8. Kapitel

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„Wann fliegt ihr wieder zurück?"
Wir sitzen wieder auf dem Boden, diesmal mit veganen Wraps in der Hand, weil Mitch entdeckt hat, dass es um die Ecke ein veganes Restaurant gibt.
Lucia musste mal wieder das Essen holen, weil sich Mitch und Scott in ihrer Rolle als Undercover-Agenten überraschend wohl fühlen.
„Erstmal fliegen wir weiter nach Island", antwortet Scott.
Mitch nickt verträumt und Lucia und ich tauschen mal wieder einen unserer Blicke aus.
Die Beiden sind aber auch zu süß.
„Die eigentliche Frage müsste sein, wann du wieder zurückfliegst", grinst Mitch dann.
Ich erstarre.
Eigentlich schien es mir offensichtlich, dass ich wieder in die USA zurückkehren werde, einfach, weil ich noch nicht damit abgeschlossen habe, weil ich ohne mein Wissen zurückgeflogen wurde, weil ich Fotos für Pentatonix machen muss, aber als er es ausspricht, wird mir klar, dass das nicht so einfach geht, wie ich bis jetzt angenommen habe.
„Ich möchte kurz hinzufügen, dass du Lucia mitnehmen musst", wirft Scott ein, „Sonst schmeißen wir dich gleich wieder raus."
„Ich hatte nicht vor, sie wieder alleine zu lassen", meine ich mit einem schiefen Grinsen.
Lucia verzieht das Gesicht.
„Ändert eure Meinung mal lieber, sonst bleibt Amari die nächsten drei Jahre hier."
Entgeistert starren wir sie an.
„Ich fange in zwei Monaten mit meiner Ausbildung zur Maskenbildnerin an. Ich habe gestern Abend die Bestätigung bekommen."
Begeistert werfe ich meine Arme um sie.
„Das ist doch fantastisch!"
Auch Mitch und Scott gratulieren ihr, doch nach wenigen Sekunden bemerke ich, dass wir dadurch schon wieder ewig voneinander getrennt sein werden, denn mich hält nichts in Deutschland, ganz im Gegenteil.
Hier gibt es viel zu viele Erinnerungen, und Amerika schreit förmlich danach, mich wieder bei sich zu haben.
„Kannst du das nicht als Fernausbildung machen?", fragt Mitch halbherzig.
„Sonst bildet dich bestimmt auch Nicole aus, die ist ein Meister ihres Faches", schlägt Scott begeistert vor.
Ich kann spüren, wie sehr Lucia es lieben würde, weiterhin mit Scott und Mitch direkten Kontakt zu haben, doch ich weiß, dass sie ihre Zukunft viel zu gerne im Griff hat und nie im Leben spontan nach Amerika ziehen würde, ohne zu wissen, was dort geschehen wird.
„Oder Pentatonix kauft sich ein Privatjet und dann kommen wir dich jedes Wochenende besuchen", meine ich grinsend.
„Genau! Wir können auch alle zusammen bei Amari einziehen. Du hast doch jetzt eine riesige Wohnung."
„Ich wusste es! Insgeheim ist Amari ein riesiger Star hier! Deswegen konnte sie sich auch die Tour und natürlich auch eine eigene Wohnung leisten", ruft Mitch triumphierend.
Kurz bin ich verwirrt, doch dann fällt mir auf, dass sie es gar nicht wissen können.
„Meine Mutter hat sie mir vererbt."
Trotz der Musik, die wir im Hintergrund laufen haben, wird es auf einmal still.
Auch, wenn ich das Wort nicht ausgesprochen habe, nicht gesagt habe, dass sie tot ist, wissen sie es jetzt. Und dem Schweigen nach zu urteilen sind sie nicht sehr begeistert davon.
„Wieso sagst du das erst jetzt? Amari, das tut mir so leid!"
Mitch springt auf und umarmt mich.
„Es ist passiert, als ich drei war, ich kann mich fast gar nicht mehr daran erinnern", wehre ich halbherzig ab.
„Was sagt dein Vater dazu?"
Mir ist klar, dass Scott es nicht wissen kann, und doch tut es weh.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Lucia das Gesicht verzieht, als ihr klar wird, dass ich Pentatonix noch nicht viel von meiner Vergangenheit anvertraut habe.
„Mein Vater ist nach meiner Geburt abgehauen, und die Person, die ich für meinen zweiten Vater gehalten habe, hat bei dem Anschlag in Frankfurt versucht, mich umzubringen."

Portrait (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt