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Mildes Sonnenlicht strahlte durch das Balkonfenster am anderen Ende des Raumes. Der Geruch von Fliesenreiniger und Luftauffrischer lag in der Luft. Schlaftrunken nippte ich an meinem Tee, der durch das lange Warten schon kalt geworden war. Ich vernahm das Brutzeln von heißem Öl aus dem Nebenraum. Geschirr klirrte und klimperte, bevor die Küchentür geöffnet wurde und mein Vater herauskam. Mit einem frischen Windzug gesellte er sich neben mich und reichte mir zwei Stäbchen. Eine Schüssel Reis und gebratenes Gemüse wurden mir vor die Nase gehalten. "Dankeschön, Appa.", murmelte ich und nahm das Essen entgegen. Er schaute mit einem Grinsen zu mir herüber. "Hast du nicht gut geschlafen?", wollte er wissen. Ich nickte langsam, während ich die Stäbchen neben die Schüssel legte und gähnte. Sein Lächeln verschwand, als ich die Schüssel leicht von mir schob. "Hast du keinen Hunger, Kairi?", vernahm ich seine Stimme. Ich schüttelte den Kopf, da ich zu müde war, um etwas zu essen. Erregt begann er mit seiner täglichen Predigt über meine Gesundheit: "Du musst doch etwas essen. Dein Körper braucht die Energie - gerade wenn du so erschöpft bist, Kairi!" Ich seufzte und zog die Schüssel zurück. In diesem Zustand konnte ich keine Diskussionen führen. Lieber aß ich das Frühstück, während mein Verstand noch in meinem Bett feststeckte. Ich genoss die restlichen Minuten, die mir blieben, bis ich mich auf den Weg zur Schule machen musste. "Dein Tanzverein hat mir eine E-mail geschickt.", er legte seine Stäbchen auf den Rand der leeren Schüssel. Ich wandte mich ihm zu, wobei ich ihm mit meinem Blick bedeutete fortzufahren. Sich räuspernd stützte er die Hände auf dem Schoß ab: "Deine Tanzlehrerin hat kurzfristig die Tanzschule verlassen. Ich habe mich schon erkundigt, aber noch keinen Ersatzkurs gefunden, in dem Platz für dich ist." Meine Aufmerksamkeit war bei den Worten, welche er soeben ausgesprochen hatte, wieder völlig bei ihm angelangt. War das ein Scherz? Ich konnte nicht mehr tanzen?  "Gibt es keine andere Tanzschule bei der du mich anmelden könntest?", kam es sofort aus meinem Mund heraus. Auf einmal war ich so wach wie noch nie.  Ich tanzte seit fast zehn Jahren und konnte mich garnicht mehr an den Tag erinnern, an dem ich meine Leidenschaft dafür entdeckt hatte. Da konnte ich doch nicht einfach aufhören. Mein Vater kratzte sich am Hinterkopf und fuhr fort: "Ja, die gibt es bestimmt und du hast Recht, ich hätte dich anmelden können. Aber ich habe eine bessere Idee: Wie wäre es wenn du Nachmittags erstmal im JYP-Gebäude trainierst? Dann bist du auch gleich in meiner Nähe. Das klingt doch gut, oder nicht?" Ich blieb still. Ich sollte im JYP-Gebäude tanzen? War das nicht genau der Ort, den ich meiden musste? Was wäre, wenn mich Paparazzis sehen würden? Es wusste doch keiner das ich Park Jin-youngs Tochter war, da ich abseits von den Medien aufgewachsen war und meine Identität stehts geheimgehalten wurde. So würden doch sicherlich Fragen aufkommen, wer ich war?  "Theoretisch ist das kein Problem, aber was ist mit den Medien. Was ist wenn ich gesehen werde und die Leute wissen wollen wer ich bin, Appa?", fragte ich erneut. Mit einem letzten Bissen hatte auch ich meine Schüssel geleert und legte die Stäbchen beiseite. Er schnappte sich das Geschirr und stand auf. "Darum kümmere ich mich schon. Und wenn jemand in der Schule fragt, sagst du, dass du bei JYP ein Praktikum machst.", meinte er auf dem Weg zur Küche. Also stellten seiner Meinung nach die Medien in dieser Situation nicht das Problem dar. In der Schule hatte ich nicht viele Freunde. Ehrlich gesagt garkeine, sodass dort logischer Weise keine Fragen aufkommen sollten. Er kam mit eiligen Schritten zurück ins Esszimmer und sagte: "Natürlich werde ich dich schnellstmöglich bei einem neuen Tanzverein anmelden. Jetzt muss ich erstmal los, du sicherlich auch gleich." Zustimmend stand ich von meinem Platz auf und umarmte ihn schnell. Nachdem er mir einen Kuss auf den Scheitel gegeben hatte, ließ er mich frei. "Ich hab dich lieb, Appa. Geh schon, sonst kommst du zu spät, zu was auch immer heute bei dir ansteht.", sprach ich und schaute zu ihm hoch. Er strich mir über den Kopf und antwortete dann: "Ich hab dich auch lieb, Kairi. Pass auf dich auf! Du findest doch alleine zum JYP-Gebäude, oder?" Eifrig nickte ich ihm entgegen. "Glaubst du ich weiß nicht, wo mein Vater arbeitet, obwohl er so erfolgreich in seinem Beruf ist?!", schimpfte ich gespielt beleidigt und verabschiedete mich anschließend von ihm. Etwas motivierter, als vor einer halben Stunde, begann ich selbst mich fertigzumachen. Das konnte was werden! Eigentlich stimmte es auch, dass wahrscheinlich niemand bemerken würde, was er die letzten sechzehn Jahre verheimlichte, immerhin gingen dort, wie mir jetzt einfiel, ja täglich Trainees, Idole und  Angestellte ein und aus. Zugegeben war ich schon etwas nervös bei dem Gedanken, später in das Unternehmen meines Vaters hineinzuspatzieren und in einem Tanzraum zu trainieren, obwohl ich kein Idol war. Ich selbst kannte keines der Kpop Idole, die mein Vater managte, beim Namen oder gar persönlich. Mein Vater sprach nur manchmal über seine Arbeit und wenn er die Idole beim Namen nannte, vergaß ich diese auch gleich wieder. Lediglich die Boygroup GOT7 war mir wirklich bekannt, da mein Vater sie schon seit eineigen Jahren in seinem Unternehmen hatte und die Medien hin und wieder auch von ihnen berichteten. Ich schnürte mir in Windeseile die Schnürsenkel meiner Schuhe zu und verließ das Apartmant, wie sonst immer nach meinem Vater. Heute benutzte ich nicht den Fahrstuhl - trabte stattdessen die Treppen hinunter. Auf der Straße angekommen, bahnte ich mir einen Weg zur Bushaltestelle. Andere Schüler in Uniform warteten dort schon auf das große Gefährt. Ich stellte mich außer Atem zu ihnen, bis der Bus kam und ich mich auf die anstehenden Stunden Unterricht gefasst machte.

Hidden Face [Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt