Chapter XII

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Ich erstarre und die Gabel mit dem wundervollen Auflauf bleibt auf halbem Weg zu meinem Mund in der Luft stehen.

Diese Stimme ist mir mehr als nur bekannt und mir steigen Tränen in die Augen.

Wie in Zeitlupe drehe ich mich um und sehe ihn an. Seine Wangen sind eingefallen und seine Haare schon leicht ergraut. Aber seine Augen haben den Funken Lebensenergie nicht verloren. Er trägt einen schlichten schwarzen Anzug und darunter ein weißes Hemd, wie früher.

„Normalerweise stellt man sich vor und starrt den Vater seines Freundes nicht nur entgeistert an. Ich weiß selbst, dass ich alt bin. Aber wie heißt du denn?"

Ich kann leicht die Belustigung in seiner Stimme erkennen und lasse den Kopf sinken, als würde ich mich für mein Verhalten schämen.

„Das tut mir leid Sir ... aber sie haben Recht, in diesem Gebiet der Erziehung waren meine Eltern etwas nachlässig. Mein Name ist Samantha. Samantha McCarthy. Und es tut mir jetzt wirklich leid, Ihren Sohn beleidigen zu müssen, aber ich habe doch noch etwas Geschmack was Männer angeht. Also ist er definitiv nicht mein Freund."

Ich hebe den Kopf und schaue ihm direkt in die Augen. Wie sehr ich seine Augen vermisst habe! Oder diesen Blick, den er hat, wenn er mich anschaut. Jetzt gerade ist dieser Blick wohl eher schockiert, aber ich erkenne ihn.

Langsam macht er einige Schritte in meine Richtung und streckt seine Hand aus. Seine Finger berühren leicht meine Wange und ihm steigen Tränen in die Augen. Ich habe ihn noch nie weinen gesehen. Wirklich noch nie. Für mich war mein Vater immer mein starker Beschützer, dem nichts und niemand etwas anhaben konnte. Aber jetzt wirkt er mehr traurig und zerbrechlich.

Ich hasse es, ihn so zu sehen. Viel lieber wäre mir jetzt seine starke Haltung.

„Ich kann es nicht fassen ... du bist es wirklich ... mein kleines Mädchen ... mein kleines Mädchen ist wieder da ..."

Ich stehe auf und ziehe ihn in eine feste Umarmung. Wie oft habe ich mir die letzten Jahre ausgemalt, wie es sein würde, ihn noch einmal zu umarmen? Zu oft, ganz eindeutig.

Wir verweilen ziemlich lange in dieser Haltung und ich merke, wie meinem Vater ein paar vereinzelte Tränen die Wangen hinunterlaufen und in meine Haare oder meinen Pullover fallen. Plötzlich richtet er sich wieder auf und hält mich eine Armlänge von sich, um mich zu betrachten.

Er lächelt stolz. Ich lächle auch und muss die aufsteigenden Tränen unterdrücken. Freudentränen.

Ein Räuspern erklingt und wir sehen beide zu Ash, der am Tisch sitzt. „Also, Sam, ich will ja nichts sagen, diese Wiedersehensszene war auch wirklich rührend, aber dein Essen wird kalt." Ich schüttle leicht den Kopf. Dieser Junge hat sich kein Bisschen verändert. „Ash, du bist wirklich erste Klasse im Momente zerstören. Aber du hast Recht."

Ich setze mich wieder auf meinen Platz und esse weiter. Nach ein oder zwei Bissen schaue ich zu Ash und Papa. Ash muss sich ein Grinsen verkneifen, während mein Vater eher sehr ... überrumpelt wirkt. „Was?" Mein Vater schüttelt nur kurz den Kopf und nimmt dann neben uns am Tisch Platz.

„So verfressen wie eh und je, würde ich sagen." Ich grinse in mich hinein. Damit könnte er allerdings Recht haben. Aber solang mich niemand rollen muss, ist mir ziemlich egal wie viel ich esse. „Ich denke wir sollten reden." Unterbricht mein Lieblingsbruder das mehr als unangenehme Schweigen. Ich nicke bekräftigend und lege sogar meine Gabel weg.

„Sam.

Was ist passiert, als wir weg waren?"

Ich atme einmal tief durch. Kurzfassung für die Gentlemen? Kommt sofort.

„Also. In der Woche nachdem ihr abgefahren wart, redeten Mama nur das Allernötigste. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer und zerbrach innerlich. Doch es war niemand da, von dem sie sich helfen lassen würde. Nach dieser Woche kam sie dann auf einmal aus ihrem Zimmer und meinte, wir müssen unser Leben verändern. Ab diesem Zeitpunkt kenne ich sie nur noch als meine Mutter. Anfangs war sie nur streng, dann wurde sie innerlich kalt und gefühllos. Oft beschimpfte sie mich, oft ... artete es auch ziemlich aus, doch ich flüchtete dann fast jeden Nachmittag zu Melody.

Sie war der einzige Mensch, bei dem ich mich sicher fühlte. Ich war fast durchgehend bei ihr zuhause und ihre Eltern sahen mich irgendwann schon als ihre zweite Tochter an. Aber dann, als ich vierzehn war ... wurde sie mir genommen. Ich musste zurück zu Mutter und das für immer. Ich habe mich tagelang in meinem Zimmer eingesperrt, die Einzige, die hineindurfte, war Mary. Sie war eigentlich immer für mich da und ich denke auch, dass ich der einzige Grund bin, warum sie bei uns blieb. Ich tat ihr leid."

Ich mache eine kurze Pause und schaue von meinen Fingern, die meine Augen bis dahin ununterbrochen fixiert hatten, auf.

Ash und Papa sehen mich gleichermaßen geschockt an. Langsam nimmt mein großer Bruder meine Hand in seine.

„Sam ... was genau ist mit Melody passiert?" Er sieht mich durchdringend an und ich schlucke.

„Sie ... is tot."

Sobald diese Wörter meinen Mund verlassen, beginne ich zu schniefen. Nicht schon wieder.

Ich spüre, wie ich in eine feste Umarmung gezogen werde. Also rotze ich jetzt Ashs T-Shirt voll. Super Idee. Aber meine Tränen lassen sich nicht bremsen. Erst nach ein paar Minuten versiegen sie und ich richte mich langsam auf.

Ich bemerke, dass Papa uns die ganze Zeit angeschaut hatte und ihm auch immer noch ein paar vereinzelte Tränen die Wangen hinunterlaufen. Ich wische mein Gesicht mithilfe meiner Pulliärmel trocken und sehe Ash dankend an, der nur matt zu lächeln versucht. „Du musst jetzt nicht weiterreden, wenn du nicht willst."

„Ich will aber.

Also. Nach Melodys ... Tod war ich praktisch auf mich allein gestellt. Ich brauchte Ablenkung, also stürzte ich mich in den Lehrstoff und es verging kaum eine Minute, wo ich nicht lernte oder in der Schule war.

Dementsprechend war ich auch sehr gut in der Schule und wurde deshalb gemobbt. Nicht sehr schlimm, aber ich musste schon Einiges über mich ergehen lassen. Ich vegetierte eigentlich nur mehr vor mich hin und freute mich auf den Tag meines Abschlusses. Wenn ich endlich von Zuhause ausziehen durfte.

Dann kam aber vor jetzt fast schon einer Woche alles anders als geplant. Mutter beschloss nämlich, zu einem Geschäftskollegen von ihr zu ziehen und sie stellte mir ein Ultimatum. Entweder ich komme mit ihr mit oder ich ziehe weg.

Wir hatten einen Streit und ich bin mit Mary zu ihrer Schwester gezogen. Mel ist ihre Enkelin." Ash nickt wissend.

„Ich kann es irgendwie nicht fassen, dass sie dich ... einfach so vor die Tür gesetzt hätte...

Dad, wir müssen uns unbedingt bei Mary bedanken, dass sie so gut auf unsere Sammy aufgepasst hat. ...Weil wir es nicht konnten."

Während Ash spricht, nimmt er nicht ein einziges Mal seinen Blick von mir.

„Ja, das müssen wir allerdings. Ich denke, dass sich dazu auch gleich eine Gelegenheit bieten wird. Es ist nämlich schon sehr spät und ich bezweifle, dass Sam heute bei uns schlafen will." Ich schüttle den Kopf, um der Aussage meines Vaters zuzustimmen.

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