Kapitel 29

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**wrong view**

Wunderschönes Haus war das hier. Richtig nett, dass meine Mutter mich hier hin geschickt hatte! Das war so ein Luxus, den man hier bekam und sie wollte natürlich nur das Beste für ihre Tochter. Vor mir stand meine Konkurrentin Nancy, die immer genauso cool sein wollte, wie ich, aber da ich hübscher war als sie, ging das schwer. Leider musste ich hier das anziehen, was die wundervolle Mrs Hood, die schon fast so etwas wie eine zweite Mutter für mich war, ausgesucht hatte. Meine Klamotten in meinem früheren Zuhause waren doch wirklich schöner gewesen. Aber naja, man konnte halt nicht alles haben, so klug war ich, dass ich das wusste.

Nancy starrte mich jedenfalls mit diesem dämlichen triumphierenden Grinsen an, doch mir war gerade ein guter Diss in den Sinn gekommen: "Nancy, deine Haare sehen heute aus, wie ein Vogelnest, du stinkst wie die Pest!" Die guten, alten Reime waren doch immer noch am Besten. Ein ungläubiger Ausdruck huschte über das Gesicht aller Umherstehenden. Hatten die noch nie so gute Reime gehört, oder warum?

"Es spricht!", hauchte Nancy fassungslos. Wen meinte die denn bitteschön damit? Sich selber, oder wie?

"Schön, dass du von dir in der dritten Person sprechen kannst", disste ich sie weiter. Also, so langsam wurde das hier doch echt lächerlich. Wenn ihr nichts mehr einfiel, bitteschön. Ich war mal nicht so. Während ich meinen Bewunderern noch einmal huldvoll zuwunk, drehte ich mich um und öffnete die Tür zum Treppenhaus. Gerade fühlte ich mich einfach toll, so toll, dass ich die Treppenstufen geradezu hoch tanzte. Als ich mein Zimmer aufschloss, bemerkte ich die uncoole, aber nette Christina, die die ganze Zeit auf die Tür zu unserem Klo mit beiden Fäusten draufschlug. Das kam öfter vor, ich denke, das war eine Art Box-Sportart für sie.

"Hallo, Christina", begrüßte ich sie freundlich. "Hast du heute Abend Lust auf einen richtigen Mädelsabend mit Schminken und so?" Sie hatte ja keine Freunde, außer mir, also durfte ich sie bloß nicht vernachlässigen. So viel Herz hatte ich. Christina schüttelte aber nur den Kopf und boxte weiter. Na, dann  nicht. Es war nicht so, dass ich keine weiteren Freunde hätte.

Da fiel mir ein, dass ich heute ja in der Küche mithelfen würde, Mrs Hood hatte mich ehrenamtlich dafür eingetragen. Und die Uhr sagte, dass es in einer Stunde Abendessen geben wird. Schleunigst verabschiedete ich mich von Christina mit einem "Bis gleich!" und rannte hinaus. Eine Stunde vor Beginn des Essens musste man in der Küche sein, und da es halb sechs war und das Abendessen um halb sieben begann, legte ich noch einen Schritt zu, um ja nicht zu spät zu kommen.

Angekommen in der Cafeteria rang ich erst mal nach Atem von dem schnellen Sprint. Die Küche war ganz am Ende, welche man durch eine Schwingtür erreichen konnte. Doch gerade, als ich durch sie hindurch treten wollte, spürte ich, wie mir jemand auf die Schulter tippte. Verwundert drehte ich mich um und erblickte ein vielleicht zwei Jahre jüngeres Mädchen, das mich schüchtern ansah. "Ja, wer bist du denn?", fragte ich erstaunt. "Ich bin Susy, aber eigentlich... also ich hatte dich eben nur in die Cafeteria stürmen sehen und da bin ich dir hinterhergegangen, da ich dir was sagen wollte." "Was denn?", fragte ich interessiert. "Also, ich fand das echt gut, wie du dich eben gegen Nancy mal widersetzt hast. Das sollte wir eigentlich alle mal tun. Ja, das wollte ich dir nur sagen. Und ich wollte dir auch sagen, dass so gut wie jeder weiß, dass nicht du das Bild in's Netz gestellt hast."

**right view**

Mit offenem Mund starrte ich sie an. Sie bewunderte mich, dass ich gekontert habe, sie fand es nicht lächerlich? Wenn ich anders dachte, dann war ich doch dumm, oder etwa nicht? Dann fand nur ich mich toll, aber alle Anderen fanden mich dann doch nur noch schlimmer, so war das doch, oder nicht?

"D-danke", stammelte ich. Das Mädchen schaute mich etwas fragend an. "Ja, dann... tschüss!", meinte sie noch freundlich und drehte sich auf dem Absatz um. Grübelnd schaute ich auf den Boden. Das Mädchen wusste ja gar nicht, wie erleichtert sie mich gerade gemacht hatte. Die Meisten wussten, dass ich nicht pervers war, dass ich keine Nacktbilder einfach so der Öffentlichkeit zeigte. Vielleicht war das andere Ich gar nicht so dämlich, wie ich immer gedacht hatte? Vielleicht war das Selbstbewusstsein, dass ich da hatte, gar nicht so sinnlos, sondern genau das, das ich eigentlich brauchte? Meine Gedanken wurden jedoch von dem wütenden Koch, der aus der Küche trampelte, unterbrochen.

"Zehn Minuten zu spät, das heißt, zwanzig Minuten länger bleiben!", donnerte er und griff meinen Arm schraubenstockartig, wobei ich heftig auf die Zähne beißen musste, um ja keinen Schmerzenslaut von mir zu geben. Es fühlte sich an, als würden gleich sämtliche meiner Knochen brechen. In der Küche stand Nancy an der Brotschneide und schnitt gemächlich das Brot. Bei meinem Erscheinen warf sie mir einen gehässigen Blick zu und widmete sich dann wieder dem Brot. "Du schneidest die Wurst!" brüllte der Koch, deutete auf die Anrichte, auf der eine große Wurst lag und warf mir ein großes Messer zu. Es flog genau auf mein Gesicht zu und voller Schreck duckte ich mich und das Messer flog glücklicherweise über meinen Kopf und knallte an die Wand hinter mir. Scheppernd fiel es auf die Anrichte und fassungslos schaute ich in das rote Gesicht des Kochs, der mich mit zusammengezogenen Augen anstarrte. "Mach schnell und hock' nicht nur so rum!", kommandierte er wieder und das in einer Lautstärke! Der konnte gar nicht normal reden, nein, er musste immer brüllen oder schreien! Zitternd vor Schreck, dass mich das Messer beinahe getroffen hätte, stand ich auf, nahm ehrfürchtig das große Messer in die Hand und begann, Scheiben von der Wurst abzuschneiden. Der Koch verschwand in einen Nebenraum und Nancy hörte sofort auf, Brot zu schneiden und öffnete kurzerhand einen kleinen Schrank unter der Spüle und holte etwas heraus, was ich hier noch nie gesehen hatte. Es war eine kleine Schachtel Zigaretten. Mit großen Augen schaute ich sie an. Drogen, Alkohol und Rauchen war hier verboten und ich hätte auch nicht gewusst, wo man  so etwas hier herkriegen sollte.

"Was?", schnauzte sie mich an und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Noch nie Kippen gesehen, oder was guckst du so?" "N-nein, aber der Koch...", stammelte ich. "Was meinst du, was der gerade draußen macht? Das hier ist sein kleiner Vorrat und der merkt nie, wenn ab und zu eine kleine Schachtel fehlt. Also dreh dich wieder um und  entspann dich mal." Ihre Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Lächeln. "Ach, und wenn du irgendwem davon erzählst, dann... Dann war die Foto-Sache dagegen ein Ausflug in's Disneyland", fügte sie noch hinzu. Okay, eins war jetzt klar: Ich wollte auf keinen Fall in's Disneyland.

Ich bin voll stolz auf mich, für meine Verhältnisse update ich im Moment voll viel :D Bin halt in Schreiblaune :) Das nächste Kapitel kommt auch noch nächste Woche!

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