FÜNFUNDDREISSIG | I'll Find A Way To Fix These Broken Pieces

103 9 4
                                    

Ich habe es versucht. Ich habe es wirklich versucht. Doch ich kann nicht vergessen. Und ich kann mir nicht verzeihen. Ich kann nicht einfach vergessen, dass ich Luke verletzt habe. Ich kann nicht einfach vergessen, dass ich meine Beziehung zu Ashton zerstört habe. Ich kann nicht einfach vergessen, dass ich Ally nicht mehr anschreibe und sie ignoriere. Ich kann nicht vergessen, dass ich alles kaputt gemacht habe, das mir etwas bedeutet hat. Es geht einfach nicht, so sehr ich es auch will.
Ich habe mein Studium, als Beste abgeschlossen, habe mich beworben und direkt eine Arbeitsstelle bei einer beliebten, renommierten Dresdner Praxis bekommen. Es gibt ein paar Männer, die sich für mich zu interessieren scheinen... Mit einigen habe ich mich getroffen, doch sie können es niemals mit ihm aufnehmen. Eigentlich könnte alles perfekt sein. Doch das ist es nicht, es ist alles andere als das. Ich fühle mich so allein und hilflos, wie nie zuvor.
Ich kann nicht aufhören an meine Jungs zu denken, ich kann nicht aufhören an Ally zu denken...
Wenn meine Chefin wüsste, dass ich mich fast jeden Abend in den Schlaf weine, dass ich Gedanken habe, die ich nicht haben sollte, dass in meinem Mülleimer eine neu gekaufte Packung Rasierklingen liegt... Sie würde mich direkt beurlauben, feuern, wie auch immer und zum nächsten Psychiater schicken. Was für eine Ironie, dass ich selbst einer bin. Es heißt ja, dass alle Psychologen irgendwann selber einen brauchen. Doch ich bräuchte eigentlich schon jetzt einen, bevor ich richtig angefangen habe zu arbeiten.
Das einzig Positive ist, dass ich die Sache mit Jake verarbeitet habe und fast gar nicht mehr an ihn oder daran denke.

--------

„Ist es so gut?", fragt meine Friseurin mich und hält den Spiegel so, dass ich ihr Werk begutachten kann.
Meine Haare sind jetzt wieder lang, sie reichen mir bis zum halben Rücken, sind aber immer noch schwarz gefärbt, nur jetzt leuchten ein paar blaue Strähnen hervor.
Ich muss an meine Chefin denken, bevor ich antworte: 'Solange du nicht mit Neonhaaren ankommst ist alles gut. Aber die Piercings musst du raus machen, so schön ich sie auch finde.', erinnere ich mich an ihre Worte.
„Ja so ist es gut, danke", beantworte ich die Frage und lächele sie kurz an.

Zu Hause angekommen sehe ich mich im Spiegel an. Schwarz-blaue Haare, Piercings, Tunnel, schwarze Sachen... Wer mich sieht hat ein komplettes Bild meiner Seele vor sich. Was ist bloß aus mir geworden? Ein kleines Häufchen Elend, der sich in Selbstmitleid suhlt. Wow... Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es tun. Ich würde Luke am Flughafen sagen, dass ich ihn liebe, dass ich innerlich explodiert bin, als er mich geküsst hat. Es wäre alles anders gewesen...
Aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ich kann auch nichts ungeschehen machen. Ich lasse mich auf die Couch fallen und sehe mich in der Wohnung um. Ich bin mittlerweile umgezogen, weil die größere Wohnung zu groß und zu teuer für mich allein wurde. Allys Sachen stehen im Keller.
Das Klingeln meiner Haustür reißt mich in die Realität zurück.
Ich stehe mühsam auf und öffne die Tür.
„Hi Xenia, oh neue Haarfarbe! Schick!", stellt meine überdrehte Nachbarin fest und stürmt schwungvoll wie immer meine Wohnung. Sie kennt meine ganze Geschichte. Wir haben lange Abende dagesessen und geredet. So gesehen ist sie meine Therapeutin, die ich nicht will.
„Hi Miriam", sage ich müde lächelnd und lasse mich neben sie auf das Sofa fallen.
Sie hält mir einen Brief unter die Nase.
„Ich habe einen Typen dabei erwischt, wie er den unter deiner Tür durchschieben wollte. Ich habe ihn ertappt und mir den Brief genommen. Wer ist er? Ein Verehrer?", erklärt sie und zieht auffordernd eine Augenbraue nach oben.
Ich grinse. „Wie sah er denn aus?", hake ich nach.
„Blond, groß, blaue Augen glaube ich... Ziemlich heiß... Irgendwo her kam er mir bekannt vor", beschreibt sie.
Ich krame mit miesem Gefühl und zittrigen Fingern ein zerknittertes Foto aus meinem Portemonnaie. Es ist ein Selfie unserer ganzen Gruppe, aus einer Zeit in der noch alles gut war. Ich zeige auf Luke. „Der da?", flüstere ich.
Sie nickt und erstarrt. „Daher kenne ich den...", stellt sie fest.
Luke war hier. Luke hat mich gesucht. Mein Herz schlägt hart und schnell gegen meinen Brustkorb.
„Du verstehst doch, wenn ich dich jetzt rausschmeiße, oder?", frage ich und hoffe, dass es nicht allzu grob klingt.
Miriam nickt einfach nur. „Wenn du reden willst, komm klopfen."
Ich nicke und warte, bis sie meine Wohnung verlassen hat.
Ich reiße den Umschlag auf und ziehe einen Zettel hervor. Ich habe Angst und ich freue mich. Doch beides verlässt mich etwas, als ich erkenne, dass es Allys Handschrift ist. Vielleicht hat Luke mich gar nicht gesucht, vielleicht war sie es und er nur der Überbringer. Ich werfe noch einen kurzen Blick auf das alte Foto in meiner Hand in beginne zu lesen:

*Hey Xen.
Da du beschlossen hast mich zu ignorieren, muss es eben so sein. Ich vermisse dich. Wir alle tun das. Selbst Luke, auch wenn er versucht es sich nicht anmerken zu lassen. Zwischen ihm und Arz läuft es gerade richtig schlecht. Die Verlobung ist so gut wie aufgehoben und sie sind irgendwie auch nicht mehr wirklich zusammen... Glauben wir... Sie tun vor uns so, als wäre alles gut.
Naja wie auch immer, hier liegt was für dich bei. Sieh zu dass du an dem Tag deinen Arsch nach Berlin bewegst, sonst komm ich und trag dich hin. Lass mich wissen, wenn du kommst. Wenn du willst, dann sage ich es auch nicht den Jungs. Ich brauche Mal wieder einen Mädelsabend. Schreib mir bitte.
Ach und, Ash... Er traut sich nicht, sich bei dir zu melden...
Bis dahin Ally
PS: Still your Bestie!
PPS: I'll Find A Way To Fix These Broken Pieces!*

Ich ziehe eine zweite Karte aus dem Umschlag und blicke auf eine Konzertkarte. Das ist der Moment in dem ich weiß, dass ich hingehen werde. Und in dem ich hoffe, dass es alles verändern wird. I want to fix these broken pieces too.

Berlin Love AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt