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Eigentlich hatte sie gedacht, dass er sich alle Zeit ließ, nur um sie weiter zu provozieren. Stattdessen standen sie nach einem schnellen Marsch, der ihr die Luft aus der Lunge trieb, in seinem Hotelzimmer. Turner schlug die Tür hinter sich zu, machte keinerlei Anstalten das Licht anzuknipsen und bewegte sich durch die Dunkelheit in sein Badezimmer. Ally konnte kaum die Hand vor Augen sehen und fragte sich ernsthaft, wie er ohne gegen eine Wand zu laufen so zielstrebig vorankam.

Er war ihr nicht geheuer, sie hielt ihn für ein Arschloch, arrogant, selbstgefällig. Einen Säufer und manchmal sogar für gefährlich. Kurz entschlossen knipste sie das Licht an, hörte ihn im Bad hantieren, Rascheln und Wasserplätschern. Die Tür wurde erneut aufgerissen und da stand er. Allys puterrotes Gesicht wurde von dem Handtuch versteckt, welches ihr Turner gegen den Kopf warf. Wütend riss sie dieses von sich und wollte ihn gerade anfauchen, als sie sich an ihren Worten verschluckte.

Er war nackt, sie war sich sicher. Ihr Herz setzte hart ein und sie atmete nur stockend, während ihr Körper von einer Hitzewelle ergriffen wurde. Sie hustete und konnte ihr weit aufgerissen Augen nur schwer von seiner Körpermitte losreißen.

„Scheiße, zieh dir was an", bekam sie schließlich heraus und hörte sein amüsiertes Grunzen. Er hatte sich bereits abgewandt und aus seinem ramponierten Gepäck eine Unterhose gezogen. In eben diese schlüpfte er, während Ally sich sehr detailliert die Arme abtrocknete und diese dabei intensiv anstarrte. Wie sie diese Mitzwanziger hasste.

Nun konnte sie sich nicht einmal mehr vorstellen, dass er seinen kleinen Schwanz durch das zu große Ego kompensierte.

Erwartend saß er auf dem Bettrand, wie aus dem Nichts, war spärlich bedeckt und wischte sich gerade die Haarsträhnen aus dem Gesicht, als Ally dazu bereit war ihn anzusehen. Ihr Stolz verbat ihr sich von ihm weiter provozieren zu lassen. Dass er in eben diesem Moment aber wie ein für Frau gebackener Adonis aussah, das traf sie hart. Sie war sich bereits bewusst gewesen, dass er attraktiv war, nur halfen der Gestank, sein herabgekommenes Auftreten und der Charakter darüber hinweg. Nun, beinahe geduscht und frisch, hätte er aus einem Katalog entsteigen können. Der schönste Mann im Bush – wilde Liebe im Outback – weiteres auf Seite 13.

Ally wickelte sich in das Handtuch, sah von Turner weg und sie erstarrte, als sie das Chaos um sich herum zu fassen bekam. Sein Zimmer war bei ihrem letzten Besuch bereits unaufgeräumt gewesen, mittlerweile schien es aber, als sei ein Krieg ausgebrochen. Überall lag Papier herum, die Wand gegenüber des Betts war bedeckt von Beweisen, Schlussfolgerungen und Zeugenfotos. Dazwischen lagen Klamotten, Alkoholflaschen und... war das eine leere Blutkonserve? Einige der Blätter waren von einer roten Farbe durchtränkt und gerade als Ally sich den Plastikbeutel genauer ansehen wollte, wurde sie von einem Räuspern unterbrochen.

„Was willst du, Petters?", fragte Turner, hatte sich auf seinem Bett zurück gelehnt und sah sie auffordernd an.

„Was zur Hölle ist bei dieser Sekte passiert?", fragte sie, stand nach wie vor verloren im Raum und wollte sich doch nirgends hinsetzen. Alles schien dreckig, außerdem gefiel es ihr von oben auf ihn herab zu sehen.

„Du hast dich ganz alleine zu diesen Freaks aufgemacht, nachdem du mich beinahe erschossen hättest. Dann haben sie dir irgendwas gegeben und wollten dich irgendeinem Gott opfern. Ich hab währenddessen die ganze Arbeit erledigt, versucht Beweise zu sammeln und dich da schlussendlich rausgebracht", erklärte er knapp und grinste sie wie das größte Arschloch der Welt an.

Ally ballte ihre Faust und hätte ihm am liebsten den hübschen Hals umgedreht. Seine Augen glänzten im Licht und das Blau schien dunkler, von roten Adern durchzogen.

„Oh natürlich. William Turner, der große Retter und erstklassiger Agent", spuckte sie die Worte aus und er zog eine Augenbraue hoch.

„Was willst du hören?", fragte er und hätte nicht desinteressierter wirken können.

„Wieso sind diese Seiten mit Blut getränkt?", fragte Ally aus dem Nichts und warf ihn damit tatsächlich aus der Bahn. „Warum sind all diese Indizien nicht im Büro?", hakte sie weiter nach und musste einen klaren Gedanken fassen. Sie wusste ja selbst nicht, was sie von ihm erwartet hatte. Vielleicht etwas Empathie, mit ihr Szene um Szene durchzugehen, damit sie sich sicher sein konnte, dass diese Alpträume bloße Hirngespinste waren. Egal wie surreal sie erschienen. Damit sie wieder schlafen konnte.

„Du bist von dem Fall abgezogen", sagte er knapp und Ally warf ihm einen scharfen Blick zu. Es wäre so schön gewesen, hätte ihn der Blitz in jenem Moment getroffen.

„Wie kam es, dass diese Sekte kein 24 Stunden später abgebrannt wurde, bis auf die Grundmauern", hakte sie weiter nach und beobachtete ihn aufmerksam. Sein Gesicht war meist kalt, nicht etwa arrogant, sondern eher starr. Turner war für sie ein Buch mit sieben Siegeln, hatte von Anfang an falsch gewirkt. Und von seinem brillanten Spürsinn hatte sie bisher nichts mitbekommen. Allerdings befriedigte es sie ungemein, als seine Augenbrauen sich minimal anhoben und er doch erstaunt wirkte.

Sich die Blöße zu geben und nachzufragen, tat er nicht.

„Du bist von dem Fall abgezogen", wiederholte er und brachte sie damit nur noch mehr zum Kochen.

Ally beschloss ihn zu ignorieren und wandte sich interessiert seiner Wand zu. Wie viel er mittlerweile an Informationen gesammelt hatte, irritierte sie. Vor allem, da sie manches davon noch nie zuvor gesehen hatte.

Gerade als sie näher treten wollte, um seine Einträge und dazu gekrakelten Ergänzungen unter den bekannten Steckbriefen zu lesen, wurde sie zurück gedrängt. Turner hatte sich geschmeidig zwischen ihr und der Wand aufgebaut, seine Hand auf ihrer Schulter, welche durch den Stoff hindurch kalt auf ihrer Haut brannte. Sie schreckte tatsächlich zurück, überrascht wegen seiner Geschwindigkeit, vor allem wie lautlos er sich bewegt hatte.

Sein Blick war warnend: „Du bist von dem Fall abgezogen."

Erneut wiederholte er sich und trieb sie damit in den Wahnsinn. Sie war als seine Partnerin vorgesehen gewesen und doch hatte er hier Informationen versteckt und selbst ihr vorenthalten.

„Was ist in dieser Sekte passiert?", fragte sie erneut und er öffnete seinen vollen Mund. Sie wusste nicht, ob sie ihm seinen Hals umdrehen oder über ihn herfallen wollte.

„Petters...", begann er erneut, dieses Mal mit sanfterer Stimme und sie war sich sicher, dass er sich nur wiederholen würde.

„Nein, nein, nein. Wehe. NEIN. Das kann nicht alles sein. Es kann nicht", steigerte sie sich in Rage und fühlte sich gleichzeitig völlig hilflos. Turners teilnahmsloser Gesichtsausdruck nahm ihr dabei beinahe allen Wind aus den Segeln.

Sie schlug seine Hand weg: „Mich würde interessieren, was Shaun wohl von deiner privaten Fährtenjagd hält." Diese Drohung traf und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Nur schwer konnte sie sich von seinem Blick losreißen, irgendetwas lag darin, was sie beängstigte, es ihr aber auch unmöglich machte sich loszureißen.

„Lass es mich dir erklären", flüsterte seine Stimme sanft, direkt an ihrem Ohr, als würde er dicht neben ihr stehen. Sie schauderte, stolperte plötzlich über die eigenen Beine. Ihr Mund stand offen, sie konnte sich nicht rühren, fühlte sich gefangen und gleichzeitig warm und leicht.

Allys Fuß blieb an etwas am Boden hängen und gerade so konnte sie ihr Gleichgewicht halten. Der Moment riss ab und sie hob drohend ihren Finger, was eher lächerlich erschien. Es sollte ihn auf Distanz halten.

Er wolltenach ihr greifen und sie entschlüpfte ihm, bevor er sie anfassen konnte. Allywandte sich um, riss die Tür auf und rannte. Sie wusste selbst nicht wieso.    

States of BloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt