1. Kapitel

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1. Kapitel

Das Telefon klingelte mich aus dem Halbschlaf. Ich saß auf meinem altrosanen Ohrensessel und musste beim lesen eingenickt sein.
„Ha –Hallo?" murmelte ich verschlafen und rieb mir die Augen.
„Hey Sia! Es gibt Neuigkeiten! Wir bekommen neue Schüler, zwei Brüder und einer ist anscheinend mega heiß!".
„Oh man, es ist Samstagnachmittag, woher weißt du das den jetzt schonwieder Julia?" fragte ich meine beste Freundin
„Naja du weißt doch, ich bin immer auf dem neusten Stand" zwitscherte sie aufgeregt „Das muss ich gleich posten", denn meine Freundin Julia betrieb den beliebtesten Blog in ganz Cornville.
Sie tippte über einfach alles, die neusten Ereignisse auf unserer Schule waren natürlich das Hauptthema. Jedoch war ich die einzige Person auf der Erde die wusste das Julia hinter all dem steckte.
In unserem kleinen Dorf Cornville, passierte nicht viel, doch jeder kannte hier jeden, was den Blog wirklich spannend machte.
Sie berichtete über jede Kleinigkeit, wer mit wem zusammen war, wer denn jetzt wirklich schlussgemacht hat, und wer die heißesten Partys schmiss.
„Dann tu dir kein zwang an." Sagte ich lachend.
„Ach, Sia. Weißt du jetzt freu ich mich schon richtig auf Montag. Ja das wird richtig lustig, wenn ich all ihre kleinen dreckigen Geheimnisse ausgrabe!" Ich schüttelte lachend den Kopf, immer noch verschlafen schlug mir eine Decke um die Schulter und zog die Knie an.
„Warum glaubst du dass sie schmutzige Geheimnisse haben?" fragte ich amüsiert.
„Ich weiß nicht, ich glaub ich hab seit ich Cornvilles Tippse bin sowas wie ein Geheimnisinstinkt" sagte sie und lachte herzlich auf. Ich mochte Julias Lachen, es war so ansteckend und ehrlich.
„Geheimnisinstinkt? Ja wirklich?" fragte ich
Ich hörte wie unsere Haustür aufgeschlossen wurde
„Siana!" Rief Maria, meine Pflegemutter. Ja, ich lebte bei meinen Pflegeeltern Maria und Nicolas.
Sie nahmen mich auf als ich noch ein Baby war. Damals sind meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sie waren sofort tot, doch ich auf der Rückbank, blieb
ohne nur einen Kratzer. Niemand konnte mir je etwas über meine Eltern erzählen, da sie niemand kannte. Sie saßen mit mir in einem kleinen gestohlenen Auto.
Wenn sie schon Autos klauten, wollte ich auch gar nichts über sie wissen. Das einzige was mir von meinen Leiblichen Eltern blieb, war das Armband das ich trug. Es war aus bunten Fäden und darin waren Perlen verwoben, auf jeder Perle ein Buchstabe Siana konnte man daraus lesen.
Ich hatte sogar eine Verlängerung reingebastelt sodass es mir immer noch passte. Manchmal wenn ich mich einsam fühlte oder nervös war strich ich darüber, das beruhigte mich immer unglaublich.
„Siana! Hörst du nicht, komm doch bitte runter und hilf mir mit den Einkäufen" rief Maria erneut und riss mich so aus meiner Träumerei
„Julia, ich muss Schluss machen Maria ist da, tschüssi" sagte ich schnell ins Telefon
„Gut bis dann, bye" gab Julia zurück
„Tut mir leid ich komme Maria!" Ich hüpfte auf und lief die kleine Wendeltreppe nach unten.
Wir hatten nur ein kleines Haus, aber ich mochte es.
Mein Zimmer befand sich im 2.Stock, sowie Maria und Nicolas Schlafzimmer und zwei Badezimmer. Unten war dann die Küche und das Wohn- und Esszimmer.
Ich lief zum Flur wo man Maria hinter all den braunen Einkaufstüten fast nicht sah, schnell nahm ich ihr etwas ab.
„Ah, danke mein Kind." Sie sagte immer mein Kind oder Liebes zu mir, jedoch nannte sie mich nie ihre Tochter und ich sagte auch nie Mom oder so etwas. Ich wusste schon immer dass ich nicht ihre Tochter war, denn Maria konnte keine Kinder bekommen und hatte das auch offen mit mir besprochen. Aber ich liebte sie über alles, so wie ich wahrscheinlich meine Eltern geliebt hätte.
Maria war um einiges kleiner als ich, sie hatte kurze dunkelbraune lockige Haare und haselnussbraune Augen. Außerdem war sie sehr zierlich, und hübsch, fand ich.
Sie war gerade 47 geworden und man konnte kaum Falten auf ihrem Gesicht sehen.
Auch Nicolas war nicht besonders groß, ich hatte ihn mit meinen 1,75 gerade knapp überholt.
„Na was hast du so getrieben heute?" fragte mich Maria
„Ach nicht viel, hab gelesen und bin dabei eingeschlafen, ach ja mit Julia habe ich telefoniert, wir bekommen zwei neue Schüler." Erzählte ich, als ich Maria half die Einkäufe in die höhergelegenen Regale zu stellen.
„Das ist schön, Nicolas müsste auch bald wiederkommen, er war Angeln am Moonlight Lake mit Ed."
„Hm, ich hab mich schon gefragt wo er ist... am Moonlight Lake, wirklich? Das ist ganzschön tief im Wald, und ich hab gehört das man da nicht wirklich was fangen kann" erwiderte ich
Die meisten Gruselgeschichten in Cornville hatten entweder mit dem Wald oder dem Moonlight Lake oder gleich beidem zu tun. Früher, als ich noch klein war wurden dort immer die Halloween Partys gefeiert, aber seid mal das ganze Fest abgebrannt ist, feiert da niemand mehr.
Ich kann mich noch vage daran erinnern wie ich aus meinem Zimmerfenster sah, das den Blick in Richtung Wald freigibt. Weit entfernt konnte man den See erkennen und wie lodernde Flammen an seinem Rand aufschlugen. Der Mond spiegelte sich auf der ruhigen Wasseroberfläche, deswegen auch Moonlight Lake, doch drum herum war das helle Chaos ausgebrochen.
Wie durch ein Wunder überlebten alle, zum Teil mit leichten Verbrennungen. Nur die Partydeko hatte das zeitliche gesegnet.
„Er ist schon früh los, da hast du noch geschlafen. Naja wenn er was fängt gibt's das heut zu Abend."
Ich würgte extra dramatisch und hielt mich an dem Küchentresen fest, als würde ich gleich umkippen.
„Ja schon gut, für dich gibt's deine vegetarische Kost. Ich habe noch grüne Nudeln da, wenn du willst mach ich dir eine Cream Sauce dazu?!" Sagte Maria und lachte noch über meine Darbietung.
„Das klingt schon viel besser" sagte ich zufrieden und grinste sie an.
Es klopfte an der Glastür unserer Terrasse, da stand Nicolas in vollkommener Angler Montur. Ich musste mir immer das Lachen verkneifen wenn ich ihn so sah mit seiner Angel und dem kleinen grünen Köfferchen indem er seine Köder aufbewahrte.
Ich öffnete die Tür und schon fing er an zu fluchen.
„Ach, es war ein miserabler Tag, stellt euch vor kein einziger Fisch ist mir an die Angel geraten! Und dem Ed auch nicht, haben noch nicht mal gesehen das einer die Oberfläche gestrichen hat! Blöde Viecher so ein verhunztes Gewässer! Kein Fisch Maria! Kein einziger..."
„Jaja ist schon gut Nicolas" sagte Maria und klopfte im auf die Brust. Sie verkniff sich ebenfalls ein lachen, vielsagend sah sie mich an.
„Du hast hinten an der Bucht schon genug Fische gefangen", sagte ich und schaute ihn aufmuntern an um meine Belustigung zu vertuschen.
„Na, und dafür das es da keine Fische gibt, riechst du aber ganz schön nach Fisch" fügt Maria hinzu. Und dann konnten wir es nicht länger aushalten und prusteten beide los.
„Pah!" sagte Nicolas ebenfalls etwas am lachen „Ich geh dann mal duschen wenn die Ladies mich gewähren lassen."
„Geh nur." sagte Maria immer noch lachend.

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