12: Day Zero

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"Was wollt ihr? Wieder einige Blutproben?", fragte ich die Neuankömmlingen.

"Ganz im Gegenteil, wir wollen dir erzählen, was unser nächster Schritt ist", sagte Dr. Row ruhig. Irgendwie hatte er die Gabe immer ruhig bleiben zu können.

"Na endlich! Das hat aber ganz schön gedauert." Ich war wirklich erleichtert, endlich zu erfahren, was als nächstes kommt.

"Wir wollten dir ohnehin alles erklären, jedoch erst morgen. Aber dann hast du eine Szene gemacht. Ich dachte, es sei das Beste für deine Psyche es jetzt zu erfahren." Dieser überhebliche Mistkerl!

'Ach meine 'achso zerbrechliche Psyche' hat jetzt immerhin schon zwei Monate durchgehalten. Ich wette deine wäre schon nach der ersten Woche zerbrochen', hätte ich ihm am liebsten entgegengeschrien. Doch ich war zu eingeschüchtert, weshalb ich einfach antwortete: "Und was ist der nächste Schritt?"

"Ich versuche es verständlich für dich auszudrücken und nicht alles in der Fachsprache", sagte Dr. Row wie ein ganz normaler Arzt, "Dank deines einzigartigen Gendefekts kannst du perfektes Gendoping machen. Deine Gene nehmen die fremden problemlos ins ursprüngliche Gen auf. So bleibt der eingebaute Genbestandteil dauernd im Körper und bleibt auch bei der Körperzellteilung weiter bestehen. Morgen wird dich Chris operieren und dir die Gene einpflanzen. Danach wirst du dich ein/zwei Tage erholen können."

"Nach diesen Erholungstagen werden wir deine verbesserten Leistungen erörtern und trainieren", beendete Chris Dr. Rows Erklärungen.

Ich schaute die zwei an. "Und ich kann nichts dazu sagen? Eigentlich gefällt mir ja mein Körper und meine Fähigkeiten so wie sie sind!"

Nun meldete sich die Krankenschwester erstmals mit völlig begeisterter Stimme zu Wort: "Genau, du kannst nichts dagegen tun. Doch das ist kein Grund entgeistert zu sein. Ganz im Gegenteil, eigentlich solltest du ganz glücklich sein! Du bekommst geniale neue Fähigkeiten und wirst allen Menschen überlegen sein."

"Wenn es klappt", ergänzte Chris.

'Oh mann, es gibt ein 'wenn'! Das bedeutet nichts gutes!', dachte ich mir und fragte: "Was ist das 'aber'? Immer wenn es ein 'Wenn' gibt, gibt es auch ein 'Aber'!"

"Aber wenn es nicht klappt", antwortete Dr. Row mir knapp, "dann wirst du an der Gendoping-Überdosis sterben! Sie würde einen normalen Menschen ohnehin umbringen!"

Wieder einmal starrte ich sie sprachlos an.

"Morgen ist der Day Zero! Der alles entscheidende Tag, auf den wir so lange hingearbeitet haben", sagte Dr. Row mit verträumtem Gesichtsausdruck.

Mit diesen Worten verliessen alle den Raum und sie nahmen natürlich auch das Malzeugs wieder mit.

Kurz darauf wurden die Lichter gelöscht.

Ich blieb mit meinen Gedanken und Ängsten alleine zurück.

Ich war noch nie eine besonders mutige und schlagfertige Person gewesen. Meine beste Freundin Clarice war die Mutige von uns gewesen. Schon im Kindesalter waren wir unzertrennlich und sie sprach für mich, wenn ich mich nicht traute.

Deshalb war es für mich noch härter hier eingesperrt zu sein. Das alles schüchterte mich enorm ein. Und ich konnte nichts dagegen tun. Immerhin wird man nicht von einem Tag auf den anderen eine mutige Person.

Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

~Sicht von Dr. Phil Row~

Auf dem Weg zum Labor des Forschungszentrums spukten in meinem Kopf viele Gedanken umher.

Ich konnte den morgigen Tag kaum erwarten. Dann war es soweit. Nach einigen körperlichen Tests, würde die Operation beginnen. Die Testresultate würde ich dann mit denen nach der Operation vergleichen. Ich war schon gespannt, was sie ergeben würden.

Voraussichtlich waren keine psychologischen Änderungen von Jane zu erwarten. Das war auch gut so, denn da sie so schüchtern war, wäre es ein Leichtes, sie auch weiterhin zu kontrollieren.

Zu hoffen war nur, dass sie die Operation überstand. Falls dies nicht der Fall war, wäre all die Forschung und die mühe umsonst gewesen. Doch da in diesem Institut die besten Leute arbeiteten, war ich zuversichtlich.

Das Gespräch mit Oliver, welches ich gestern hatte, stimmte mich allerdings wieder negativ. Es war deutlich zu sehen, dass er mit den Forschungen nicht mehr einverstanden war. Ausserdem hegte er gewisse Gefühle für Jane. Ihn als Begleitung für sie im Flugzeug auszuwählen, entpuppte sich als fataler Fehler. Meine einzigen Möglichkeiten bestanden darin, ihn entweder zu exekutieren oder ihn in die Vorschungsabteilung mit beschränkten Möglichkeiten fernab vom Projekt illustratio zu versetzen.

Ich hatte mich für die Versetzung entschieden, da sein allgemeines Wissen unentbehrlich war.

Ich öffnete die Labortür und setzte mich vor den Computer um noch einige abschliessenden Notizen in der Akte von Jane zu hinterlassen.

Ich freute mich auf den morgigen Tag!

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