Kapitel 20

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Jack,

Wo wir uns das erste Mal begegnet sind, habe ich damals sehr genervt reagiert, weißt du noch? Der Grund war, dass ich Nachbarn hasse, da sie sehr neugierig sind. Du kannst dir ja denken, warum. Du weißt ja von mir. Du kennst mich ja, bestimmt als einzige Person. Naja, als wir uns danach gesehen haben, war ich sehr nett zu dir und wir gingen zusammen zur Schule. Ich fand das ganz wundervoll und als du in der Schule den ganzenTag mit mir verbracht hast, konnte ich das gar nicht glauben. Niemand hat je freiwillig einen ganzen Tag mit mir verbracht! Und als du die nächsten Tage dich immer noch nicht von mir abgewendet hast, war ich überglücklich, so etwas wie einen Freund gefunden zu haben.

Ich denke, ich bin noch nie so glücklich in meinem ganzen Leben gewesen, wie zu der Zeit mit dir! Du weißt das aber sicherlich, schließlich ist das nicht leicht zu übersehen, wie sehr ich an dir hing und du die einzige Person warst, mit der ich zu gerne meine Zeit verbrachte. Du weißt vieles über mich Jack, aber längst nicht alles. Du weißt längst nicht, was du noch bei mir bewirkt hast, wie du mich verändert hast. Ich habe nicht vor, dir dies in diesem Brief zu erzählen. Du sollst Tag ein, Tag aus mit dem schlechtem Gewissen leben, mich am Ende so hinter's Licht geführt zu haben. Du bist schuld daran. Zwar nicht alleine, klar, aber du warst der eine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, derjenige der mich letzendlich zu dieser Tat brachte. Ich hasse dich, Jack Smith.

Mary

Mom,

Wenn du wüsstest, wie deine Tochter sich im Laufe der Jahre entwickelt hat, wie sie sich wegen dir fühlte, was für ein Leben sie führte... Würde es dich dennoch nicht interessieren. Du lebst nicht mehr, seit Dad nicht mehr da ist. Du wandelst nur im Haus herum, machst deinen Job und rauchst eine nach der anderen. Dir ist alles und jeder gleichgültig, und somit auch deine Tochter. Du warst mir nie eine Mutter, wie ich sie mir wünschte. Dir ist alles egal, mit Ausnahme von Dad. Achja, und natürlich darf niemand was von uns mitkriegen, das ist dir auch wichtig. Das bist du. Eine Rabenmutter. Vielleicht öffnet dir dieser Brief die Augen, vielleicht auch nicht. Vielleicht wirst du um mich weinen, Albträume kriegen und in der Nacht schreiend aufwachen. Ich hoffe es so sehr. Du hast es verdient. Ich habe dich wirklich geliebt, sogar auch noch, während ich diese Zeilen schreibe. Doch mit der Zeit fing ich dich auch noch an zu hassen. Ja, ich hasse und liebe dich zu gleich. Während ich dies hier schreibe, fühle ich mich leer... Ich schreibe ohne Wut in mir. Obwohl ich sonst so oft wütend auf dich war...  Ich würde so gerne wissen, wie du reagierst, nachdem du das hier gelesen hast, so gern!

Die letzten Worte, die du zu mir gesagt haben wirst, waren "Du bist krank!". Vielen Dank auch, das wusste ich schon selber. Bereust du es? Bereust du alles? Willst du mich zurück? Du sollst es. Du sollst mich zurück wollen.

Mary

Dad,

Ich hoffe sehr, dass du diesen Brief bekommst. Hoffentlich findet man dich, übergibt dir den Brief und schickt dich in eine Entzugsklinik.

Eigentlich bist du mir gar nicht so wichtig, weißt du? Natürlich, du bist mein Vater und du bist mir keinesfalls gleichgültig, aber du löst in mir einfach keine ganz so große Wut aus, wie Mom. Ich weiß selber nicht warum, wahrscheinlich, weil ich dich so gut wie nie sah und vor ein paar Jahren dann gar nicht mehr. Abgesehen von dem einen Vorfall, als ich 'Beeren sammeln wollte' und dir auf einmal auf der Straße begegnete... Eigentlich wolltest du da ja zurück kommen, bist es aber nicht. Ich weiß nicht, ob ich dir das übel  nehmen soll oder nicht. Du hast uns so eine Menge Probleme erspart, aber dass du nicht zurückkamst, heißt, dass wir dir egal sind. Wieso bin ich eigentlich allen egal, frag ich mich? Wieso kannst du kein normaler Vater sein? Es sind Tatsachen, die ich nicht bestreiten kann. Mom liebt dich immer noch. Sie würde dich anschreien, wenn du zurückkommen würdest, aber sie liebt dich. Sie hofft insgeheim, dass du zurückommst, sie dich fertig machen kann, du dich herzzerreißend entschuldigst und sie dir verzeiht, sodass ihr glücklich werden könnt. Es ist nun deine Entscheidung, was du mit diesem Wissen anfängst. Ich persönlich wünsche mir, dass du nie wiederkommst, clean und nüchtern bleibst und dir irgendwo ein neues Leben aufbaust. Es wäre das Beste.

Mary

Ich legte den Stift beiseite, faltete die Briefe und steckte sie jeweils in drei verschiedene Umschläge. Nun schrieb ich die Namen auf die einzelnen Umschläge. Ich ließ sie auf dem Schreibtisch liegen, sie werden schon gefunden werden. So ging ich aus meinem Zimmer und verließ das Haus.

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