruhigt sie ein wenig. Sie krallt sich an meine Bluse, die durch meine Schulter noch voller Blut ist, und wimmert, was sich sehr gedämpft anhört, da sie gegen meinen Bauch schluchzt.
Mit einem winzigen Räuspern, ist es mir möglich etwas zu sagen, allerdings nur sehr leise. "Ich werde dich.. niemals verlassen.. und werde immer um d-dich kämpfen.. und immer z-zu dir zurück kommen.. " Sie zittert nicht mehr. "D-dabei ist es .. doch schon zu spät..", wimmert sie. "W-was redest du... denn da?..", frage ich sie, mit einer bösen Vorahnung. "Wie Du weißt soll ich verheiratet werden..", fängt sie an zu reden und richtet sich auf. Mit ihren Händen wischt sie sich ihre Wangen trocken. Es ist sogar schmerzhafter wenn sie es sagt. "Das l-lasse ich nicht .. z-zu.. hörst du..?", meine Stimme zittert, und ist ein wenig schmerzerfüllt. "Das wirst du leider nicht ändern können.., mein Vater ist sehr stur, und er wird dich bestrafen, und das möchte ich nicht", sagt sie, niedergeschlagen. Ich weiß was passieren kann. Natürlich werde ich bestraft. Aber ich werde alles tun, damit sie glücklich ist. Egal was es kostet. "Lariel.., ich kann d-dich nicht einfach so verlieren..", beginne ich leise. "Ich liebe dich, und werde alles geben.. jede Strafe durchstehen,.. alles nur um dich nicht zu verlieren..",murmle ich und greife langsam und zärtlich nach ihrer Hand. Neue Tränchen kullern über ihre Wangen, und sie drückt sanft meine Hand. "Aber warum?.. warum tust du das? Ich ertrage es nicht, dass du dein Leben riskierst, nur damit ich hier ein schönes Leben habe, auch mal abgesehen vor der Zwangsheirat..", wimmert sie. Ich setze mich auf, was meinen Körper beben und zittern lässt. Der Schmerz lässt mich aufstöhnen und ich kneife meine Augen zu. Sie reißt ihre Augen auf. "Mey, bleib liegen!", ruft sie aufgebracht. Ich schüttle leicht den Kopf und strecke leicht meine Arme nach ihr aus. "N-nein.. komm her..", nuschle ich. Sie zögert vorerst, aber lehnt sich dann doch vorsichtig in meine Arme. Sie legt vorsichtig, fast schon zu vorsichtig, ihre Arme um meine Taille. Sie berührt mich so sanft und zart, als würde ich in tausend Teile zerfallen, würde sie einmal zu fest drücken. Ich vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren. Sie riecht nach süßen Blumen. Ihr Haar ist weich und gelockt. Es ist still. Dann höre ich nur noch ein leises Schluchzen. "Wieso weinst du?...", frage ich leise. Ihr Haar dämpft meine Stimme leicht. Sie dreht ihren Kopf so, dass ich ihr Gesicht sehen kann. Ihre Augen sind gerötet und leicht geschwollen vom weinen. "Weil mir bewusst ist was passieren wird..", murmelt sie. Ich schlucke schwer. Natürlich ist mir bewusst, was passieren wird. Der König, ihr Vater reißt uns auseinander. "Ich weiß es auch..", antworte ich leise und streichle über ihren Rücken. Sie blinzelt mich an. In ihren Augen kann ich alle möglichen Gefühle erkennen. Angst, Trauer, Besorgnis. Und zwei kleine Tränen glitzern in ihren Augen. Es tut weh, sie so verletzt zu sehen. Es zerreißt mich von innen heraus. Diese Gefühle, und diese Gedanken machen mich so traurig, dass mir etwas passiert, was ich vor ihr niemals gewagt hätte.

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❤️

My love is on ice // Abgeschlossen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt