FÜNFUNDZWANZIG | You Say I'll Call You Tomorrow At Ten

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Ich erzähle Jake gerade alles was in den Tagen passiert ist, von Luke und allen anderen. Doch er wirkt seltsam desinteressiert, aber als ich ihm sage, dass ich ihn Luke vorgezogen habe, blickt er kurz auf und fängt an zu lächeln.
„Das hast du gemacht?", fragt er erstaunt.
Ich nicke. „Ich liebe dich und ich weiß, dass du mich auch liebst und ich konnte dir das nicht antun...", erkläre ich, als wäre es das Logischste der Welt.
Er gibt mir keine weitere Antwort sondern küsst mich stürmisch.
„Du bist meine", sagt er und sieht mir fest in die Augen, bevor er mich weiter küsst.
Doch selbst dieser leidenschaftliche Kuss kann es nicht mit dem von Luke aufnehmen, ich spüre verblassend wenig. Es gefällt dir, rede ich mir ein. Und weil ich mir Dinge gut einreden kann, fängt es vielleicht sogar an mir etwas mehr Spaß zu machen und vielleicht ist das auch der Grund, dass ich mit Jake schlafe, aber vielleicht ist der Grund auch einfach, dass ich Ablenkung brauche.
„Das war toll", sage ich und kuschle mich dicht an ihn, „Ich liebe dich."
Er kichert: „Fand ich auch. Ich dich auch."
Es fällt mir wieder auf. Ich dich auch.
„Warum sagst du mir nie, dass du mich liebst?", frage ich nach und es tut irgendwie gut die Frage endlich zu stellen.
„Tue ich doch?", versucht er sich zu rechtfertigen und zieht die Augenbrauen zusammen.
„Du sagst immer nur: 'Ich dich auch.' Warum?", gebe ich ihm zu verstehen.
„Ich finde das sind starke Worte", sagt er und zuckt mit den Schultern.
„Willst du damit...damit sagen, dass du... mich nicht liebst?", stotterte ich überfordert.
„Doch das tue ich, aber ich finde es noch etwas zu früh für mich selber, solche Worte zu dir zu sagen", erklärt er mir.
Ich sehe in seine Augen und beschließe ihm zu glauben.

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Am Nachmittag sitzen wir in einem Café und ich versuche zu beschreiben, was der Verlust der Jungs für mich bedeutet und überlege laut, was ich ohne Ally tun soll. Jake sieht aufmerksamer aus, als heute Morgen. Doch plötzlich stöhnt er genervt auf und wendet den Blick ab. Ich stoppe meine Gedanken und blinzle ihn verwirrt an.
„Weißt du, du gehst mir langsam gehörig auf den Sack! Es nervt mich, dass du nur noch davon redest! Mir die ganze Zeit die Ohren vollheulst. Und weil mir das heute und gestern Abend schon zu viel ist, rechts mir jetzt mal! Ich hab kein Bock mehr da drauf! Außerdem warst du eh nur eine Wette. Und ich habe gewonnen. Ich habe dich ins Bett gekriegt... Ach und übrigens... Damals auf dem Klo... Ich war nicht ansatzweise betrunken. Ich habe nur einen Kurzen gekippt, damit es so aussieht. Aber du bist zu naiv und versessen auf mich gewesen. Und jetzt... Mach ne Fliege und sieh mich nie wieder an", schnauzt er und funkelt mich böse an.
„J...Jake nein... Sag... Sag doch sowas nicht... Ich dachte... Du hast heute Morgen gesagt... Du liebst mich auch...?", stottere ich überfordert und versuche seine Hand zu nehmen, doch er wehrt es ab.
„Ich liebe dich nicht. Und das ist auch der Grund, warum ich es dir nie gesagt habe. Du hast dich mir direkt hingegeben, es war noch nie so leicht für mich ein Mädchen ins Bett zu bekommen. Du lagst mir von Anfang an zu Füßen. Ich wäre ja dumm, wenn ich das nicht ausnutzen würde", sagt er trocken und steht auf.
„Jake...", flehe ich, doch er dreht sich um und geht.
Ich bezahle den Kaffee und gehe nach Hause.

Ich sitze vor dem Laptop und schaue mir Serien an, ich habe eben beschlossen, dass ich den Rest meiner Ferien ebenfalls damit verbringen werde. Nur ein Wunder könnte mich davon abhalten. Eigentlich will ich mit jemandem Reden, Weinen was auch immer... Aber der einzige der mir einfällt und nicht sagen würde, dass er es mir gesagt hätte ist Michael. Mein Blick wandert zur Uhr. 22 Uhr. Ob sie immer noch wach sind? Oder schlafen sie schon? Gibt es eine Zeitverschiebung?
Nach einigem Überlegen beschließe ich ihn anzurufen.
„Xen? Vermisst du mich jetzt schon, wir sind doch erst zwei Tage getrennt", sagt er theatralisch und lacht.
„Michael...", als er meine Stimme hört, verstummt sein Lachen.
„Was ist passiert?", fragt er und ich höre, wie er sich von den anderen entfernt, deren Stimmen ich eben noch im Hintergrund gehört habe.
„Jake...", versuche ich es doch meine Stimme erstirbt.
„Hat er dir weh getan?", fragt Mickey sofort nach und ich kann hören wie seine Stimme von Freude zu Wut umschwingt.
„Kann man so sagen...", antworte ich, „Er hat mir gesagt, dass ich ihn nerve, weil ich nur noch von euch geredet habe... Was ich Luke angetan habe... Was mit Ash wird... Wie ich ohne Ally überleben soll... Alles sowas... Und... Und er hat gesagt...", ich breche ab und fange an zu weinen.
„Shhh... Was hat er gesagt...", Michael klingt besorgt und verzweifelt.
Ich schlucke meine Schluchzer herunter und unterdrücke meine Tränen. Jake verdient sie nicht. „Er hat gesagt, dass ich nur eine Wette war. Er hat gewettet, dass er mich ins Bett bekommt... Und das hat er geschafft... Jetzt braucht er mich nicht mehr... Ich bin so naiv", erkläre ich und bemühe mich nicht weiter zu weinen.
„Xen... Hey... Wir schaffen das okay? Er war doch eh ein Arschloch, er verdient nicht, dass du für ihn weinst, Liebeskummer hast, deine Wohnung nicht mehr verlässt und dich mit fünf Kilo Eis vollstopfst... Und vor Allem bist du nicht schuld daran", versucht er es. Und irgendwie hat er mit allem, außer dem Eis, was er sagt Recht.
„Ich weiß, aber weißt du wie scheiße ich mich fühle... Und verdammt ich weiß, dass Luke mich umbringen würde, wenn er wüsste, was ich dir jetzt erzähle, aber er hat mich geküsst. Am Flughafen... Und mich gefragt was ich fühle. Und ich habe so viel mehr gefühlt als bei Jake und gesagt, dass da nichts weiter in mir passiert ist... Weil ich Jake nicht verletzen wollte... Scheiß Arschloch!", schütte ich ihm meine Gefühle aus.
„Xen tut mir leid, aber bist du bescheuert?", fragt er mich entsetzt.
„Ja das habe ich auch schon festgestellt... Aber danke für die Bestätigung... Und Luke hasst mich jetzt...", rede ich weiter.
„Xenia. Luke liebt dich, er ist nur verdammt verletzt und vielleicht ein bisschen sauer. Aber ich weiß nicht, auf wen er das am meisten ist... Auf Jake, dich oder was ich vor allem denke: sich selber. Also hör auf dir Vorwürfe zu machen und schwing deinen hübschen Arsch ins Flugzeug und komm her", redet er auf mich ein.
„Michael ich kann das nicht...", seufze ich und unterdrücke wieder die Tränen.
„Schlaf erstmal eine Nacht drüber, ich rufe dich morgen gegen zehn, also deine Zeit, nochmal an, alles klar?", fragt er, doch es klingt eher nach einer Festlegung.
„Okay... Gute Nacht Mike... Und sag es auch den anderen...", sage ich und bevor er etwas anderes sagen kann lege ich auf. Und er hat Recht, ich sollte schlafen, denn ich bin verdammt müde... Als ich das denke, schlafe ich schon fast...

Berlin Love AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt