17. Reiten (1) (siebtes Türchen)

202 9 0
                                    

"Sehr gut. Und das macht ihr jetzt ganz oft, immer wieder. Bis ich damit einverstanden bin und wir weitermachen können."

Der Kies unter meinen Hufen knirscht, als ich neben Mika herlaufen, auf dem Weg zum See. Der See, in dem Mika balancieren gelernt hat.

Ich weiss nur ungefähr, was heute passiert. Heute ist der Tag, auf den Mika und ich schon sehr lange gewartet haben. Heute darf sie aufsteigen. Heute darf Mika das erste mal auf meinem Rücken sitzen. Heute ist der Tag gekommen.

Nach einiger Zeit biegen wir nach links in einen Pfad ein, und schon nach ein paar Metern sehe ich den glitzernden See. Das Wasser ist Glasklar, blau und es glitzert, wie tausend Sterne am Himmel. Etwas weiter hinten sieht man die Sonne, wie sie im Wasser gespiegelt wird.

Herr Kaan holt sich aus seiner Jackentasche einen roten Apfel, beißt hinein, setzt sich auf einen Baumstumpf, nickt uns zu und gibt uns mit dem Zeigefinger zu verstehen, dass wir jetzt in den See gehen sollen.

In den See? Wieso? Wir wollen doch nicht baden gehen, sondern reiten?! Aber Mika lächelt mich an und meint:"Keine Sorge, Ostwind. Wir laufen einfach nur so weit, wie du stehen kannst und dann klettere ich auf deinen Rücken. Im Wasser fällt es mir leichter."

Okay. Also Ostwind, du schaffst das. Denk immer daran, Mika muss aufsteigen, du musst sie nur tragen.

Der erste Schritt in Richtung See. Mit gemischten Gefühlen mache ich neben Mika einen weiteren Schritt vorwärts und jetzt berührt das Wasser meine Hufen und lässt sie dunkler erscheinen.

Noch ein Schritt. Jetzt reicht mir das Wasser bis zu den Knöcheln.

Weitere zwei Schritte und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie Mika auf ihrer Unterlippe herum kaut.

Beim nächsten Schritt geht mir das Wasser fast bis zum Bauch. Was, wenn das doch keine gute Idee war und wir vielleicht doch lieber umkehren und noch ein paar Boden Übungen machen sollten?

Noch zwei Schritte und es gibt kein zurück mehr. Der Wasserspiegel liegt auf der Höhe vom Hals Anfang und Mika ist bis zur Brust vom Wasser bedeckt. Ihr pinkes T-Shirt scheint lila, ihre Haare noch röter als eh schon.

Jetzt atmet Mika noch ein letztes Mal tief ein und aus, legt ihr Bein um meinen Rücken, lächelt mich nochmal aufmunternd an und zieht sich hoch. Ich warte noch, bis Mika richtig sitzt, dann drehe ich mich einmal, sodass ich jetzt in den Wald sehe und schreite aus dem Wasser heraus. Mit jedem einzelnen Schritt sinkt der Wasserspiegel merklich und ich fühle mich königlich, als meine Hufen das letzte bisschen Wasser hinter sich lassen. Mit hoch erhobenem Kopf und gestreckten nebeneinander aufgestellten Beinen stehen ich da und spüre förmlich, wie sich Mika auf meinem Rücken mindestens genauso stolz fühlt, wie ich, dass ich die Ehre habe, sie tragen zu dürfen.

Ich schließe langsam meine Augen und sehe mich vor meinem inneren Auge, wie Mika, die Profireiterin den Reitwettberb gewinnt und ihren ersten Pokal bekommt.

Ich öffne sie wieder und Herr Kann bedeutet uns, wir sollten zurück zum Wohnwagen. Mit Mika auf ihrem Pferd. Auf mir.

________________
#7
Love you💕

Ostwind-Wieso versteht mich keiner?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt