Daraufhin verlässt er mein Zimmer und schließt die Tür hinter sich. Ich gehe allerdings zu, beziehungsweise in meinen Kleiderschrank und suche mir etwas heraus. Meine Wahl fällt auf eine schwarze high-waisted-Jeans, die an den Knien einige Löcher hat, und ein einfaches weißes T-Shirt, dessen Saum ich einfach in den Hosenbund stopfe. Meine langen Haare binde ich noch zu einem Pferdeschwanz zusammen und bin fertig. Von wegen alle Mädchen brauchen immer ewig um fertig zu werden.
Ich verlasse mein Zimmer und siehe da, Ash hat tatsächlich vor der Tür gewartet. „Na endlich."
Wir gehen wieder hinunter, durch die Küche und in die Garage. Dort steigen wir in Ashs Auto und er fährt los. „Ash? Woher kennst du deine Freunde, wenn sie nicht an unserer Schule sind?" ich sehe ihn an und merke, wie sich seine Hände um das Lenkrad etwas verkrampfen und seine Knöchel weiß hervortreten.
„Sagen wir, ich habe eine Vergangenheit, auf die ich nicht stolz bin. Damals habe ich sie kennengelernt und sie haben mich seitdem immer unterstützt." Ich nicke und beschließe, nicht weiter nachzufragen. Ash wird mir mehr erzählen, wenn er will.
Er parkt vor einem Fast Food Restaurant und wir steigen aus. Ash öffnet die schwere Tür und sofort schlägt mir warme Luft und der Geruch von Essen entgegen. Der Geruch von Fast Food.
Wir gehen ans andere Ende des Lokals. Beziehungsweise Ash geht und ich folge ihm wieder wie sein kleines Hündchen. Aber das müssten wir beide mittlerweile gewohnt sein. Unser Ziel ist offensichtlich ein großer runder Tisch, an dem schon einige Leute sitzen.
Wir gehen näher und Ash wird gleich bemerkt und auch lautstark begrüßt. Ich gehe etwas unter, aber das stört mich eigentlich wenig, denn so kann ich mir wenigstens ein Bild von Ashs Freunden machen.
Die Gruppe besteht aus drei Jungen und einem Mädchen. Sie machen auf mich keinen schlechten Eindruck, auch wenn ich weiß, dass viele Menschen sie gleich in die Schublade „schlechter Umgang" stecken würden.
Denn sie sind sehr klischeehaft dunkel gekleidet und manche würden sagen sie hätten eine „gefährliche Ausstrahlung". Endlich scheine auch ich Ashs Freunden aufzufallen und sie verstummen nach und nach und mustern mich. Manche interessiert, andere eher abschätzig.
„Leute, das ist Sam." Stellt Ash mich vor. Einer der Jungen dreht sich sofort wieder zu Ash um.
„Die Sam?"
Ash nickt. Daraufhin reicht mir der Freund von Ash, dem ich anscheinend ein Begriff bin, die Hand. Ich ergreife sie und er stellt sich selbst und seine Freunde vor. „Ich bin Michael und das sind Liam, Bradley und Niki. Schön dich mal kennenzulernen."
„Kann ich nur zurückgeben. Ich bin Sam, aber das wisst ihr ja schön." Ich lächle ihn ehrlich an.
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Niki einem der anderen Jungs, also Bradley oder Liam, etwas ins Ohr flüstert und dieser daraufhin nur mit den Schultern zuckt. Ash und ich setzen uns jetzt allerdings zur Gruppe dazu und ich glaube zu wissen, dass Michael der Freund von Ash ist, der ihm am nächsten steht und die anderen aber auch sehr gute Freunde von ihm sind.
Außerdem sind Niki und ich glaube Bradley zusammen und das auch schon etwas länger, soweit ich das beurteilen kann. Nachdem wir gegessen haben (der Burger, den ich hatte, schmeckte übrigens wirklich gut. Besser, als wenn ich gekocht hätte.) fahren wir auch schon bald alle nachhause.
Ich gehe zuhause angekommen auch gleich in mein Zimmer und mache mich schlaffertig. Wenig später gehe ich dann auch wirklich schlafen.
Dieser Schlaf hält aber nicht allzu lang an, denn irgendwann mitten in der Nacht schrecke ich hoch.
Schon wieder.
Wegen eines Albtraums.
Nachdem ich mich etwas beruhigt habe, fällt meinem schlaflosem Ich nichts Besseres ein, als alles aufzuschreiben.
Zögerlich halte ich die dünnen Seiten Papier in meinen Händen.
Soll ich wirklich?
Was würde Melody darüber denken?
Wahrscheinlich, dass ich endlich das tun sollte, was ich will und nicht immer nur an sie denken.
Aber ich kann nicht anders. Diese Tätigkeit reißt in mir alte, eigentlich schon längst vernarbte Wunden wieder auf.
Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich über ihren Tod mehr oder weniger gut hinweggekommen wäre.
Anscheinend habe ich mich getäuscht, denn das ist nicht so.
Ich denke jeden Tag an sie.
Jeden Tag erinnert mich irgendetwas an meine verstorbene Freundin und ich bin jedes Mal den Tränen nahe, wenn es wieder passiert.
Ich hasse mich selbst dafür, denn ich sollte weitermachen.
Nicht immer an schon längst vergangenen und verblassenden Erinnerungen festhalten und mein Leben einschränken.
Also mache ich diesen Schritt.
Ich beginne zu schreiben.
Ich schreibe mir die Seele aus dem Leib und als ich fertig bin, betrachte ich die Seiten.
Sie sind immer noch so dünn wie vorher, nur mit dem Unterscheid, dass jetzt unzählige Zeichen die Leere ersetzt haben.
Schweren Herzens lege ich jedoch nun das Notizbuch wieder auf meinen Nachttisch. Ich lege mich wieder hin und mir fällt es sofort leichter, weiterzuschlafen.
So war es schon immer. Früher, wenn ich nicht schlafen konnte und Melody bei mir übernachtete oder ich bei ihr, weckte ich sie immer auf und wir schrieben alles auf, was uns durch den Kopf ging. Daraus entstanden dann meistens irgendwelche Gedichte oder Songs, zu denen wir eben noch Musik finden mussten.
Ich vermisse diese Zeiten sosehr. Einfach weil ich weiß, dass sie niemals wiederkommen werden und ich nichts daran ändern kann.
Ich schließe die Augen und drifte sofort ab ins Reich der Träume.