Tag 9

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Noch bevor ich die Tür zum Büro geöffnet hatte, spürte ich bereits den Hass. Es war ein kaltes Kribbeln unter der Haut, das Gefühl, als würde jemand einem im nächsten Moment ein Beil in den Nacken rammen.

Es war mir einerlei und die bösen Blicke ließen mich nicht etwa in Ehrfurcht nieder gehen und um Verzeihung winseln. Der Raum selbst war gut gefüllt, denn neben meiner momentanen Vorgesetzten, die nach wie vor in ihrem Hosenanzug aussah, als wäre sie einem Modemagazin entstiegen, war da noch mein Partner Barat. Ein Mann, direkt neben Mrs. Shaun erregte meine Aufmerksamkeit. Er hatte den Anwesenden den Rücken zugekehrt, das Kreuz gerade und durchgedrückt, überragte Barat und hatte in etwa meine Größe. Seine Haut war hell, die Haare hatten einen rötlichen Ton, auch wenn das Braun dominanter war und sein Körper steckte in einem völlig unverschämt teuren Anzug. Er kam mir bekannt vor, auch wenn meine Aufmerksamkeit sofort von den anderen Anwesenden in Beschlag genommen wurde.

Und tatsächlich sah mich jeder von diesen vernichtend an. Nun wusste ich auch, wieso ich den Hass schon durch die Tür hindurch hatte spüren können. So viele Personen auf einem Haufen, die mich allesamt nicht ausstehen konnten. Schöne Sache, das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit.

Dass Barat nicht allzu gut auf mich zu sprechen sein würde, das hatte ich erwartet. Er hatte sich lässig auf die Kante der kleinen Kommode im hinteren Eck gesetzt und beachtete dabei nicht weiter, dass das Shaun offensichtlich nicht gefiel. In seinem Mundwinkel steckte noch eine Zigarette, auch wenn er diese zuvor ausgemacht hatte – oder dazu genötigt wurde - und nun den Filter durchsabberte. Völlige Ignoranz seinerseits.

Mein Blick wanderte zu den zwei anderen Anwesenden, deren Geruch den Raum einnahm. Und ich war mehr als froh zuvor gegessen zu haben, da ich mich wirklich nur schwer hätte zusammenreisen können.

Ihre Augen funkelten mich an und sie schaffte es dabei sogar noch hasserfüllter auszusehen, als Shaun. Die hellen, rötlichen Haare hatten ihre Frisur mittlerweile besiegt und noch mehr Strähnen hingen ihr sowohl in Gesicht als auch Nacken. Selbst ihr fetter Partner schien nicht allzu gut auf mich zu sprechen. Er stellte ein geradezu lachhaft leichtes Opfer dar, dass man ihm dies auch hätte auf die Stirn tätowieren können, zusammen mit der Blutgruppe.

„Schön, dass nun alle anwesend sind", kam es sarkastisch von Shaun, welche mich mit einer abgehakten Kinnbewegung darauf aufmerksam machte, nicht nur dumm im Türrahmen stehen zu bleiben. Ich tat ihr den Gefallen und schloss die Tür laut hinter mir, was mit einem weiteren, vernichtenden Blick aller Anwesenden quittiert wurde. Bis auf den Mann am Fenster, der nach wie vor in die Nacht starrte und nicht das geringste Zeichen gab, das Treiben um sich herum zu registrieren.

„Agent Petters und ihren Partnern Agent Haydon haben Sie ja bereits kennen gelernt, Turner", ihr offensichtliches Missfallen mir gegenüber wurde durch das Ausspucken meines Namens ausgedrückt. Der abschätzige Blick folgte, als sie mein Auftreten von oben bis unten musterte. Und ich konnte mich ganz wage an ihre Drohung erinnern, nie wieder in solch einem Aufzug in ihr Büro zu kommen. Immerhin waren das nur meine normalen Klamotten von der vorigen Nacht und ich musste Barat noch dringend darauf aufmerksam machen, dass ich den Sombrero zurück haben wollte.

Dass ich es, trotz der Anwesenden, nicht einmal ansatzweise bereute mich nicht endlich um meine Körperhygiene gekümmert zu haben, ganz im Gegensatz zu meinem Besuch bei Maya, wunderte mich selbst nicht im Geringsten. Keiner hier bedeutete mir etwas und das würde auch so bleiben. Ich war nur in dieser elenden Stadt um einen Fall oder mittlerweile zwei zu lösen und dann würde ich zurück in den Outback verschwinden. Irgendwo zwischen dem endlosen, roten Sand, den in der Hitze flirrenden Hügeln und dem strahlend blauen Meer, während man in der Ferne das Singen der Wale hörte und sah, wie sich ihre großen Flossen aus dem Wasser hoben. Hört sich kitschig an, ist es vielleicht auch. Das war der Ort, den ich als mein Heim auserkoren hatte und das nun seit 70 Jahren.

States of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt