Kapitel 4

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"I don't mind if there's not much to say

Sometimes the silence guides our minds

So move to a place so far away"

- Sweater Weather (The Neighbourhood)

Ich erwachte mit leichten Kopfschmerzen. Und Rückenschmerzen. Der harte Boden drückte gegen meine Wirbelsäule und Sonnenstrahlen liebkosten mein Gesicht. Das Licht blendete mich, also bemühte ich mich, meine Augen mit einer Hand zu bedecken.

Ich war in unzählige Decken gewickelt und um meinen Kopf herum lagen die verschiedensten Kissen. Und auf den Kissen platinumblonde, lange Haare. Hel hatte ihr Gesicht in einem Erdbeerkissen vergraben, das sie auch noch fest umklammert hielt. Ihr Mund stand leicht offen und ich konnte ihre leisen, beruhigenden Atemzüge hören.

Mein Blick wanderte zur Uhr, während ich mir die Schläfen massierte. Neun Uhr. Normalerweise sorgte mein innerer Wecker dafür, dass ich um sieben aufwachte.

Etwas irritiert durch die geschmolzene Kerze und dem weißen Wachs, das überall auf dem Parket klebte, stemmte ich mich hoch. Ich stieg über Helena und betrat mein Badezimmer. Jetzt endlich sah ich mich im Spiegel: vom Schlaf gerötete Wangen, rosane Lippen, braune Haare und - voilà, blonde Spitzen. Kaum zu fassen.

Ich ordnete meine Haare ein wenig, schob sie hin und her, nur um zu wissen, wie sie aus allen möglichen Winkeln aussahen. Es sah... Unglaublich gut aus. Helena hatte den Übergang auch ohne Friseusinnenkurs hinbekommen, und zwar ziemlich perfekt.

Ich nahm mein dunkelviolettes Täschchen von der Ablage unter dem Spiegel und holte ein Haargummi raus. Ich band meine Haare zu einem schnellen Dutt zusammen und konnte so ohne Störungen durch einzelne Haarsträhnen im Mund die Zähne putzen. Ich wollte Hel nicht wecken, also verzichtete ich auf die morgentliche laute Musik beim Fertigmachen. Stattdessen summte ich leise die Melodie von 'Smells Like Teen Spirit' und zog etwas Bequemes aus meinem winzigen, aber überquellendem Kleiderschrank an.

Mein sonst so ordentliches Zimmer sah verwüstet aus. Als ob hier tatsächlich jemand wohnen würde. Früher hatte es in den Ferien immer so ausgesehen. Wenn sie da war.

Ich verließ das Zimmer und zog die Tür vorsichtig hinter mir zu. Dann schlich ich die Treppe runter, auf der Suche nach etwas Essbarem.

Natürlich war Dad schon in der Küche, mit zwei Spiegeleiern vor sich und einer neuen Ausgabe seiner Zeitung in der Hand. Er registrierte mein Ankommen mit einer erstaunten Miene.

"Ist das permanent?", wollte er augenblicklich wissen.

Ich holte eine Schüssel aus dem Schrank und warf einen knappen Blick über meine Schulter. "Ja, gefällt es dir etwa nicht?" Es schwang so viel Ironie in diesem Satz mit, dass es mir dann doch leidtat. Jede unserer Konversationen war wie ein Machtspiel zwischen uns.

Das scharfe Messer aus Taschkent glitt elegant durch die Banane, als ich sie auf einer Holzplatte in Stücke schnitt. Auch der Apfel bereitete keine Probleme. Ich schob sie alle in die Schüssel.

"Doch, eigentlich schon. Wenn du mich gefragt hättest, ob du dir die Haare färben sollst, wäre ich sicherlich dagegen gewesen, aber das hier sieht nicht mal so schlecht aus", meinte Dad ehrlich und nippte an seinem Kaffee. Starker Kaffee ohne Milch und Zucker. Sein Standartgetränk.

Im Kühlschrank fand ich zum Glück noch Jogurt, von dem ich einige große Löffel voll auf das Obst klatschte. Dann noch eine Prise Zimt und Zucker, paar Nüsse, eine saftige Himbeere und fertig war mein hübsches Frühstück.

RabensammlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt