"Wenn sie liebte, liebte sie mit Chaos"

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Ich sah zu Dad rüber. Er stand in dem Hinterraum der Wellblechhalle und sah konzentriert auf seine drei Waffen vor sich. Nacheinander nahm er sie in die Hand und lud jede Einzelne. Seufzend sah ich ihm eine Zeitlang zu, bis ich mich zu ihm gesellte.

„Du rechnest ja mit dem schlimmsten", stellte ich fest. Dad sah mich kurz an und richtete dann wieder seinen Blick auf die Waffen.

"Ich muss mit allem rechnen", erwiderte er laut ausatmend.

„Wohin fahrt ihr heute?", fragte ich skeptisch

„Zum Hafen. Die letzte Ladung Waffen aus Europa entlegenen nehmen", antwortete er kurzangebunden und verstaute eine Waffe in dem Schafft seines Schuhs.

„Ein letztes Mal Kontakt mit dem Waffengeschäft", gab ich leise von mir

„Hoffentlich.", kam es nur von meinem Vater. Er wirkte nicht sehr optimistisch.

„Warum bist du so skeptisch?", wollte ich verwundert wissen. Er sah mich von der Seite an, schüttelte minimal den Kopf und steckte sich eine weitere Waffe in den Hosenbund. Er befestigte außerdem ein Messer an seinem Gürtel und richtete dann seinen Blick gegen die Wand.

„Mein Geschäftspartner muss aus der Welt geschafft werden, damit sein Nachfolger das Geschäft übernehmen kann und wir aus der ganzen Sache raus sind", erklärte er seufzend.

„Du wirst heute töten", schloss ich daraus und lehnte mich gegen den Türrahmen. Dad reagierte darauf nicht und machte sich weiter daran zu schaffen, gut auf den heutigen Tag vorbereitet zu sein.

„Willst du noch höher auf der Liste der meist gesuchten im Westen rutschen?", fragte ich ihn traurig. Finster sah mein Vater in meine Richtung

„Ich bin ganz oben", entgegnete er monoton.

„Lieber du, als ein Anderer des MC's?", hakte ich prüfend nach

„Jeder ist bereit sich für jeden zu opfern. Das sind nun mal die Rebel Rider. Die Jungs haben für mich alles in Kauf genommen, jetzt gebe ich was zurück", erwiderte er schulterzuckend. Ich spürte einen Druck in meiner Magengegend. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken. Einen so mächtigen Mann wie den Geschäftspartner umzubringen, konnte schwere Folgen haben. Das war mir bewusst. Das war allen bewusst.

„Ich hasse Grandpa dafür, dass er den Club so in die Scheiße geritten hat", gab ich heiser von mir. Dad seufzte und sah mich lange an.

„Ich war nicht besser", entgegnete er ernst.

"Du hast alles gegeben. Du wolltest weg von den Outlaw Scheiß", erwiderte er.

„Und hab uns noch mehr zu Outlaws gemacht", widersprach er. Ich schüttelte nur ratlos den Kopf

„Wir werden am Ende des Tages sehen, wer abdrückt", versuchte mein Vater mich zu beruhigen. Ich atmete tief ein und sah eine Zeitlang ins Leere. Draußen hörte man schon wie die anderen Members sich auf das heutige Geschäft vorbereiteten.

„Charles?", hörte man Owen rufen.

„Ja. Komme", rief dieser zurück und wollte den Raum verlassen.

„Dad?", kam es noch unsicher von mir. Mein Vater blieb stehen und sah mich an. Die blonden Haare, welche bis kurz über die Schultern reichten und nach hinten gegelt waren, der Dreitagebart, die blauen Augen und die ernste Miene. Das alles waren Erkennungsmerkmale von dem Präsidenten der Rebel Rider. Meinem Vater.

„Ich liebe dich", gab ich mit zitternder Stimme von mir und lehnte mich gegen seine Brust. Er schloss mich fest in die Arme und atmete hörbar gegen mein Haar aus.

„Ich dich auch Elo, ich dich auch", kam es heiser von ihm. Dann löste er sich von mir und ging durch die Wellblechhalle, in welcher etlicher Autos standen, auf das Werkstattgelände zu den anderen Members. Ich schloss hinter mir die Tür zu unserem Waffenvorrat und ging ebenfalls durch die Halle durch. Ich sah noch, wie die Members auf ihren Harleys vom Hof fuhren und hinter ihnen die Tore wieder geschlossen wurden.

„Na was ist dir denn über die Leber gelaufen?", kam es auf einmal von Jayden. Fragend sah ich ihn an

„Warum fährst du nicht mit?", entgegnete ich verwundert

„Ein Teil muss hier bleiben und die Stellung halten, falls uns ein Besuch abgestattet wird. Das übernehmen heute Lance, Steve und ich", erwiderte er schulterzuckend. Mit einer Geste lud er mich ein, mit ihm mitzugehen. Ich tat es und gemeinsam gingen wir zu der Bank vor der Werkstatt. Seufzend ließ ich mich auf sie fallen und sah über das ruhige Werkstattgelände

„Hast du noch wieder was von diesem Brylen gehört?", wollte Jayden wissen. Ich sah ihn an und schüttelte minimal den Kopf.

„Ein Glück nicht", meinte ich murmelnd.

„Sobald das wieder vorkommt sagst du mir, Damian oder sonst wem aus dem Club Bescheid. Verstanden?", kam es ernst von dem Mitte Zwanzigjährigen. Ich nickte minimal.

Brylen hatte mir in der vergangen Zeit des Öfteren aufgelauert und versucht mich über den Club auszuquetschen. Bei einigen Aufeinandertreffen wollte er auf einmal nichts vom Club hören, und wurde dafür aber sehr körperbetont. Es war dann immer wie dämliches Anmachen oder dreckiges Antanzen. Er nervte einen einfach nur und es war einem unangenehm ihm gegenüber zu stehen. Bis jetzt hatte ich es jedes Mal alleine aus der Situation geschafft, aber ich traute dem Jungen mit den eiskalten blauen Augen nicht. Irgendwas führte er im Schilde und wir waren uns alle einig, dass es mit seinem Vater Archer zusammenhing, der schließlich als  Agent fürs FBI arbeitete.

„Kann ich dich was fragen?", holte mich Jayden in die Realität zurück. Fragend sah ich ihn an und nickte dann aber.

„Wieso kommst du mit Judys Tod so gut zurecht?", wollte er vorsichtig wissen. Ich sah auf meine Hände und drehte mein Feuerzeug in meinen Fingerspitzen. Dann sah ich hoch zu dem Dach, auf welchem Judy die meiste Zeit verbracht hatte.

„Ich weiß nicht. Einerseits habe ich glaube ich immer gewusst, dass es eines Tages so enden würde, andererseits haben die letzten Jahre mir gelehrt, wie man mit so einem Verlust umzugehen hat", erwiderte ich kleinlaut.

„Ryans Tod hat dich zu so einem starken Menschen gemacht. Es hat dich komplett geändert. Wenn man bedenkt, dass du nun mal ein Rebel Rider bist, dann hat es dich zu etwas Gutem geändert", entgegnete Jayden. Ich nickte minimal.

„Aber ich spüre trotzdem jeden Tag wie Judy fehlt", gab ich seufzend von mir. Er nickte

„Bryans Fehlen spürt man auch sehr am großen Tisch", stimmte Jayden mir zu.

„Weißt du, Judy war so anders. Ich habe nie jemanden kennengelernt, der so war wie sie", meinte ich

„Was meinst du genau?", hakte er fragend nach.

„Sie hatte eine wilde, wandernde Seele, aber wenn sie liebte, liebte sie mit Chaos und das machte den Unterschied", erklärte ich schulterzuckend. Jayden nickte verstehend. Nach einiger Zeit, atmete er hörbar ein.

„Sie wäre nie Mutter geworden. Sie wäre nie alt geworden. Irgendwie hat man von Anfang an gewusst, dass ihr Leben so früh enden würde. Das klingt so suspekt, aber es war so", kam es von ihm zögernd. Ich nickte verstehend.

„Ich weiß was du meinst. Einige Menschen sind einfach nicht dafür gemacht mit uns alt zu werden. Ryan war so eine Person, Judy war so eine Person", entgegnete ich leise. Ich sah aus dem Augenwinkel wie Jayden leicht nickte.

„Und Dad ist so eine Person", kam es leise von mir. Jayden sah mich von der Seite an, doch ich reagierte nicht.

O U T L A WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt