Kapitel 1

766 19 3
                                    

Es ist seit langem der erste Tag an dem ich füh wach bin und nicht mehr einschlafen kann.
Die ersten Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster fallen, kitzeln auf meiner Haut. Es ist Samstagmorgen, halb acht. Nachdem ich eine Weile dem Zwitschern der Vögel gelauscht habe, beschließe ich aufzustehen. Ich ziehe mir Shorts und ein Top an und mache mich auf dem Weg nach draußen. Beim überqueren des Flures werfe ich einen Blick ins Schlafzimmer meiner Eltern und erkenne, dass sie noch tief und fest schlafen.

Es ist ein herrlicher Sommermorgen. Die warmen Sonnenstrahlen in meinem Gesicht tun mir gut. Ich fühle mich gut, seit langem einmal wieder. Ich hole mein klappriges, altes Fahrrad aus der Garage und fahre los, immer der Sonne entgegen.
In meinen langen blonden Haaren verfangen sich kleine Käfer, aber das stört mich nicht. Ich mache mir Gedanken über den heutigen Tag. Wie wird es wohl sein, alle wieder zu sehen, nach so langer Zeit? Ich habe ein mulmiges Gefühl in meinem Magen. Hoffentlich ist er nicht auch da.

Gegen zwölf Uhr klingelt es an der Tür. Es ist meine beste Freundin Nina. Sie begrüßt mich mit einer stürmischen Umarmung. "Oh Rachel, ich bin ja so froh dich endlich wieder zu sehen!"
"Ich habe dich auch vermisst.", entgegne ich ihr mit einem lächeln auf den Lippen und meine es auch so.

Später am See, als ich nun auch Penelope, Alice und Bennet wiedersehe, merke ich erst richtig, wie sehr sie mir alle gefehlt haben. Alice und Bennet sehen noch verliebter aus, als ich ich sie das letzte Mal gesehen habe und das war vor drei Wochen. Sie können die Finger gar nicht von einander lassen.

Und Penelope? Sie zieht mit ihrem doch recht knapp geratenen Bikini und ihrer top Figur die Blicke aller Jungs auf sich.
Was ist nur mit der schüchternen Penelope passiert?

Nur Nina ist wie immer. Ihre braunen Haare hat sie sich lässig zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden und ihr roter Bikini lässt sie noch sportlicher erscheinen.
Ich dagegen, ich sehe mit meinen zotteligen blonden Haaren und meinem ausgeblichenen blauen Bikini aus, wie eine ausgelutschte Nudel. Aber das ist mir gerade ziemlich egal, denn ab jetzt wird alles anders, davon bin ich überzeugt. "Rachel wo warst du bloß so lange?", reißt Bennet mich aus meinen Gedanken, "Wir haben dich vermisst. Die Tage ohne dich, hier am See, sind nicht die gleichen." Alice stößt ihn mit dem Ellenbogen unsanft in die Rippen. Bennet zuckt zusammen. "Sorry", bringt er hervor.
"Ist schon okay.", entgegne ich ihm. "Nichts ist okay!", schaltet sich Nina ein, "Dieser Arsch hat auf dich und deinen Gefühlen herum getrampelt, er hat dich benutzt und.."
"Doch Nina", widerspreche ich, "Es ist alles okay. Mir geht es gut und ich habe mit dem Thema David ein für alle mal abgeschlossen, dass kannst du mir glauben."
Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie unter der Sache noch mehr gelitten hätte, als ich es tat. Ich will nicht an David denken. Ich will ihn und die Gefühle, die mit ihm zu tun haben, die Hingabe, die Enttäuschung und die Traurigkeit endgültig vergessen.

Plötzlich fangen alle an wild durch einander zu reden und ich? Ich lausche gespannt. Es hört sich so an, dass auch sie sich eine Tage nicht gesehen haben.
Ich erfahre, dass Penelope letzten Mittwoch in der Disko einen Typen namens Finn kennengelernt hat.
Nina hat ihren Triathlon am Freitag gewonnen und Alice und Bennet planen in der letzten Fereinewoche gemeinsam irgendwo hin zu fliegen. Ferien, schießt es mir durch den Kopf. Die ersten zwei Wochen habe ich nur in meinem Zimmer gehockt, also bleibt mir noch genug Zeit, um es richtig krachen zu lassen.
"Wer als erster im Wasser ich.", rufe ich lachend und springe auf. Die Anderen lassen sich das nicht zweimal sagen und rennen hinter mir her.
Mit einem beherzten Sprung springe ich vom Steg in den See. Das kalte Wasser kribbelt auf meiner warmen Haut. Es ist  schön erfrischend. Der See, naja viel mehr das Wasser, ist ausgesprochen klar, so dass man fast bis zum Grund gucken kann.
Die Anderen spritzen sich gegenseitig das Wasser ins Gesicht und albern herum. Ich hingegen lege mich gemütlich auf den Rücke und lasse mich ein bisschen treiben.

Ich schwimme in Richtung der anderen Seite des Sees. Früher hatte die sogenannte "andere Seite" etwas geheimnisvolles und mystisches an sich. Als wir noch Kinder waren, haben uns die Älteren immer erzählt, dass es dort Geister und Dämonen gibt, die kleine Kinder fressen. Nina und ich haben uns damals nicht einmal getraut weit weg vom Steg zu schwimmen. Als wir älter wurden, fingen wir an die Geschichten nicht mehr zu glauben. Eines Sommers sind wir dann auf die andere Seite geschwommen. Wir haben aber weder Geister noch irgendwelche Dämonen Gefunden, sondern nur Jugendliche, die heimlich Bier getrunken und geraucht haben. Von da an hatte die andere Seite das geheimnisvolle  und interessante für uns verloren und wir waren nie wieder dort.

Meine Füße berühren den sandigen Boden des Sees und ich gehe schnell ans Ufer. Hier gibt es nicht wie drüben einen schönen Strand sondern nur Wald. Es sieht aus, als ob die Bäume und der See nahtlos ineinander über gehen.
Es ist schattiger hier. Die Sonne wird von den Bäumen verdeckt. Die Blätter rascheln leicht im Wind. Ich stehe hier und sehe zu meinen Freunden. Sie winken mir zu und ich winke zurück.
Ich atme tief die reine Luft ein und genieße die hier vorhandene Stille. Es ist schön für einen kurzen Moment alleine zu sein. Ich habe nichts gegen das Alleinsein, dass mochte ich irgendwie schon immer. Ich drehe mich um und gucke in den Wald . Wie es da jetzt wohl aussieht? Ob dort immer noch die ganzen Bierflaschen und Zigarrettenstümmel liegen? Vorsichtig gehe ich ein paar Schritte in den Wald. Mein Blick ist starr auf den Boden gerichtet.  Ich muss aufpassen wo ich mit meinen nackten Füßen hintrete. Meine Augen müssen sich erstmal an die Dunkelheit hier gewöhnen.
Etwas raschelt und ich zucke kurz zusammen. Der Wind, der durch die Bäume weht, versetzt mir eine leichte Gänsehaut. Meine Vernunft sagt, dass ich umdrehen und zurück zu meinen Freunden schwimmen sollte, aber ich habe schon vor langer Zeit aufgehört auf meine Vernunft zu hören, also laufe ich weiter. Plötzlich fängt eine Rabe an zu krähen. Ich hebe den Kopf und versuche sie in den Baumkronen zu finden, was mir aber nicht gelingt. Das ist hier ja fast wie in einem schlechten Film. Und gleich kommt noch hinter dem nächtsen Baum ein maskierter Mann mit Kettensäge hervor gesprungen. Ich muss ein bisschen über mich selbst lachen. 

Irgendwann komme ich nicht mehr weiter. Vor mir ist alles zu gewachsen. Da komme ich nicht durch, schon gar nicht in Bikini und auf keinen Fall barfuß. Also drehe ich mich wieder um laufe zurück. Der Weg kommt mir nun unendlich weit vor und der See ist nirgends zu sehen.
"Na toll Rachel! War ja klar das du dich hier mitten am Tag in einem Wald verläufst. Wie hätte es auch anders sein sollen?! Wieso bist du nicht einfach wieder zurück geschwommen und musst jetzt hier ein auf lone Survivor machen? " Jetzt fange ich auch schon an mit mir selbst zu reden.

Mitlerweile habe mir auch meine Füße aufgeratscht und sie fangen an weh zu tun. Ich lehne mich mit dem Rücken an einen Baum und atme erstmal durch. Ich habe echt keinen Plan wo ich bin.
"Kräh" Nicht schon wieder dieser Rabe. Das ist doch wohl ein schlechter Witz. Hastig gehe ich weiter. Ich spühre jeden Schritt an meinen wunden Füßen. Langsam fange ich an diesen kleinen Ausflug hier zu bereuen. Ich habe nicht mal etwas gefunden, weder irgendwelche Bierdosen, noch sonst etwas. Hier gibt es nur Bäume und Gestrüpp.
Hinter mir raschelt etwas. Ich drehe mich abrupt um. War da eben jemand?
Ja, da war jemand, ich bin mich sicher. Ich habe etwas gesehen oder ich fange jetzt auch noch an unter Verfolgungswahn zu leiden.
Ich gehe ein Stück in die Richtung aus der das Geräusch kam. Es raschelt wieder, aber dieses mal aus einer anderen Richtung. Mein Herz schlägt mir bis zur Brust. Jetzt sei kein Schisser Rachel, dass ist bestimmt nur ein Tier. Ein kleiner süßer Hase, der sich im Unterholz versteckt. Aber irgendwie kann ich mich gerade nicht so wirklich selbst überzeugen. "Hallo", rufe ich, "Ist da jemand?". Weiter stille. So langsam bekomme ich es mit der Angst zu tun. Ich schlucke.
Plötzlich knacken Äste, ganz dicht hinter mir. Ich laufe los und kämpfe mich durch das Gebüsch. Meine Füße schmerzen, aber ich versuche es zu ignorieren. Und da, ich kann den See sehen.
Kurz bevor ich das Ufer erreiche, höre ich auf zu rennen. Ich bin völlig außer Atem. Ich sollte unbedingt mehr Sport machen!
Im gehen blicke ich noch einmal zurück in den Wald. Er wirkt noch dunkler als vorher. Als ich meinen Kopf wieder nach vorne drehe, steht plötzlich jemand vor mir. Vor Schreck schreie ich auf, aber er hält mir blitzschnell seine Hand vor den Mund.

VampirekissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt