Tag 27

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Außerdem hatte ich Gummibärchen nie leiden können, der Geschmack war anfangs penetrant süß und der aschige Abgang war einfach nicht so meins.

Innerhalb von Sekunden hatte Petters wieder ihre genervte Miene aufgesetzt, auch wenn sie nicht ansatzweise so gefasst war, wie sie versuchte zu wirken. Bei dieser taffen Frau überraschte es mich zwar ein Bisschen, aber machte mir auch wieder bewusst, dass sie nun mal nur ein Mensch war. Schwach, zart besaitet und so, so schnell kaputt. Nur dass ich auch daran denken musste, wie selbst Noah mich als angsteinflößend beschrieben hatte. Ich meinte Dion, ich musste mich wirklich an seinen Namen gewöhnen, auch wenn er nicht recht zu ihm passen wollte.

Sie trat an mir vorbei in das dunkle Gewölbe, dessen Größe ich mehr anhand des weiten Halls unserer Schritte erahnen konnte. Die 13 war die unterste Etage gewesen und nun verstand ich auch wieso. Nur nicht, seit wann die Menschen ihren Irrglauben so sehr überwunden hatten. Man hatte wohl beim Baum schon geahnt, dass hier so ziemlich alles rein passen würde, was sich so über die Jahrzehnte angesammelt hatte und im digitalen Zeitalter wurden die meisten Daten auch eher auf großen Festplatten archiviert. Diese brauchten zwar Platz, aber es war nicht vergleichbar mit Videokassetten oder gar Bändern. Dafür produzierten wir auch 100 Mal mehr an Material, als wir es noch vor 20 Jahren getan hatten. Irgendwie sah ich es kommen, dass die Menschheit es bald so weit treiben würde und jedermanns Leben von der Geburt an dokumentierte.

Petters lief zielstrebig an scheinbar endlosen Aktenschränken vorbei, welche sich düster links und rechts von uns positioniert hatten. Die Neonröhren an der Decke flackerten klischeehaft und spendeten auch sonst nicht genug Licht, um jede Ecke damit füllen zu können. Nach einigen Metern bog sie zielstrebig nach rechts ab und wartete gar nicht erst auf mich, während ich erst aus dem Schrankgang hervor trat. Dieser hatte sich zu einer Art Raum erweitert. Links und rechts von mir gingen weitere dieser Gänge ab, jeder mit einem Schild versehen, auf dem ein jeweiliger Buchstabe des Alphabets prangte. Auf unserem Gang stand noch in klein „Ausgang". Sehr offensichtlich. Reihe C3 – Ausgang, würde ich sicherlich in einer Verfolgungsjagd mit einem axtschwingenden Meuchelmörder wieder finden. Nur dass der wohl sein Ende nicht so kommen sah wie ich. Vor mir erstreckte sich eine kurze Plattform von der eine Treppe abging und nach unten führte. Von dort kam auch mit am meisten Licht und schimmerte blau durch die Gitter des Zauns. Dieser grenzte uns von den unzähligen Datenbanken ab, welche sich scheinbar endlos weit bis in die Dunkelheit erstreckten. Schmunzelnd trat ich näher, griff prüfend nach dem Vorhängeschloss und stellte fest, dass dieses wirklich einfach zu knacken war. Das hätte ich sogar noch mit einer Haarnadel auf bekommen und meine Diebeszeiten waren lange vorbei, somit meine Finger eingerostet.

Ich ließ das kalte Metall wieder los, woraufhin es laut gegen den Zaun schlug und ließ meinen Blick noch einmal durch die Halle und über die endlosen, leuchtenden Gänge des Irrgartens gleiten. Das hier war ja ein wahr gewordener Traum. Schlimmer als jedes Nest und ideal für ein Blutfest. Mir lief es kalt den Rücken hinab als ich daran dachte, die verzweifelten Schreie, der schnelle, panische Atem und die verzerrten Visagen, voller Grauen und tiefster Angst. Und das Blut, das viele Blut, überall. Das Stöhnen, Krachen der brechenden Knochen, das platschende Geräusch, wenn die Gedärme aufschlugen. Die Erregung, welche mich selbst in diesem Moment packte und die Gier aufflackern ließ. Und ich begann mich selbst anzuwidern, dass ich immer noch so schwach war. Selbst das leise Knurren konnte ich nicht ganz unterdrücken, das tiefe Grollen, als ich mich abwandte und die Reihen entlang zu Petters aufschloss. Diese zu finden stellte sich als nicht weiter schwer heraus. Es gab einen kleinen Raum, welcher tatsächlich abgesondert vom Rest lag und am Ende an 15 weiteren Gängen lag. Die Tür stand offen, drin brannte helles Licht und auf zwei Schreibtischen waren einige Monitore aufgebaut. Es gab sogar eine Kaffeemaschine, welche meine Partnerin die letzten Stunden wohl zur Genüge benutzt hatte. Die noch frischen und sich im Mülleimer stapelnden Pappbecher waren Indiz genug. Ebenfalls hingen Rauchschwaden auf Kopfhöhe und das leise Klicken eines Feuerzeugs, sowie das Knistern des Zigarettenendes verrieten mir, dass sie einen Scheiß auf die angebrachten Verbotsschilder gab. Immerhin schien es in diesem Raum aber auch keinen Rauchmelder zu geben.

States of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt