"Dann bleiben nur wir"

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Durch das gleichmäßige Piepen einer Rückfahrkamera wurde ich wach. Müde rieb ich mir die Augen und streckte mich im Bett. Die Sonne fiel durch die Jalousien in mein Zimmer über dem Clubhaus. Auf dem Gang vor meinem Zimmer nahm ich ein wenig Trubel war. Den Stimmen nach war es Maya und Sally. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich es schaffte die Bettdecke zurück zu schlagen und aufzustehen. Verschlafen sah ich mich um. Überall auf dem dunklen Holzfußboden meines Zimmers lagen Klamotten, Zeitschriften und Bilder. Super. Was für eine Unordnung schon wieder hier herrschte. Das einzige was mich beruhigte war, dass es in allen Zimmern der Members so aussah. Ich öffnete die Jalousien um Licht in mein Zimmer zu lassen und sah auf das Werkstattgelände. Tyler und Lance hatten schon wieder ein Auto auf dem Abschlepper und ein Kleintransporter rangierte gerade vor der Werkstatt. Scheinbar wurden schon wieder Bierfässer für das Clubhaus geliefert. Ich schnappte mir eine dunkle Jeans und ein Top aus meiner Kommode, zog meine Sneakers an und griff im Rausgehen noch nach meiner Lederjacke. Auf dem Weg nach unten ins Clubhaus kamen mir einige Hunde entgegen. Sie wirkten total aufgeregt. Als ich unten ankam, sah ich Sally hinter der Theke stehen.

„Möchtest du einen Kaffee?", fragte sie

„Ja bitte. Was ist denn mit den Hunden los?", erwiderte ich und sah mich um, da einige auf einmal über die Sofas tobten.

„Die waren alle noch nicht draußen", gab sie seufzend von sich und scheuchte den Pitbull hinter der Theke weg, da sie sonst kaum Platz hatte zum hin und her laufen.

„Ich kümmere mich drum", meinte ich nur seufzend und nahm dankbar den Becher Kaffee entgegen. In großen Schlucken trank ich die braune Brühe und pfiff dann laut nach den Hunden. Ein Poltern ging durchs Clubhaus und aus allen Ecken kamen die Vierbeiner angerannt. Niner vorweg. Gerade noch rechtzeitig konnte ich einen Schritt zur Seite machen, sonst hätte mich mein Kalb-großer Hund umgerannt. Durch das Büro verließ ich das Gebäude und hatte Mühe alle Hunde zusammenzuhalten, damit sie den Werkstattbetrieb nicht störten. Einige Kunden sahen mit großen Augen die Tiere an. Sie waren es scheinbar nicht gewohnt, dass Pitbulls, Dobermännern, Schäferhunde und eine Dogge wild umher rannten.

„Morgen Eleanor", rief Owen mir zu und fuhr den Pick Up rückwärts in eine enge Parklücke

„Morgen. Ich geh eben mit den Hunden", entgegnete ich über den Lärm hinweg und er nickte mir nur zu. In Begleitung der sechs Hunde drehte ich eine Runde um den Block. Dabei entgingen mir nicht die skeptischen Blicke von Ontarios Bevölkerung. Es war kein Geheimnis, dass ich zu den Rebel Ridern gehörte und mein Auftreten mit all den Hunden machte es nicht besser. Egal wo hin wir kamen in unserer Stadt, jeder wusste wer wir waren und mied gezielt Kontakt zu uns. Ich war heilfroh als ich das Werkstattgelände wieder betrat, denn hier war ich jedenfalls Willkommen. Die Hunde verstreuten sich über das Gelände und suchten nach Schattenplätzen. Ich verschanzte mich in der Wellblechhalle und schraubte an dem Auto von Georges Frau rum, da in der Werkstatt kein Platz für Privatwagen war. Nach einiger Zeit gesellte sich Damian zu mir

„Ich hab dich überall gesucht", kam es seufzend von ihm. Ich kroch aus dem Motorraum des Kombis hervor und sah ihn fragend an

„Warum solltest du mich suchen?", fragte ich verwundert und auflachend nach. Er atmete schwer ein und sah mir über die Schulter auf den Motor des Autos

„Ich muss mit dir reden", begann er. Skeptisch sah ich ihn an und lehnte mich gegen das Auto

„Am Tisch haben sie letztens über den Austritt am Drogen- und Waffengeschäft gesprochen", meinte er. Interessiert sah ich ihn an

„Und?", wollte ich wissen

„Wir haben dafür gestimmt, mit zwei Stimmen Mehrzahl", erwiderte er

„Was ist dein Problem?", hakte ich verwundert nach

„Ich hab mich in letzter Sekunde dafür entschieden. Die ganze Zeit war ich dagegen und ich bin mir nicht sicher, ob diese spontane Entscheidung vielleicht falsch war", erklärte er und sah mich abwartend an

„Warum warst du anfangs dagegen?", fragte ich ihn abwartend

„Naja, wir haben feste Einnahmen durch die Geschäfte. Die Gangs bezahlen sehr gut dafür. Die Waffen aus Europa zu bekommen ist relativ einfach, nur die Deals hier zu Lande über die Bühne zu bekommen bringt Risiken mit sich", meinte mein Bruder

„Weißt du eigentlich, dass diese Geschäfte unsere Familie gefährden?", wollte ich von ihm wissen

„Ja, wenn wir erwischt werden, dann sitzen wir alle im Knast. Aber sitzen tuen wir doch so oder so irgendwann", erwiderte Damian

„Das meine ich nicht. In diesem Club ging es vor langer Zeit mal um die Familie, nicht um das Geld. Dieser Club wurde zusammengehalten aus Liebe, als eine Bruderschaft. Dieser Gedanke ist aber vor langer Zeit verloren gegangen. Alles was diesen Club noch zusammenhält ist Geld. Das muss sich wieder ändern", entgegnete ich

„Die anderen werden niemals im Club bleiben, wenn sie dadurch kaum noch ihre Familien ernähren können", gab Damian zu bedenken

„Wir sind eine Familie. Wir als ganzer Club mit all den Members und deren Frauen und Kindern. Wir halten zusammen und jeder von uns sollte bestrebt sein, dass jeder einzelne von uns in der Lage ist, ein vernünftiges Leben zu führen. Es hat immer geklappt und wird immer klappen. Es ist eine Frage der Einstellung", widersprach ich ihm. Mein Bruder schien eine Zeitlang über meine Worte nachzudenken

„Ich glaube diesen Grundgedanken haben einige Members auf dem Weg verloren", kam es zögerlich von ihm. Ich nickte

„Das weiß ich, aber glaub mir, sie werden ihn bald wiederfinden", erwiderte ich

„Warum bist du dir da so sicher?", wollte er skeptisch wissen

„Unser Vater rutscht gerade in die Schusslinie des FBIs, der Cops und der Geschäftspartner. Alle würden sie ihn am liebsten umlegen. Doch anstatt sich zu verstecken, versucht er den Club und damit uns alle, aus der Scheiße zu ziehen. Das sollte Grund genug sein für dich, ihm den Rücken zu stärken. Er versucht ein Umfeld aufzubauen, in dem Kinder wieder groß werden können. Er versucht uns wieder die Chance zu geben, dass wir mit der Bevölkerung unserer Stadt harmonieren können. Er will den Krieg beenden", erklärte ich seufzend. Damian fuhr sich kopfschüttelnd durch die Haare und sah mich mit verschränkten Armen vor der Brust an. Ich wusste was seine Gedanken waren und spürte augenblicklich, wie heiße Tränen in meine Augen stiegen. Stumm flossen sie mir die Wangen runter und ich presste meine Lippen aufeinander

„Er wird dabei draufgehen", murmelte mein Bruder monoton. Ich nickte nur und sah zu Boden. Kurz darauf spürte ich die starken Arme meines Bruders, welcher mich beschützend an sich zog.

„Wenn alles zerbricht, dann bleibt nur der MC", gab er seufzend von sich und strich über mein Haar.

„Und wenn der irgendwann zerbricht, dann bleiben nur wir", ergänzte ich.

O U T L A WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt