„Aufs Leben"

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Die Mächtigen machen die Regeln und brechen Sie. Hier, bei uns, gibt es keine Regeln. Anarchismus ist so ein düsterer Begriff für die meisten. ‚Der Kampf gegen Staat'. Doch der Grundgedanke war anders. Anarchismus ist ein Freiheitskonzept. Wir sind freiwillig frei. Wir brauchen keine Gesetze an denen wir uns verzweifelt festklammern, in der Hoffnung Schutz zu erhalten. Es begann eigentlich alles damit, dass wir es satt hatten uns an die Regeln der Mächtigen zu halten, denn sie taten es schließlich selbst nicht. Wir wurden unbequeme Bürger. Nicht mehr angepasst und kontrollierbar. Wir sind aufgestanden, denn für uns war es an der Zeit für eine Revolution, für Anarchie. Wer Anarchismus fürchtet, der hat Angst vor der Freiheit.

Das war sie. Die Zusammenfassung wie ein stinknormaler Motorradclub zu den Rebel Ridern wurde. Wie Männer ihren Beruf aufgaben, um den Traum der Anarchie zu leben. In unserem Alltag bekam man oft mit, dass wir nach der Philosophie der Anarchie lebten, doch durch unseren etlichen Auseinandersetzungen mit Cops, anderen MC's und irgendwelchen Spionen vom FBI, ging unsere Gemeinschaft oft unter. In regelmäßigen Abständen gab es sogenannte ‚Ausfahrten nach Carson City', die eigentlich nur ein Ziel verfügten. Gemeinsam Zeit verbringen ohne Stress. Denn wenn alles andere nicht mehr passt, bleibt unsere geschlossene Gesellschaft. Diese Ausfahrt nach Carson City würde knapp eine Woche dauern. Der Werkstattbetrieb wurde von Judy und einigen Angestellten weitergeführt werden. Judy hatte sich gegen die Ausfahrt entschieden, was ganz normal war. Irgendwer fuhr immer nicht mit. Einige Frauen waren mit den Kindern auch in Ontario geblieben, da es einfach organisatorisch nicht geklappt hatte. Scott's Frau war mit den drei Kindern, darunter Marc, jedoch mitgekommen, weswegen Damian endlich ganz in Ruhe mit seinem Sohn mal Zeit verbringen konnte. Alle Members hatten im großen Bauernhaus meiner Großeltern ein eigenes Bett und die Frauen und Kinder wurden auf Matratzen und Sofas untergebracht. Es hatte etwas von einer Art Camp, denn es war das reinste Chaos, doch es machte Spaß. Die Kinder verbrachten den ganzen Tag draußen im Heu, bei den Kühen und bei den Eseln. Sie hatten Freude an dem Landleben und genossen es in vollen Zügen. Die Members hatten endlich mal Zeit für ihre Frauen, da nichts anstand. Wie jeden Abend, sobald die Sonne tief am Himmel hang, wurde hinten im Garten ein großes Feuer angezündet. Das Feuer war ein wichtiges Symbol für Anarchie und dementsprechend für uns. Es war ungestüm und kaum zu zähmen.

Wir saßen alle auf Holzbänken, Strohballen oder gefällten Bäumen ums Lagerfeuer herum und unterhielten uns. Jeder hatte etwas zu trinken in der Hand und es war eine sehr vertraute Atmosphäre. Ich saß zwischen der Frau von George und Owen und hielt meine Flasche Bier in der Hand. Dad erhob sich auf einmal gegenüber von mir und durchbrach das vertraute Gemurmel mit seiner lauten Stimme.

„Alle mal herhören", begann er und kurz darauf verstummten alle. Man hörte das Knacken des Feuers und hörte aus der Ferne vereinzelt eine Kuh.

„Ich hab die letzten Tage sehr viel über unsere Heimatstadt nachgedacht. Es ist lustig, dass man erst merkt wie sehr man seine Stadt wertschätzt, wenn man längere Zeit weg ist", meinte er und sah einmal in die Runde. Alle Blicke lagen auf ihm.

„Ich habe für mich festgestellt, dass Ontario eine besondere Stadt ist. Nicht viele Leute kommen nach Ontario. Ich mag die Tatsache, dass die Stadt sich ihre Argumente aussucht, warum jemand bleibt und warum jemand verschwindet. Wir sollten dafür sorgen, dass es so bleibt. Es macht Ontario einzigartig", kam es breit grinsend von ihm. Ich musste lächeln. Er hatte so Recht. Owen erhob sich neben mir. Dad nickte dem braunhaarigen mit dem langen Bart und den vielen Tattoos zu. Alle Blicken wanderten auf Owen.

„Jetzt wo wir hier so zusammensitzen, kann ich es mal ganz offen sagen. Unsere Familie ist eine Schande, aber mit gehangen mit gefangen", gab er auflachend von sich und prostete in die Runde. Ein raues Lachen ging durch die Reihe und alle prosteten zurück. Die munteren Gespräche setzten wieder ein und nach einiger Zeit rief Grandma zum Essen. Im großen Essraum war eine lange Tafel aufgebaut und eingedeckt. Alle Members und die Frauen nahmen Platz. Die älteren Kinder setzten sich ebenfalls dazu, wenn sie nicht zu müde waren. Es war wie ein großes Familienessen. Ich saß neben Damian, mir gegenüber Jayden. Owen saß Damian gegenüber und am Tischende Dad. Die Tafel verlief durch das ganze Esszimmer, bis am anderen Ende des Tisches Grandma saß.

„Eleanor, magst du mir mal das Brot geben", richtete der alte Lance an mich und ich gab ihm grinsend den Brotkorb. Die Stimmung war ausgelassen und ich hörte einigen Gesprächen zu.

„Wie geht es dir jetzt?", kam es auf einmal von Owen an Dad gerichtet. Dad schnitt sich ein Stück Fleisch zurecht und zuckte minimal mit den Schultern. Er zerkaute sein Essen, schluckte es runter und sah Owen an.

„Wir haben beide Brüder sterben gesehen. Du weißt genau, dass es in dieser Situationen nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder du läufst vor dem Schmerz weg, oder du lässt zu, dass er sich in dein Herz brennt.", erwiderte Dad schulterzuckend. Owen nickte verstehend.

„Und aktuell, wie würdest du deine Situation beschreiben?", wollte der Braunhaarige wissen.

„Ich habe vor drei Wochen meinen besten Freund begraben. Er war ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich muss jetzt einen neuen Weg gehen", entgegnete mein Vater.

„Ich weiß. Ich habe das Gefühl, es wird nicht besser", murmelte Owen nachdenklich. Dad sah ihn von der Seite an.

„Thomas, magst du mir mal bitte das Gemüse rübergeben?", bat Dad den alten Mann, der munter kauend seinen Arm ausstreckte.

„Es muss sich einiges ändern, damit es besser werden kann", antwortete Dad nun Owen.

„Was meinst du?", fragte er nach

„Ich hab das FBI am Hals, die Cops von Ontario, die Devils und unsere Geschäftspartner, weil die Lieferung aus Europa im Verzug ist. Wir müssen einige Baustellen loswerden", gab mein Vater seufzend von sich. Owen schien nachzudenken und nickte zustimmend.

„Das muss definitiv an den Tisch gebracht werden", meinte er.

„Ja. Aber bevor wir es an den Tisch bringen solltest du dich darum kümmern, dass du deine Beiträge für diesen Monat zahlst. Sonst wirst beim Kassensturz wieder dumm da stehen", erwiderte Dad und lachte auf. Owen musste ebenfalls lachen.

„Oh shit. Gut dass du mich erinnert hast", gestand er amüsiert.

„Aufs Leben", kam es auf einmal von Damian und er hob sein Bier in Jayden, Owens, Dads und meine Richtung. Wir nahmen alle unser Bier in die Hand und Owen lehnte sich ein Stück nach vorne, um mit der gesamten Runde Blickkontakt aufnehmen zu können.

„Aufs Leben", rief er allen zu.

„Aufs Leben!", kam es durcheinander, aber definitiv voller Elan zurück. Ich sah Dad an.

„Und auf Bryan", meinte ich zu ihm. Ein kleines Grinsen bildete sich auf seinen Lippen.

„Auf die Nachtwache", erwiderte er und nahm zufrieden einen Schluck Bier

O U T L A WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt