SECHSUNDDREISSIG | Tell Me Where You Hide Your Voodoo Doll

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Nervös stehe ich in der Schlange vorm Einlass. Ich bin da. Ich bin hier. Ich werde sie bald wiedersehen. Ich bin genauso aufgeregt wie die anderen um mich herum, doch die Gründe sind andere. Sie sehen ihre Lieblingsband. Ich sehe meine verlorenen besten Freunde.

Unsicher und total hibbelig trete ich von einem Fuß auf den anderen, stehe auf und setze mich wieder.
„Ist es dein erstes Konzert?", fragt das Mädchen neben mir.
Ich sehe sie verwirrt an, und antworte schließlich mit einem Kopfschütteln.
„Weil du so nervös bist...", sagt sie und lächelt mich an.
Ich versuche ein Lächeln zustande zu bringen, was mir kläglich misslingt.
Ich kann ihr ja schlecht erzählen, dass ich die Jungs kenne und Angst habe sie könnten mich erkennen, aber irgendwie trotzdem darauf hoffe. Und dass ich deswegen lieber nicht in Reihe 7 stehen möchte. „Ist mein erstes von ihnen", lüge ich deswegen.
Sie nickt verständnisvoll.
Die Zeit zieht sich wie Kaugummi und ich fühle mich, als wäre es tatsächlich mein erstes Konzert.
»Ich bin da. Sag es ihnen nicht...bitte«, schreibe ich an Ally, als ich an meinem Platz angekommen bin. Reichlich spät ich weiß, aber ich kenne sie so gut, dass ich weiß, dass sie nie aufhört zu hoffen.
Ich sehe die blauen Haken und weiß, dass sie gerade Backstage steht und versucht mich zu sehen.
Die Arena wird dunkel und ich stehe zusammen mit den anderen erwartungsvoll auf. Ich höre das ohrenbetäubende Schreien schon fast kurz bevor ich sie sehe. Nacheinander laufen sie auf die Bühne. Mein Blick wandert von einem zum anderen. Ich merke, dass ich weine. Doch es ist mir egal, ich bin nicht die einzige. Ich habe sie unendlich vermisst.
„Guten Abend Berlin!", schreit Michael ins Mikro und sie beginnen den ersten Song zu spielen. Doch ich kann gar nicht richtig zuhören, denn ich checke sie alle ab, ob sich etwas verändert hat. Ich grinse, als ich sehe, dass Michaels Haare wieder eine andere Farbe haben. Cal sieht glücklich aus hier vor den Fans zu stehen, immerhin hat er auch eine wundervolle Frau im Backstage Bereich stehen. Luke sieht man seine schwierige Phase mit Arzaylea an. Aber vermutlich fällt es nicht vielen auf, da ich nicht weiß, wie viele andere hier noch jedes Detail von seinem Gesicht, seiner Mimik und Gestik auswendig kennen und wissen was sie bedeuten. Ich vermute nicht allzu viele. Ich sehe ihn lange einfach an. Er fesselt mich. Immer noch. Nach so vielen Schmerzen, schweren Entscheidungen und Situationen liebe ich ihn immer noch. Ich weiß nicht wie ich nicht merken konnte, wie sehr ich ihm verfallen war. Seine Haare sind länger als das letzte Mal als ich ihn gesehen habe und es steht ihm fantastisch. Ebenso wie sein neuer Kleidungsstil, die ausgefallenen Hosen, gold glitzernden Schuhe und das leicht geöffnete rote Hemd unterstreichen seine persönliche Veränderung und zeigt mir noch einmal mehr, wie lange es her ist und wie viel passiert ist.
Als mein Blick endlich zu Ash wandert zieht sich mein Herz zusammen. Es muss allen auffallen, wie schlecht er aussieht. Ich muss mit ihm reden. Ich verspüre das Bedürfnis ihn zu umarmen und mich um ihn zu kümmern.

Mittlerweile ist die Hälfte des Konzertes vorbei und sie spielen Voodoo Doll. Ich habe mich gefangen und singe ganz von allein mit, obwohl ich die Lieder seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe.
Luke unterbricht das Lied, was mich noch aufmerksamer werden lässt, das hat er sonst nie getan.
„Ich muss euch etwas Persönliches erzählen", sagt er und die Menge kreischt. „Es gibt ein Mädchen, und nein es ist nicht Arzaylea, das ich sehr liebe. Seit ich sie das erste Mal gesehen habe, doch ich habe sie verletzt und sie mich. Ich weiß, dass sie mich liebt. Und ich weiß nicht... Vielleicht bist du heute hier. Ich wollte dir nur dieses Lied widmen und dir sagen, dass Arz und ich nie echt waren. Das wir jetzt nicht mehr sind."
In der Arena ist es still bevor der Jubel losbricht und ich zusammenbreche.
„Er meint mich", wiederhole ich immer wieder.
Das Mädchen von vorhin streicht mir über den Rücken und erstarrt, als sie hört was ich sage.
„Meinst du das ernst?", fragt sie über die Jungs hinweg, sie gerade wieder anfangen zu spielen.
Ich nicke.
„Aber du hast doch gesagt...", beginnt sie doch ich unterbreche sie: „Ich bin die, die angeblich Michaels und Lukes geheime Freundin sein sollte. Erinnerst du dich? Und ich hasse mich dafür, was ich ihm angetan habe und ich hasse ihn dafür, was er mir angetan hat und ich kann trotzdem nicht aufhören ihn zu lieben", meine Stimme ist geschwächt vom Weinen und durchsetzt von Schluchzern.
Das Mädchen zögert kurz misstrauisch, dann kramt sie in ihrer Tasche und zieht ein Schild raus. Sie kritzelt etwas darauf und gibt es mir.
„Halt das hoch", sagt sie sanft und lächelt mich ermunternd an.
'Ich bin hier', steht auf dem Schild das mir das Mädchen in die Hand drückt. Ich halte es widerwillig hoch, aber auch wenn ich leuchten würde, wäre es unmöglich, dass sie mich erkennen. Sie sehen das Schild ja, aber ich sehe doch total anders aus.
Ich hatte Recht, sie erkennen mich nicht. Aber Ally. Sie erkennt mich. Sie rennt über die Bühne, springt von ihr runter und über den Security-Zaun und schubst die Leute weg, um sich einen Weg zu mir zu bahnen. Wir fallen uns in die Arme und weinen.
Die ganze Halle ist ruhig. Alle sehen uns an. Verheult wie ich bin zerrt Allyson mich auf die Bühne. Als ich vor Luke stehe kann ich mich nicht bewegen und ich habe das Gefühl, die Welt steht still. Es gibt nur uns. Sein intensiver Blick bohrt sich in mich.
„Du bist da", sagt er fassungslos.
„Wehe das ist wieder einer von deinen scheiß Tricks mich zu verletzen Luke Hemmings. Dann...", knurre ich, ich weiß nicht was ich hätte sagen wollen, aber ich muss es gar nicht. Denn er küsst mich. Einfach so. Vor allen Leuten und ich bin so glücklich wie seit zwei Jahren nicht mehr. Ich spüre wie damals am Flughafen seine weichen Lippen und das etwas kühlere Piercing. Und ich spüre das Feuerwerk in meinem Bauch und bin froh, aber nicht überrascht, dass es genauso explodiert wie damals. Die Fans schreien. Als wir uns lösen fragt Luke mich: „Ist das jetzt offiziell?"
Ich lache bloß. Und weine Freudentränen. Und sterbe halb vor Aufregung.
„Leute? Darf ich euch vorstellen? Das ist meine Freundin Xenia!", ruft Luke ins Mikrofon.
Ich gehe, nachdem uns die Fans etwas gefeiert haben und einen Shipping-Namen gefunden haben, in den Backstage Bereich.
Ich gehe nicht, ich schwebe.
Ally und ich umarmen uns lange und wir unterhalten uns das ganze restliche Konzert.
„Es ist sehr lange her, dass ich so glücklich war", gebe ich zu.
„I'll find a way to fix these broken pieces", sagt Ally einfach und grinst.
Und ich? Ich beginne wieder zu weinen. Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir. Michael hatte Recht. Und er hat fest genug für uns beide daran geglaubt.

Berlin Love AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt