Die wahrsagende Teetasse

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Es war schön, den Flammen im Kamin beim Tanzen zuzusehen. Sie wärmten mich nicht nur durch ihre gelungene Vorstellung, sondern sie versuchten mich, zu beruhigen. Mich abzulenken von diesen zwei Tagen, die so gar nicht perfekt verlaufen waren, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte es nicht nur durch meine Vorstellung in der großen Halle, gleich zu Beginn, geschafft, aufzufallen, sondern war neben dem sich schnell verbreitenden Spitznamen „Quereinsteigerin" unter den ganzen Schülern auch noch als die Verrückte bekannt, die sich fast schon voller Lust vor Schmerzen selbstverstümmelte und andere Schüler durch ihre Magie auf die Knie zwang. Alles andere als perfekt, es war für mich Neuland.

Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so blamiert, war so extrem in aller Munde gewesen oder hörte es hinter fast jeder Ecke über mich reden. Ich habe mein Ziel unperfekt zu sein vollends erfüllt, dennoch fühlte es sich nicht schlecht an. Ich wusste, dass dieser Gedankengang für viele verrückt klingen würde, aber ich fand es nicht schlimm jemand zu sein. Ich fand es nicht schlimm aus der Menge herauszustechen und gegen den Strom zu schwimmen, denn die Perfekten wurden nie beachtet, weil jeder wusste, dass sie alles schaffen und nie anders sein würden, aber über die Unperfekten zerissen sich alle die Mäuler, denn sie dachten, je unperfekter ein anderer war, desto besser stünden sie da. Ich bezeichnete es als einen unendlichen Kampf des Unmöglichen, denn war man nicht sogar, wenn man perfekt war, irgendwie komisch und somit wieder unperfekt? Ich lächelte in mich hinein, denn wieder einmal konnte ich meine Gedanken nicht im Zaum halten.

Ich konzentrierte mich nun auf meinen linken Unterarm, an dem noch vor wenigen Stunden meine Wunde gebrannt hatte und durch meinen Albtraum entstanden war. Selbst wenn ich jetzt noch daran dachte, überfuhr mich eine dünne Schicht an Gänsehaut. Ich versetzte mich immer wieder in mein Schlangen-Ich und es machte mir immer mehr Angst, sobald ich mich sah und aufwachte, bevor ich meinen eigenen, schlafenden Körper umgebracht hätte. Diese Gedanken waren einfach nur krank und abscheulich, aber sie hatten mich zum Nachdenken gebracht. Was wäre, wenn ich diesen Traum nicht aus einem bestimmten Zufall gehabt hatte? Was, wenn man mich warnen wollte? So sehr, dass ich mir als Erinnerung weh getan hatte? Wäre es möglich gewesen? Auf eine Antwort müsste ich wohl erst einmal warten.

Unzufrieden mit meinen Gedankengängen stand ich aus dem Sessel auf und begab mich zum Schlafsaal. Ich war mit Abstand die Letzte, die sich noch im Gemeinschaftsraum von Gryffindor aufhielt und zudem war es schon zu spät, um überhaupt für den nächsten Tag ausgeschlafen zu sein. Ich müsste mir morgen Wäscheklammern besorgen, damit meine Augen nicht zuklappen würden.

+++

Nach einem guten Schlaf und dazu passendem Frühstück, machte ich mich mit Ron und Harry auf in den Nordturm, in dem sich Professorin Trelawney schon daran machte, Tassen auf den umliegenden Tischen zu verteilen und diese mit heißem Kräutertee zu füllen. Ihre blonden Haare sahen aus, als wären sie schon seit drei Tagen nicht mehr gekämmt worden und ihre sonst sicherlich kleinen und schönen Augen wurden verschandelt durch eine Brille, deren Gläser schon breiter waren als einer ihrer schmalen Finger. Dennoch machte sie einen freundlichen Eindruck, auch wenn sie etwas gewöhnungsbedürftig aussah.

"Oh, die ersten Schüler treten ein! Setzten Sie sich. Die erste Reihe ist noch frei!" Ich machte Anstalten, mich direkt vor die Professorin zu setzen, doch Ron zog mich unauffällig mit sich in die hinterste Ecke. Fragend schaute ich ihn an.

"Glaub mir, bei ihr willst du nicht in der ersten Reihe sitzen. Wenn Sie erst einmal loslegt, bist du froh, weit weg von ihr zu sein." Wir nahmen Platz auf den weichen Stoffhockern und warteten, bis alle anderen Schüler zum Unterricht gefunden hatten, dann begannen schon einige, aus den Tassen zu trinken.

"Du musst das nicht tun. Sie macht das mit der Tasseomantie immer zu Anfang des Jahres, aber sie sagt auch, dass nicht jeder die Macht hat, ein „inneres Auge" zu besitzen, also um wirklich die Zukunft vorherzusagen. Die Leute, die ihre Tasse austrinken, müssen ihre Deutung in den Teeblättern der Klasse vorstellen. Du weißt also nie, was dich erwartet. Hermine zum Beispiel kommt hiermit gar nicht klar und ist aus dem Kurs gegangen. Ron und ich gehen hier nur rein, um ein weiteres, schwierigeres Fach zu vermeiden. Man gewöhnt sich sogar dran, versprochen." Harry grinste Ron an, der sich einen Keks geschnappt hatte und an diesem herumknabberte. Er nickte zur Bestätigung.

Secret SlytherinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt