Tag 2 - Kapitel 1

137 17 0
                                    

„Und Vorsicht... ja, da bin ich vorher auch rein getreten", nuschelte es hinter mir. Neben dem ekelerregenden, schmatzenden Geräusch, das mein Schuh verursachte, war das Klicken eines Feuerzeuges zu hören. Das Ende der Zigarette leuchtete auf, erhellte sein schmales Gesicht, die vorstehenden Wangenknochen und großen, rot schimmernden Augen. Seine Pupillen waren stark geweitet, er zog ständig die Nase hoch und tappte zappelnd von einem Fuß auf den anderen. Na toll, da hatten sie mir ja den größten Idioten zur Seite gestellt. Dass seine Warnung deutlich zu spät kam interessierte ihn nicht im Geringsten. Wahrscheinlich interessierte ihn allgemein nicht mehr viel, außer wann er sich die nächste Nase voll Schnee zustopfen konnte. Angewidert hob ich meinen Fuß an, erneut das Schmatzen, als sich die Sohle aus der zähflüssigen Masse löste.

„Is hier überall verteilt, da drüben is noch mal ne große Pfütze und oben siehts noch schlimmer aus", nuschelte er weiter und zeigte dabei gelangweilt auf das Loch in der Decke über uns. Eben dieses hatte meine Aufmerksamkeit soweit in Beschlag genommen, dass ich mir offensichtlich den Schuh ruiniert hatte. Angewidert versuchte ich diesen an der Wand abzuwischen, stellte aber fest, dass sich der dunkle, zähe Schmodder einfach nicht entfernen ließ. Nach vierzig Jahren in diesem Beruf sollte ich es doch langsam besser wissen.

Wir befanden uns in einem der einst noblen Teile der Stadt, Altbau, falls man denn die weiße Bevölkerungsschicht Australiens als alt bezeichnen wollte. Immerhin hatten die Pilger erst um 1788 übergesetzt, 30 Jahre bevor ich starb.

Das ursprünglich prunkvolle Haus war zu einem blassen und dreckigen Abklatsch seiner selbst verkommen. Staub türmte sich, überall lag Mäusekot herum, die Teppiche und Gardinen waren zerfressen und alles in allem sah es einfach alt aus. Renovierungsbedürftig wäre ein passendes Wort, das war es aber davor schon gewesen.

Das Wohnzimmer oder eher der Salon war groß, mit einem Kamin, der wohl bei der Auseinandersetzung zusammengebrochen war. Der Spiegel darüber war zersprungen und die Scherben schimmerten im grellen Licht der herein fallenden Autoscheinwerfer. Seitdem wir diese Energiesparlampen benutzten kam mir die Welt noch eine Spur kälter vor, fahler. Aber was tat man nicht alles zum Wohle der Allgemeinheit. Immerhin war das Ozonloch direkt über uns und außerdem gehörte Hautkrebs zu einer der häufigsten Todesursachen bei uns auf dem sonnigen Kängurukontinent. Durch die Sonne zu sterben, das konnte ich auch, nur eben nicht an dem verfluchten Hautkrebs.

Langsam und auf meine Schritte bedacht, vor allem den Pfützen ausweichend, ging ich auf den Kamin zu. Sie mussten dort gekämpft haben. Die Wand direkt daneben hatte einige Löcher. Es müssen zwei große Männer gewesen sein, etwa meine Statur, einer vielleicht sogar größer. Sie hatten sich gegenseitig herum geworfen, waren dann im Kampf an der Wand hinauf. Mein Blick folgte der Spur aus Zerstörung, den kleinen Dellen, welche die Menschen weder im Sonnenlicht, noch jetzt bei Nacht sehen würden. Sie hatten weiter an der Decke gemacht und kurz verharrte ich an dem mitgenommenen Kronleuchter, welchem bereits einige Teile fehlten. Ein Knacken, das leise Knarren einer viel zu sehr gespannten Schnur und gerade als ich einen weiteren Schritt nach vorne tun wollte, riss die Faser.

Gerade so machte ich einen unbeholfenen, aber blitzschnellen Schritt nach hinten und wich dem schweren Ungetüm aus Glas, Gold und Kerzenwachs aus. Das Klirren war ohrenbetäubend und wurde dann von der plötzlichen Stille ersetzt.

Diese wiederum hielt nur wenige Sekunden und wurde von einer wirklich schlauen Bemerkung gestört.

„Oh, das hatte ich vergessen zu erwähnen", kam es aus vom Durchgang zum Flur und ich warf meinem fahlen Begleiter einen bösen Blick zu.

Dieser wurde zwar kurz ein Stück kleiner, erinnerte sich dann aber offensichtlich daran, dass er bereits 350 Jahre alt war und somit hier der Stärkere sein sollte.

States of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt