Chapter XIV

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Oh shit.

Das wollte ich eigentlich nicht sagen.

„Woher willst du das bitte wissen, Sam? War er heute nett zu dir? Das ist er morgen vielleicht auch noch. Aber spätestens übermorgen lässt er dich wieder fallen." Mel scheint fest von ihrer Meinung überzeugt zu sein. Vielleicht sollte ich ihr eine kleine Lektion erteilen? Sie glaubt viel zu sehr an diese ganzen Klischees. Das müssen wir dringend ändern.

„Was hältst du von einer Wette? Wenn Ash übermorgen, oder sagen wir am Freitag immer noch nett zu mir ist, habe ich gewonnen, wenn nicht du?" Mel sieht kurz so aus, als wolle sie mir noch einen Vortrag halten, aber dann überlegt sie.

„Okay. Wenn ich gewinne zahlst du mir einen Monat lang jeden Tag Essen, das man essen kann. Nicht so wie diesen Fraß aus der Schule. Wenn du gewinnst, wovon ich jetzt mal nicht ausgehe, zahle ich es dir. Beziehungsweise kochen wir es einander. Deal?"

Irgendwie lustig, dass wir beide sofort den gleichen Gedanken haben. Ich schlage ein. Doppeltes Mittagessen kann nicht schaden.

„Aber Sam. Ich habe dich vor ihm gewarnt. Doch wenn du nicht auf mich hören willst, kann ich auch nichts dafür. Dann musst du eben selbst erfahren, dass er ein gewissenloses Monster ist." Ich zucke nur mit den Schultern. Zwei Stunden später liege ich in meinem Bett und warte darauf, dass ich einschlafe.

Einen Monat jeden Tag zwei Portionen gratis gutes Essen zu bekommen ist doch auch nicht so schlecht, oder?

Am nächsten Tag fahren wir etwas später in die Schule, was möglicherweise daran liegt, dass ich mich nicht von meinem geliebten Bett lösen konnte. Auf jeden Fall kommen wir genau rechtzeitig zum Läuten, was meine Pläne, vor der Schule noch mit meinem Bruder zu reden, zerstört.

Ich quäle mich durch die Schulstunden, bis mich das erlösende Klingeln der Schulglocke endlich befreit oder fast befreit. Jetzt Mittagspause und danach nur noch Fotografie und Cheerleading.

Ich verlasse das Klassenzimmer als Letzte und alleine, weil meine Freunde alle Geografie anstatt Geschichte gewählt haben. Gerade als ich aus der Tür trete und schon in die Richtung der Cafeteria gehen will, renne ich gegen etwas Hartes. Ich sehe auf und blicke in das Gesicht des Freundes meines Bruders, der mich gestern als Schlampe bezeichnet hat.

Super erster Eindruck, muss ich schon sagen.

Auf jeden Fall nimmt er mich einfach hoch, sodass ich in der Luft baumle, und trägt mich irgendwo hin. „Ey, ich kann selber gehen und jetzt lass mich runter."

Er antwortet nicht und geht einfach stur weiter. „Ich rede mit dir. Eigentlich dachte ich bis jetzt schon, dass du wenigstens genug Hirn hast um zu antworten. Aber anscheinend habe ich mich getäuscht."

Der Typ, nennen wir ihn Stein, schleppt mich durch die Flure und nicht nur ich bekomme ein paar... sagen wir seltsame Blicke zugeworfen. Ich setze mein arrogantestes Gesicht auf und versuche, nicht die Fassung zu verlieren. Stein scheint es Spaß zu machen mich herumzutragen, also gebe ich nach einigen Minuten des mit-den-Fäusten-auf-seinen-Rücken-zu-hämmerns auf und lasse mich wie ein nasser Sandsack einfach baumeln. Ihn scheint das nicht weiter zu stören, also schleppt er mich einfach weiter quer durch die Schule.

Wenn er mich je wieder runterlässt, kann er sich auf etwas gefasst machen. Langsam, aber sicher, werde ich sauer und wenn ich so richtig angepisst bin, kann ich schlimmer als jede Hölle sein. Meine Freunde bezeichneten mich dann immer als Furie.

Nach einer gefühlten Ewigkeit setzt der Stein mich endlich ab und ich will mich schon zu ihm drehen um ihm einen elendslangen Vortrag über Kidnapping zu halten, als ich ein bekanntes Gesicht sehe.

Ash.

Also funkle ich den Stein nur kurz wütend an bevor ich mich meinem Bruder zuwende.

„Bitte, hier hast du die Bitch. Viel Spaß noch mit ihr und ich hab was gut bei dir." Oh, der Stein kann anscheinend doch sprechen.

Halleluja.

„Caleb, ich hab dir schon einmal gesagt, was passiert, wenn du sie noch einmal Schlampe nennst! Ist dein zugekifftes Hirn zu blöd um das zu kapieren?!"

Ash beginnt in einem gefährlich leisen Ton, wird aber zu Ende seiner Rede immer aggressiver.

„Sorry, Mann, ist 'ne Angewohnheit" Stein, oder Caleb, aber ich finde Stein besser, hebt entschuldigend die Hände und zieht den Kopf förmlich ein. Ich hätte wahrscheinlich genauso großen Respekt vor Ash, wenn ich nicht seine Schwester wäre. Ash schaut Stein noch einmal mit seinem angsteinflößendsten Killerblick an und wendet sich dann mir zu.

Stein bemerkt das und geht, oder eher rennt, davon.

Mein Bruder hingegen nimmt mich in den Arm und zerquetscht mich fast. „Ich hab dich vermisst" murmelt er in meine Haare. Ich schiebe ihn sanft von mir weg. „Ash, du hast mich gestern das letzte Mal gesehen."

„Trotzdem. Ich meine davor"

Ich schlucke.

„Ich habe dich auch vermisst." Und wie, füge ich in Gedanken hinzu. Also stehen wir mehrere Minuten eng umschlungen in irgendeinem menschenleeren Flur. Ich löse mich schweren Herzens von ihm und schaue ihm in die Augen.

Sie haben die gleiche dunkelbraune Farbe wie meine. Nur hat er helle gelbliche Sprenkel in der Iris. Wir sehen uns generell sehr ähnlich. Eigentlich wundert es mich sogar ein Bisschen, dass mich noch niemand auf diese Ähnlichkeit angesprochen hat. Seine Haare sind zwar einen Tick dunkler, aber wir haben beide dieselbe Gesichtsform. Dieselbe Nase, dieselben Wangen.

„Wir sollten in die Cafeteria gehen." Meine Stimme ist kaum mehr als ein leises Flüstern, doch er versteht mich. Ich wage sogar zu sagen, dass nicht einmal Worte nötig wären um mit ihm zu kommunizieren.

Trotz der vielen Jahre, in denen wir keinen Kontakt hatten, merken wir immer noch wie es dem anderen gerade geht. Ich habe es so vermisst, jemandem blind vertrauen zu können.

Das hat meine Persönlichkeit geprägt. Der Zustand der Haltlosigkeit. Zu wissen, dass niemand dich fängt, wenn du fällst.

Zum ersten Mal seit Jahren fühle ich mich sicher, beschützt. Ich habe schon fast vergessen, wie sich das anfühlt. Vertrauen. Natürlich vertraue ich Mary, oder Mel. Aber die Verbindung zwischen Geschwistern ist einmalig und einzigartig.

Ash nimmt meine Hand und wir gehen in die Richtung der Cafeteria. Ich ernte teils verwirrte, skeptische, teils wütende und abwertende Blicke. Von überall her höre ich das Flüstern.

„Wer ist sie?" „Schlampe." Oder „Jetzt angelt sie sich schon den Nächsten. Unglaublich. So eine Bitch."

Ich recke das Kinn in die Höhe und versuche, die anderen so gut es geht zu ignorieren. Sollen sie mich doch hassen.

Sollen sie mich doch für eine Bitch halten.

Wieso sollte es mich interessieren, was sie von mir denken? Ich bin solche Menschen gewohnt. Sie lassen sich vom Aussehen blenden. Sind voller Vorurteile. Die Hintergrundgeschichte interessiert sie gar nicht.

Warum also sollte es mich kümmern was sie von mir halten? Ich habe meine Freunde, die wissen wie ich bin. Ich gehe neben Ash bis zur Cafeteria, doch vor der großen Tür bleibe ich unschlüssig stehen.

„Ash, ich glaube ich setze mich zu meinen Freunden, okay?" Er nickt nur und lacht leise. „Du hast dich kaum verändert. Aber das ist gut. Ich habe meine kleine Schwester lang genug nur von Fotos gekannt."

Ich öffne die schwere Tür und sofort liegen alle Blicke auf mir. Das Getuschel beginnt von Neuem. „Oh Ashs neues Betthäschen." „Schau dir mal ihre Haare an, die sind sicher fake." „So eine Bitch."

Von überall her werden mir abwertende Blicke zugeworfen. Anscheinend hat sich das Gerücht, dass ich Ashs feste Freundin sei, schnell herumgesprochen.

broken dreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt