Es klapperte an der Zellentür und Judy und ich sahen beide erwartungsvoll in dieselbe Richtung. Ein Cop öffnete unsere Zelle.
„90 Minuten Freigang im Fitnessraum", gab der Cop ernst von sich und wartete darauf, dass wir uns endlich bewegten. Judy und ich sahen uns an und sie wusste sofort, dass diese 90 Minuten das Highlight meiner Woche waren. Es gab nur im ‚normalen' Knast einen Fitnessraum, weswegen wir Frauen nur einmal die Woche dorthin konnten. In dieser Zeit, in der wir dort trainierten, waren aber nicht nur weibliche Insassen anwesend, sondern auch Männer, da man die Trainingszeiten nicht anders koordinieren konnte. Dafür waren dann aber auch doppelt so viele Cops vor Ort. Mich juckte das alles herzlich wenig, da ich kein Interesse an den Männern hatte, es sei denn, sie waren einer der Members von uns. Zu diesen Trainingszeiten gab es jedoch auch deutlich mehr Raufereien zwischen den Insassen, was an der Anwesenheit der Frauen lag. Typisches Machogehabe.
Judy und ich wurden in einige Umkleidekabine für Frauen gebracht, in welcher wir unsere Häftlingskleidung, gegen sportlichere Kleidung tauschten. Die anderen Frauen die hier waren, musterten sich gegenseitig verbissen. Selbst hier drinnen gab es den Kampf darum, wer die Schönste, Sportlichste oder Beliebteste war.
„Einfach nur affig", raunte Judy mir zu, „ich bin froh, wenn ich hier wieder raus bin". Nickend stimmte ich ihr zu. Geschlossen als Gruppe durften wir den Fitnessraum betreten. Augenblicklich hörte man Pfiffe, Rufe und anstößige Kommentare. Unbeeindruckt lief ich zielstrebig zur Boxecke, nahm mir Boxhandschuhe und ließ all meine aufgestaute Energie im Boxsack raus. Immer wieder schepperten die Metallketten gegeneinander, an welchem der Boxsack befestigt war. Ich war so konzentriert, dass ich mich leicht erschrak, als mir jemand mit einem Boxhandschuhe in die Seite boxte. Wütend fuhr ich um und wollte die Person anschnauzen, doch dann erkannte ich die kurz rasierten Haare. Verwundert sah ich Jayden an.
„Boxt du gegen mich?", fragte er in distanzierter Tonlage. Ich nickte minimal und wir verschanzten in einen ruhigeren Bereich. Immer wieder tauschten wir faire Schläge aus.
„Sie haben Damian in einen Käfigkampf gesteckt", gab er zwischen seinen Schlägen von sich.
„Ich weiß. Sie haben mir ihn gezeigt", erwiderte ich monoton. Jayden hörte auf zu boxen.
„Nicht im Ernst?", kam es fassungslos von ihm.
„Box weiter", befahl ich und nickte ihm zu. Er sollte sich nicht so auffällig verhalten.
„Ich hasse Cops", murmelte ich nur leise
„Ich auch", entgegnete er.
„Warum bist du hier bei mir?", wollte ich wissen. Jayden boxte einige Male und sah konzentriert vor sich hin.
„Hör zu", begann er schweratmend zwischen einigen Boxschlägen, „Bryan kommt mit euch als erstes raus. Ihr fahrt zum Clubhaus und sagt den anderen Bescheid, was ansteht. Dein Vater hat die Vergeltung bereits geplant. Sobald wir raus sind, geht es das direkt über die Bühne. Thompson kommt nächste Woche aus dem Zeugenschutzprogramm raus. Sagt das auch Judy". Ich nickte minimal und dachte noch einmal über seine Worte nach.
„Thomas hat einen Zwinger raus gesucht. Ihr fahrt doch auch hin und holt Niner ab", meinte er noch.
„Niner?", hakte ich skeptisch nach und platzierte wieder zwei Schläge.
„So heißt euer neuer Hund", erklärte Jayden. Ich schüttelte in Gedanken den Kopf.
„Was man so alles im Knast planen kann", stellte ich kopfschüttelnd fest. Jayden sah an mir vorbei und reagierte nicht auf meine Aussage. Dann brach er unser Training ab, klatschte mich mit der Faust ab und ging kommentarlos. Verwundert sah ich ihm nach und drehte mich dann um. Drei Häftlinge betraten den Raum. Sie sahen sich suchend im Fitnessraum um. Ich erblickte an der Kehle des einen ein Tattoo, das mir so einiges klar machte. ‚Der Teufel schläft nicht'. Es waren Devils Members, die hier gerade den Raum betreten hatte. Judy tauchte neben mir auf und sah mit versteinerter Miene die drei an.
„Ein guter Zeitpunkt um an den Rand zu gehen", murmelte sie mir zu und zog mich ein wenig abseits. Die drei Devils genossen ihren Auftritt, doch die Tatsache, dass auch Rebel Rider hier im Raum waren, ließ die Stimmung drastisch anspannen. Häftlinge, die nichts mit der Motorrad Szene zu tun hatten, sahen verunsichert zwischen Jayden, Ty, Dad und den anderen Devils hin und her. Mir war klar, dass das hier nur eskalieren konnte. Und es dauerte auch keine zehn Minuten, bis Dad mit einem Devil Stress bekam, die beiden begannen sich zu schubsen und anschließend zu prügeln. Eine Sirene innerhalb des Fitnessraumes ging an, Sicherheitsmänner kamen rein und brachten uns aus dem Frauenknast als erstes in ‚Sicherheit'. Anschließend kümmerten sie sich um den Rest. Wir mussten uns duschen und umziehen und wurden dann zurück in unsere Zellen gebracht.
„Das werden harten Wochen für die Männer", gab Judy seufzend von sich und ließ sich auf ihre durchgelegene Matratze fallen. Ich nickte stumm.
„Sehr harte", murmelte ich.
„Ich hab mit Damian geredet", begann sie auf einmal und sah mich unerwartet ernst an.
„Und?", hakte ich nach und setzte mich ebenfalls auf mein Bett.
„Sobald du draußen bist kommt deine Mutter und will dich holen", meinte sie seufzend. Ich rollte genervt die Augen.
„Das kann sie schön vergessen", entgegnete ich wütend.
„Elo, du bist 17. Du bist nicht volljährig. Solange Charles im Knast sitzt, ist sie verantwortlich für dich", erwiderte Judy. Ich lachte heiser auf, schüttelte fassungslos den Kopf und sah zu Boden.
„Dann ist das ebenso. Ich hole Damians Sohn ab und Niner und gehe nach San Francisco. Für drei Wochen. Sobald Dad nur einen Fuß aus diesem Bunker gesetzt hat, bin ich wieder hier in Ontario", gab ich frustriert von mir. Judy nickte.
„Warum holst du Damians Sohn ab? Und wer ist Niner?", wollte sie verwundert wissen
„Chantal hat mich hier besucht. Sie muss das Baby loswerden", erklärte ich seufzend. Judy schüttelte in Gedanken den Kopf und sah mich an. Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe
„Dein Bruder ist so unwahrscheinlich dumm. Wie kann er so ein Geschöpf wie Chantal schwängern? Wie? Oh Gott, der Gedanke dass die Genen von den beiden in dem Baby stecken. Das eine Elternteil dümmer als das andere", bemerkte sie und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.
„Danke dass du meine Gedanken aussprichst", stimmte ich ihr murmelnd zu
„Und du bist mit dem Typen auch noch verwandt", fügte Judy hinzu.
„Danke, bin ich jetzt auch so dämlich?", wollte ich provokant wissen.
„Ein Glück nicht", gab sie seufzend von sich und lehnte sich gegen die kalte Steinwand.
„Weißt du, im Hause Hudson kommen Kinder ungeplant und zu den ungünstigsten Zeiten zur Welt. So war es mit Dad, mit Damian und mit mir. Wir waren alle ungeplant und im ersten Moment eine Plage, aber das Leben wird sich dabei wohl was gedacht haben", versuchte ich optimistisch zu denken.
„Ich hoffe du hast Recht", erwiderte Judy
„Ja, ich hoffe es auch. Die Umstände, dass Damian einfach nur besoffen und zu gedröhnt war, sind wahrscheinlicher", entgegnete ich.
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O U T L A W
Teen Fiction'Wir sind Outlaws. Gesetzlose. Wenn die Freiheit gesetzlos ist, werden nur Gesetzlose frei sein.' "Sie war wild, aber loyal" Aus dem Leben eines Outlaws Inspiriert von den Sons of Anarchy