Tag 5

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Für eine Frau war sie groß, vielleicht um die 1.80m und ging mir trotz allem nur knapp bis ans Kinn. Und ihr Blick war stechend, neben den feinen Falten, die sich bereits um ihre Augen gebildet hatten. Ich schätzte sie auf Anfang 30, vielleicht auch älter, je nachdem wie gut sie sich gehalten hatte. Für Sie musste ich wie ein versiffter Jungspunt aussehen und das ließ sie mich deutlich spüren. Barat konnte seinen Ausweis nämlich behalten, meiner hingegen wurde ihrem heran gekommenen Partner weiter gegeben, welcher diesen ebenfalls überprüfte. Sein Schulterzucken, wenn auch widerwillig, in ihre Richtung, entschärfte die Situation nicht im Geringsten.

„Was zur Hölle tun Sie hier?"

Diese Frage wäre einfach zu beantworten gewesen, hätte ihre Betonung nicht auf dem Sie gelegen und mich somit noch einmal offensichtlich beleidigt. Ich ignorierte es, genau so wenig wie ich Ihnen den Gefallen tat, nach meiner Karte zu greifen oder danach zu fragen

„Leider ist es mir nicht erlaubt irgendwelche Fragen zu beantworten, wie Sie wissen", war wohl die eine Standartantwort, die ich zu oft gab und dafür immer einen unterschwellig genervten Blick bekam. Ihrer war so offensichtlich frustriert und angefressen, dass ich sogar überrascht war meine Karte nicht an den Kopf geworfen zu bekommen.

„Haben Sie irgendetwas am Tatort verrückt?", hakte ich nach und wurde nach wie vor durchdringend angestarrt. Ich hätte vielleicht doch mit dem Sombrero aufkreuzen sollen, immerhin hätte es die Situation für mich etwas lustiger gestaltet.

Ungerührt erwiderte ich ihren Blick von oben und wartete, wartete, wartete. Für alle Umstehenden musste dies ein absurdes Schauspiel sein, aber hier ging es um Machtdemonstration und ich würde mich von dieser im Gegensatz zu mir jungen Frau sicherlich nicht...

„Sorry, Petters, sie wurden mir eben bestätigt. Die zwei sind wirklich vom SEE", ihr Partner war ein älteres Semester, Mitte vierzig, aufgegangen wie eine Dampfnudel und sein Gesicht war von roten Stressflecken bedeckt. Er roch nach Fett und Zucker, was er sich beides offensichtlich zur Genüge reinstopfte. Das Haar an seinem Hinterkopf wurde licht und es ihm, zusammen mit dem Doppelkinn, die Attraktivität eines Wahlrosses verlieh.

Sie schnaubte, setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und wandte sich einfach so von mir ab. „Bis auf die Balken nicht, nein."

Es war lange her, sehr lange, dass ich mich, obwohl ich gewonnen hatte, wie der Verlierer fühlte. Ihr Partner, dessen Namen wieder vergessen hatte, hielt nach wie vor meinen Ausweis in der ausgestreckten Hand. Dieser hing zwischen ihm und ihrer vorigen Position in der Luft, da sie uns einfach hatte stehen lassen. Miststück.

Angefressen schnappte ich danach, was ihn überrascht zusammen zucken ließ und steckte ihn in meine Hosentasche.

„Die Tür war bereits aufgebrochen?", hakte ich weiter nach und bekam daraufhin nur ein wirsches Kopfschütteln. Auch wenn sie mir den Rücken zugewandt hatte und sich selbst erneut den Tatort genau ansah, ignorierte sie mich immerhin nicht.

Betriebsamkeit hatte sich wieder eingestellt, kaum dass unser Spektakel geendet hatte und jeder ging seiner Arbeit nach. Und genau das war störend.

„Ich brauche fünf Minuten alleine am Tatort."

Damit hatte ich mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gesichert, als sie sich zu mir drehte und mich fassungslos ansah. Und egal wie lädiert und heruntergekommen ich war, trotz allem strahlte ich nach wie vor mehr Macht und Stärke aus, als...

„Nein."

Sie widersprach. Sie widersprach mir einfach so... und das musste ich ihr hoch anrechnen. Die Wenigsten wagten es, nachdem sie mich überprüft hatten, noch das Wort gegen mich zu erheben.

States of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt