Kapitel 20

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Ich verließ das Haus in einem fremd riechenden Pullover, der mir bis über die Knie reichte und Ana gehörte. Sie hatte mir auch eine Hose angeboten, die ich jedoch nicht angenommen hatte, da sie mir zu kurz war und auch noch nass sein würde - ich trug nämlich immer noch meine durchnässte Unterwäsche. Auf dem Pullover bildeten sich nach einer bestimmten Zeit auch zwei dunkle Kreise, aber die störten mich eher weniger.

Als wir wieder das Haus verließen, hatte jemand das Licht im Wohnzimmer ausgemacht und es in einem dämmrigen Zustand hinterlassen; drei weinrote Kerzen brannten unaufbesichtigt auf dem glänzend polierten Glastisch und pflanzten mir das Bild eines brennenden Hauses in den Kopf. Davon abgesehen, dass es eine gemütliche Atmosphäre erschuf, sah ich keinen Sinn darin, sie brennen zu lassen. Mr und Mrs Howard waren offensichtlich nicht mehr da, um diese Gemütlichkeit zu genießen. Bevor Cal mir folgte, um mich wie letztens nach Hause zu fahren, leckte ich mir über Daumen und Zeigefinger und erstickte die Flamme mit eigenen Händen. Es tat ein bisschen weh. War es nicht absurd, wie schnell man den Schmerz lieben und wertschätzen lernte?

"So, du darfst mich also mal wieder nach Hause fahren", bemerkte ich und zog die Haustür hinter mir zu. In meinen Gedanken war das Auto, in das in bald sitzen würde, angenehm warm, aber ich wusste aus Erfahrung, dass es eine Weile dauern würde, bis die Heizung Wirkung zeigte.

Cal lächelte vage und drückte mit dem Daumen auf den elektronischen Autoschlüssel. Der graue Wagen gab ein abgehacktes Geräusch von sich, was einer Einladung gleichkam. Eine Einladung, die ich bei diesem Wetter gerne annahm.

"Es ist mir eine Ehre, dich hin und her transportieren zu dürfen. Nicht nur eine gute Gelegenheit, mich an diese verdammte alte Gangschaltung zu gewöhnen, sondern auch eine wunderbare Fahrt, bei der ich deine unverzichtbare Gesellschaft genießen kann", meinte er mit einem Hauch Dramatik und umrundete das Auto, um einzusteigen.

"Wie kannst du die Gesellschaft eines Mädchens schätzen, das du kaum kennst?", entgegnete ich und folgte ihm zum Auto. "Und willst du mir nicht auch die Tür aufhalten, wenn du schon so geschwollen daherredest?"

Cal machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, hielt dann aber mit zusammengezogenen Augenbrauen inne. Er stützte sich mit den Armen auf die offene Autotür ab und schien sich die richtigen Worte zurechtzulegen.

"Ich möchte dir eine Antwort geben, aber ich befürchte, ich werde mich widersprechen. Nach meiner Erfahrung hören alle Frauen mein... Wie nennst du es? Mein 'geschwollenes Gerede' gerne. Jetzt stecke ich alle Frauen in eine Kategorie, nicht wahr? Ich stereotypisiere ihre Vorlieben. Aber gleichzeitig halte ich dir nicht die Tür auf, weil ich dich nicht in eine Kategorie mit anderen Frauen stecken möchte. Ich hätte wetten können, dass du nicht von mir verhätschelt werden möchtest, weil du intelligent und selbstständig genug bist, um dir selbst zu helfen", sagte er schließlich mit lächelnden Augen und zog dann eine seiner dunklen Augenbrauen hoch. "Hätte ich dich denn stereotypisieren sollen?"

Ich brauchte einige Augenblicke, um diese umfangreiche Antwort zu durchkauen, wobei ich sein Gesicht und jede Veränderung seiner ungewöhnlich offenen Mimik studierte. In der Schule blieb mir nie etwas anderes übrig, als das einsame Zucken eines seiner Gesichtsmuskel zu interpretieren, während der Rest seines Gesichts leer wie ein weißes Blatt Papier blieb. Nein, wie ein weißes Blatt Papier, auf dem die Zeichnung gründlich ausradiert worden ist, um eine tiefere Bedeutung vor neugierigen Augen zu verbergen. "Und du hast ausgerechnet Kunst gewählt", stellte ich kopfschüttelnd fest. "An dir ist ein moderner Sokrates verlorengegangen."

"Ah. Ich dachte, ich hätte mir schon den Titel eines modernen Shakespeares erworben?" Gespielte Irritation belegte seine Stimme.

Er hatte es sich gemerkt. Ich hatte ihn tatsächlich Shakespeare genannt. Nun ja, eher geschimpft.

RabensammlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt