34 - apologies

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Grayson

"Scheiße!",keuchte ich auf und fuhr aus dem Bett. Meine nackten Füße berührten den eiskalten Boden. Diesmal war er allerdings mit braunem Parkett versehen. Die Gardinen waren ebenfalls in warmer Farbe gehalten, so wie der Rest des Raumes. War das echt? Ist es diesmal wirklich echt?

Ich riss die Nadel aus meinem Arm und stieg aus dem Bett. Ich musste humpeln, weil bei jeder Bewegung meine Schulter schmerzte. Doch ich wollte diese Zimmertür öffnen. Als ich wenige Sekunden später auf dem leeren Flur stand, wurde ich nervös. Ich suchte nach Menschen, die ich kannte. Vielleicht eine Schwester, an die ich mich erinnern würde.

"Grayson?",hörte ich ihre Stimme. Sofort drehte ich mich um und blickte in die panischen Augen von Rose Harper - die schönste Frau auf Erden. Sie rannte auf mich zu und packte mich sanft an den Händen. "Was machst du hier? Oh Gott, warum bist du nicht im Bett?",fragte sie nervös und musterte meinen ganzen Körper.

War das echt? Ich wusste nicht, was ich denken oder fühlen sollte. Automatisch schaute ich mich weiter im Flur um. Vielleicht war Riley ja noch hier? Nein, das konnte nicht sein. Immerhin war er tot. "Fuck, ich-",stammelte ich und fuhr mir durch das verschwitzte Haar. "Ich weiß nicht mehr, was echt ist. Rose, ich habe den Verstand verloren."

Rose schaute mich mit ihren großen Rehaugen besorgt an. Ihre vollen Lippen öffneten sich, um etwas zu sagen. "Du weißt nicht mehr, was echt ist? Was meinst du damit?"

Ich schüttelte ungläubig den Kopf und schaute mich wieder um. Ich konnte Rose nicht sagen, dass ich allen ernstes daran zweifelte, ob Riley in diesem Krankenhaus gewesen war. "Keine Ahnung",seufzte ich und runzelte die Stirn. Als ich ihre knochigen Finger in meiner großen Hand betrachtete, machte sich Sorge in mir breit. Ihr Gesicht war irgendwie schmaler geworden. Jetzt vielen mir die dunklen Augenringe auf.

"Grayson du legst dich am besten wieder hin. Lass uns rein gehen, okay?",fragte sie bettelnd und zog mich leicht in das Zimmer hinein. Es war nicht das aus meinem Traum. Genau, weil das hier die Realität ist. Eine Welt in der Riley tot ist.

"Rose",sprach ich ihren Namen aus. Sie hielt mich immer noch fest, als sie sich besorgt zu mir wandte. Ich trat einen Schritt auf sie zu und nahm ihr kleines Gesicht in die Hand. Unter meinem Daumen spürte ich ihre Wangenknochen und die weiche Haut, die sie überzogen. "Du bist die schönste Frau, die ich jemals getroffen habe",sagte ich und strich über ihre Unterlippe.

Rose öffnete die Lippen, sagte aber nichts. "Du hast nichts hiervon verdient",faselte ich wie ein Vollidiot vor mich hin. Doch ich konnte dem nicht entgegensteuern. Denn wenn ich ihr zartes Gesicht betrachtete, flossen solche kitschigen Worte wie von selbst. Dinge, die ich nicht einmal meiner Mutter gesagt hatte, sprudelten aus meinem Mund, wenn ich mit Rose war. Sie veränderte mich. Sie machte mich zu einem neuen Menschen. Ich wusste nicht, ob ich diese Person sein wollte, aber ich würde es versuchen.

Für Rose war mir nichts zu teuer.

"Du hast eine Welt verdient, in der all' deine kleinen Träume wahr werden. Mit einer glücklichen Familie, einem schönen Haus und-",stockte ich und lehnte meine Stirn gegen ihre. Ihre Augen schlossen sich, ehe ihr kleine Tränen hinunterkollerten, die ich mit meinem Daumen auffing. "Und mit Riley. Eine Welt mit schönen Erinnerungen, Rose. Ich wünschte, dass das dein Leben wäre."

Ihre dünnen Finger klammerten sich um mein Handgelenk. Sie atmete weinend ein und wieder aus, ehe sie mich ansah. "Es tut mir so unglaublich leid, Rose Harper",sagte ich sanft und schloss die Augen. In meinem Kopf zogen Bilder ihrer Kindheit vorbei. Ihre kleinen Zöpfe, ihre weiße Haut und das Lächeln in ihrem Gesicht. So hätte es weitergehen müssen.

Ich lehnte mich vor und küsste ihre weichen Lippen. Rose war wie benebelt und sank fast zusammen. Ich spürte die schwere Trauer in unserem Kuss. Schmerzen, die Rose über die zwei Jahre nach Riley's Tod immer noch nicht verarbeitet, aber verdrängt hatte. "Es tut mir leid, Rose. Glaubst du mir das?",schmunzelte ich leicht und presste die Lippen aufeinander. Unerklärliche Wut bahnte sich in mir an. "Ich wünschte, ich könnte alles ändern. Ich wünschte, ich könnte dir Riley wiedergeben."

Rose begann zu schluchzen, zog sich allerdings nicht zurück. Ihre Stirn lehnte immer noch gegen meiner. "Ich verspreche dir, Rose Harper, dass du nie wieder etwas verlieren wirst. Sieh mich an",sagte ich und umgriff ihr Gesicht fester. Rose' verheulte Augen schauten nervös zu mir auf. "Ich werde dir die Welt zu Füßen legen. Wenn es sich für jemanden lohnt, dann für dich. Vielleicht habe ich dich nicht verdient. Fuck, das habe ich nicht. Aber wenn es einen Gott gibt, der dich mir geschenkt hat, dann gehe ich auf die Knie und danke ihm dafür."

Rose begann erneut zu weinen und runzelte die Stirn. "Hör' auf damit, Grayson",stotterte sie. "Hör' auf solche Dinge zu sagen."

Sie zog mich wieder zum Bett und bestand darauf, dass ich mich wieder hinlegte. Als sie bemerkte, dass ich mir die Infusion vom Arm gerissen hatte, wurde sie panischer und drückte den roten Knopf. "Es ist alles in Ordnung. Tut gar nicht weh",lächelte ich ihr zu. Doch Rose schüttelte unfassbar den Kopf und winkte die Schwester bereits aus dem Flur zu sich. 

"Ich weiß nicht, wie das passiert ist",entschuldigte sie sich bei der Schwester, so als wäre meine Dummheit ihre Schuld gewesen. Ich war augenblicklich wütend auf mich. Wie konnte ich so rücksichtslos sein und Rose solche Angst bereiten?

"Mr. Matthews, wie geht es ihnen?",fragte sie freundlich. Mir schoss mein Traum in den Kopf, in dem Riley in mein Zimmer gekommen war. Also versuchte ich die Situation auf die Probe zu stellen.

"Kann ich ein Wasser bekommen?",fragte ich bewusst. Die Schwester nickte kurz, sorgte dafür, dass die Infusion wieder in meinem Arm war und verschwand. 

"Scott müsste gleich hier sein. Er wollte nur kurz etwas essen gehen",erklärte sie und setzte sich neben mich. "Ich schreibe ihm besser, damit er sich beeilt. Er hat sich auch Sorgen um dich gemacht. Wir waren fast jeden Tag im Krankenhaus. Zum Glück war er auch da. Ich wüsste nicht, was ich sonst gemacht hatte und-",ratterte sie in einem Atemzug herunter, sodass es mich zum Lachen brachte. 

"Ganz ruhig, Rosey. Mir geht's gut",sprach ich ihr zu. Sie kniff die Augen zusammen und fuhr sich durch das lange Haar. Ich liebte es, wenn sie das tat. 

"Du hast leicht reden, Grayson",wurde sie plötzlich ernst und blickte mich mit einem zerbrochenen Gesichtsausdruck an. "Du hast vielleicht nicht viel von der Welt mitbekommen, aber wir haben hier jeden Tag um dein Leben gebangt. Weißt du eigentlich, wie schwer so etwas für mich ist? Die Angst, dich zu verlieren war grauenvoll."

Ich leckte mir über die Unterlippe und senkte den Blick. Ich verstand sie. Ich verstand sie vollkommen. "Also bitte, sag mir nicht, dass ich mich beruhigen soll, Grayson", sagte sie wütend. 

"Okay",gab ich nach und schaute sie durchdringlich an. War sie schon immer so schön gewesen? Oder war das die Wut in ihr, die sie so anders aussehen ließ. "Du hast Recht",schmunzelte ich und ließ meine Augen über ihren ganzen Körper fahren. Rose runzelte verwirrt die Stirn, weil sie mich anscheinend nicht verstand, doch das war anscheinend besser so. Sie musste ja nicht wissen, was in meinem Kopf gerade vor sich ging. 

"Hast du Schmerzen?",fragte sie vorsichtig und musterte meinen Arm. Ich schüttelte langsam den Kopf. Als ihre dünnen Finger meine nackte Haut berührten sog ich scharf die Luft ein. Wie sehr hatte ich sie überhaupt vermisst, das mein Körper so empfindlich auf sie reagierte?

"Nein",antwortete ich. Zwar war das gelogen, aber das musste ich Rose nicht unbedingt antun. 

"Gut",atmete sie erleichtert aus. "Die Schwester hat gesagt, dass du starke Medikamente bekommst. Vielleicht warst du deswegen so verwirrt, hm?"

"Kann sein",antwortete ich schwach. "Verdammt, warum bin ich so müde?"

Rose wandte sich um, als die Schwester mit klarem, normalem Wasser ins Zimmer kam. Die Erleichterung in mir war unbeschreiblich. Dies war die Realität. Ganz sicher. 

"Er fühlt sich schwach. Ist das normal?",hörte ich ihre sanfte Stimme fragen. Meine Augenlider wurden so verdammt schwer und die Geräusche um mich herum wurden immer leiser. 

"Das ist völlig normal. Das Morphium-", doch mehr bekam ich nicht mit. 

Riley's wish *ON HOLD*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt