DREIUNDZWANZIG | Amnesia

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Ich stehe vor seiner Tür im Hotel und lausche. „I wish that I could wake up with amnesia, and forget about that stupid little things...Oh Xen..." Seine wundervolle Stimme versagt und wird durch einen leisen Schluchzer ersetzt. Ich weiche von der Tür zurück... Fuck... Alle hatten verdammt nochmal Recht und ich war so bescheuert und habe es nicht gesehen.
Scheiße. Wie kann man so dumm und blind sein. Ich habe ihn tausendmal verletzt und es nicht mal gemerkt. Die Erkenntnis durchströmt mich und nimmt alle Gefühle mit, außer die Schuld.
Plötzlich höre ich, wie sich Schritte näheren und verstecke mich hinter der nächsten Ecke. Ich spähe über die Kante und entdecke, dass es Cal ist, der gerade in Lukes Zimmer geht. Als ich zurück zur Tür husche, um zu lauschen komme ich mir vor wie eine schlechte Schauspielerin in einem grottenschlechten Film.
„Hey was ist los?", höre ich Calum sanft fragen.
„Friendzone", murmelt Luke nur.
„Immernoch?", fragt Cal weiter nach.
Die Antwort dauert eine Weile: „Ich denke mal, dass es für immer so bleiben wird. Ich liebe sie und sie diesen Jake. Sie nimmt mich nicht mal wahr. Wenn ich mir vorstelle, wie er sie hält... Küsst... Liebt... Nachdem er das mit ihr gemacht hat, ich könnte ihn umbringen. Ich hasse ihn und kenne ihn nicht einmal... Ich wünschte, dass sie mir einfach die Gefühle geben könnte, die sie für ihn empfindet. Und außerdem fühle ich mich schlecht, weil ich Arzaylea so benutze."
„Und was machst du jetzt?", seufzt Cal bedauernd.
„Ich weiß nicht... Vielleicht bitte ich sie einfach mich nicht mehr anzuschreiben oder so wenn wir weg sind... Sie bleibt ja hier... Bei ihm...", erwidert er langsam.
„Aber das ist doch auch keine richtige Lösung...", zweifelt Cal.
„Aber das Beste, was ich tun kann oder hast du eine bessere?", fragt Luke.
Calum erwidert nichts und ich höre, wie sich Schritte der Tür nähren. Doch ich bin zu gefesselt und geschockt, um mich zu bewegen.
„Ich glaube zuerst solltest du etwas schlafen. Sie wird es sicher merken", verabschiedet sich Cal.
Ich erwache aus meiner Starre und trete ein paar Schritte zurück, damit ich -wie in einem schlechten Film- so tun kann als wäre ich eben erst auf dem Weg gewesen. Doch als Cal die Tür öffnet und mich sieht fällt mein Plan in sich zusammen.
„Hast du geweint?", fragt er misstrauisch.
Verwirrt wische ich über meine Wangen. Fuck. Ich stammle schnell eine Ausrede: „Oh das... Ach ja... Meine Allergie..." Gott, kann ich schlecht lügen...
„Du hast es gehört oder?", deckt er meine offensichtliche Ausrede auf.
Ich muss nicht antworten, denn er kennt die Antwort.
„Weißt du Xen... Das ist das Letzte... Gespräche belauschen, die dich nichts angehen...", wirft er mir vor. Ich will erwidern, dass es mich dem Thema nach sehr wohl etwas angeht, lasse es aber, da ich ihn nicht provozieren will.
„Ich weiß", sage ich bloß, „Aber damit hat sich meine Frage an ihn schon erledigt. Gott Cal, ich bin so dumm... Warum haben das alle gesehen nur ich nicht?!" Ich beginne verzweifelt erneut zu weinen.
„Hey... Hey.. Shhh...", macht er und nimmt mich in den Arm. „Am besten ihr klärt das alleine", schlägt er vor. Er wartet noch, bis ich mich beruhigt habe und lässt mich dann alleine auf dem Gang stehen.
Ich gehe langsam auf die Tür zu und klopfen zaghaft an. „Luke ich bin's...", sage ich leise und betrete den Raum, ohne auf eine Antwort zu warten.
„Ich weiß warum du hier bist", sagt er ohne mich anzusehen, „Die Türen lassen Gespräche genauso gut von außen nach innen durch..."
„Luke weißt du... Ich liebe dich", sage ich und er blickt auf, deshalb rede ich schnell weiter, „Aber ich glaube zumindest, dass ich Jake mehr liebe."
„Du glaubst? Könntest du dir wenigstens sicher sein, bevor du mich abservierst?", schnaubt er und klingt etwas wütend.
Ich zucke mit den Schultern und jetzt bin ich es, die ihn nicht ansieht.
„Und was machen wir jetzt deiner Meinung nach? ...Ich liebe dich... Und zwar so richtig...", fragt Luke mich.
Ich zucke zusammen, als er das sagt. Die Worte, die Jake bisher nicht in den Mund genommen hat, sagt er mir ganz direkt ins Gesicht. Es fühlt sich an, als würden sich meine Organe zusammenziehen. „Meinst du nicht... Also kannst du nicht versuchen dich doch in Arz zu verlieben...? Und wenn sie nicht die Richtige ist, dann kommt deine Braut sicher noch irgendwann. Gib nicht auf Luke", versuche ich es.
„Meinst du, das hätte ich nicht versucht? Was denkst du, warum ich mit ihr zusammen bin? Und wenn du mir so einfach sagen kannst, dass ich mich in sie verlieben soll, kann ich dir auch einfach sagen, dass du dich in mich verlieben sollst...", redet er auf mich ein und ich sehe, dass er Recht hat, doch Luke lässt mir keine Zeit zu antworten: „Und ich werde mich in niemand anderen verlieben... Schon alleine, weil ich es gar nicht will."
„Luke...", beginne ich, doch ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Er sieht mir fest in die Augen: „Du musst nichts sagen... Wir ziehen einfach meinen Plan durch. Vielleicht vergesse ich dich ja dann... Und für dich wird es nicht schwer mich zu vergessen."
„Aber...", versuche ich mich dagegen zu wehren. Ich will das nicht.
„Kein 'Aber' ich halte es nicht aus, wenn du in meiner Nähe bist und ich dich nicht berühren darf. Ich will doch einfach nur dich, und wenn ich dich nicht bekomme, dann will ich niemanden", unterbricht er mich.
„Aber...", fange ich wieder an, doch er unterbricht mich erneut: „Nein Xenia. Ich glaube es ist besser wenn du jetzt gehst, morgen bist du mich dann los."
Damit steht er auf und schiebt mich sanft zur Tür.
Als er diese gerade schließen will, stoße ich sie nochmal auf und falle ihm weinend um den Hals. „Es tut mir leid, Luke", schluchze ich. Nach ein paar Momenten legt auch er seine Arme um mich. Ich spüre an meinem Hals, dass auch er weint.
„Ich weiß", sagt er leise.
„Ich will dich nicht verlieren!", flüstere ich und kralle mich an ihn, als würde er sich gleich in Luft auflösen.
Nachdem wir ein paar Minuten so da standen, löst sich Luke von mir.
„Du solltest wirklich gehen, bevor Arz kommt", stellt er fest.
„Liebt sie dich? Und wie sehr liebst du sie?", stelle ich eine letzte Frage.
Luke zögert, aber er antwortet: „Ja. Sie liebt mich wirklich. Und ja, ich liebe sie, aber ich liebe dich, glaube ich zumindest, hundertmal mehr."
Dass er meine Worte benutzt und mich vorhin bei meinem vollen Namen genannt hat, bricht mir das Herz. Ich nicke nur, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Dann drehe ich mich weg und gehe schnell zurück zu meinem Zimmer. Als ich um die Ecke biege, sehe ich im Augenwinkel, dass Luke mir nachsieht. Ich bleibe stehen und sehe ihn ein paar Sekunden an, bevor ich es nicht mehr aushalte und eigentlich zu ihm rennen will, aber stattdessen, renne ich in die andere Richtung. Ich schlage die Tür hinter mir zu und lasse mich dagegen sacken.

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