Es schellte an der Wohnungstür, als ich mich von der Küchentheke wieder zurück auf den Fußboden gleiten ließ. Mein Vater und ich stellten bei dem Geräusch sofort das Gespräch ein, um zur großen Wanduhr zu sehen. Verwundert blinzelte ich - es war bereits eine halbe Stunde vergangen, seitdem er nach Hause gekommen war und wir beschlossen hatten Essen zu bestellen. Wahrscheinlich hatten wir daraufhin beim Plaudern einfach die Zeit vergessen.
Nachdem ich mir das Geld von der Theke gefischt hatte, hüpfte ich zur Küchentür. "Ich gehe dann mal das Abendessen holen.", verkündete ich. Die Scheine wedelte ich zum Abschied in der Luft.
Bevor die Küchentür ganz hinter mir verschwand, vernahm ich noch sein herzhaftes Lachen und wie eine Schranktür geöffnet wurde.
"Zwei Pizzen für Familie Park. Salami und Thunfisch, richtig?", erkundigte sich der schlankwüchsige Lieferant, dessen Motoradhelm an seinem schmalen Handgelenk hinabbaumelte. Wäre das Logo des Lieferservices auf dem gelben T-Shirt nicht gewesen, hätte man ihn mit den zerstrubbelten Haaren und den Grübchen für einen Schüler halten können. Da das Schulleben in Korea aber nicht wirklich viel Zeit für einen Nebenjob bot, beließ ich es dabei und vertiefte das Thema nicht noch, indem ich mich fragte, ob ich ihn möglicherweise schon einmal in meiner Schule gesehen hatte. "Richtig.", meinte ich. Er reichte mir die beiden Kartons und ich ihm das Geld. "Den Rest kannst du behalten." Mit einem dankbaren Nicken wandte er sich zum Gehen ab. Bis ich die Verpackungen gründlich nach ihrem Inhalt untersucht hatte, war er bereits nicht mehr zu sehen. Weil jedoch alles in ihnen so aussah, wie es sollte, konnte ich auf eine Wettrennen zur Haustür verzichten.
Der Geruch von Käse und Tomatenmark stieg mir in die Nase und ich war mir sicher, dass in mindestens einer Minute das halbe Apartment nach unserem Abendessen riechen würde. Und in einer Viertelstunde würde ich die Hälfte der Pizza vernichtet haben und mich über meinen vollen Bauch und eben diesen überflüssigen Geruch nach Essen beschweren. Jetzt allerdings, obwohl ich während dem Schauen des Films eigentlich genug gegessen hatte, schmachtete es in mir nach einer richtigen Mahlzeit.
"Bin wieder da!", posaunte ich. "Hoffe du bist nicht verhungert, während ich weg war." Mein Vater stand mit zwei gefüllten Gläsern am Esstisch und warf mir bei diesen Worten einen tadelnden Blick zu. Das Lächeln auf seine Lippen, veriet allerdings, dass er sich genauso amüsierte, wie ich es tat. Grinsend gesellte ich mich zu ihm und reichte ihm die nach Salami duftende Box. "Gomawo.", er schob noch eins der Gläser mit Wasser zu mir herüber, bevor er ebenfalls seinen Karton öffnete und begann zu essen.
Nach zwei Stücken Thunfischpizza entschied ich mich, dass Gespräch von eben weiterzuführen, da es gerade spannend geworden war, als es an der Tür geklingelt hatte. Mit einem Schluck Wasser war der letzte Bissen hinuntergeschluckt und ich konnte endlich sprechen: "Bist du denn Stolz auf Stray Kids?"
Zuerst hob er verwundert den Kopf an, ließ dann jedoch den Rand seiner Pizza sinken, um zu antworten: "Natürlich bin ich das. Ihr Debut war erfolgreicher, als wir alle vermutet haben und momentan geht es auch nur bergauf."
Staunend nickte ich. Aber eine Sache, schien mir noch unklar. "Ich habe gestern einen Artikel gelesen.", meldete ich mich nach einer kurzen Pause wieder zu Wort. "Stimmt es, dass sie durch eine Survival Show beinahe nur zu siebt debütiert hätten?"
Bei dieser Frage sog mein Vater scharf die Luft ein. "Also.", hustete er. "Daran erinnere ich mich nur ungern. Es war eine schlimme Zeit für die Jungs und ich bereue mittlerweile, es ihnen so schwer gemacht zu haben. Nachdem die Neun zusammen gefunden haben, schien eine Fernsehshow der einfachste Weg zu einem Debut zu sein, wenn man beachtet, dass Trainees so lernen mit den Problemen umzugehen, die sich ihnen nachher stellen werden." Das Thema schien ihm wirklich unangenehm zu sein. Sein Blick war auf die Tischplatte geheftet und er seufzte, als läge ihm ein großer Stein auf dem Herzen, deshalb suchte ich schnell nach etwas anderem zum Reden. "Weißt du was?", sein Kopf schoss in die Höhe und er musterte mich mit verdutztem Gesichtsausdruck. "Lass uns doch, wenn die nächsten Feiertage anstehen oder in der Woche, wo Abends sowieso weniger Leute unterwegs sind, gemeinsam etwas unternehmen!" Seit ich lebte, hatte es fast keinen einzigen Tag gegeben, an dem ich mit ihm einen Familienausflug gemacht hatte. Die Nationalfeiertage hatten wir mit der Familie zu Hause verbracht und sonst waren meine Begleiter das Kindermädchen oder meine Mutter gewesen, aber die gab es jetzt ja beide nicht mehr. Für ein Kindermädchen war ich mit sechzehn zu alt und meine Mutter hatte uns vor Jahren verlassen. Eine weitere Sache war jedoch ebenfalls vor kurzem aus meinem Leben verschwunden: Die Regeln, die das Dasein als Tochter eines Berühmten Unternehmers voraussetzte. Zumindest solange nicht herauskommen sollte, dass man miteinander verwandt war.
Und deshalb stand all dem, was uns früher Probleme bereitet hatte, nun nichts mehr im Weg.
Zuerst hatte ich zwar behauptet, es langsam angehen zu wollen, doch um ehrlich zu sein, hätte ich am liebsten direkt alle Dinge mit ihm unternommen, die ich in meinem Leben verpasst hatte. Es würde letztendlich keinen Unterschied machen, ob ich mit ihm beim Spazierengehen oder während dem Besuchen eines Freizeitparks gesehen wurde, wenn immer jemand da war, der etwas mitbekommen und weiterzählen konnte.
"Bist du sicher, dass du das jetzt schon willst?... Sei dir bitte bewusst, dass es nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, wenn es einmal passiert ist.",
entgegnete mein Vater auf meinen Vorschlag.
Ich schüttelte feste den Kopf. "Appa, ich möchte das wirklich! Ich bin schon sechzehn. Wie lange glaubst du, werde ich noch hier sein? In meinem Alter hätte ich schon so vieles mit dir erlebt haben sollen...", am Ende plazierte ich meine Ellebogen auf der Tischplatte und sah mit einem Seufzer in seine Richtung.
Er betrachtete mich für einen Moment. Dann wandte er nickend den Blick ab. "In Ordnung. Ich werde in meinen Terminkalender schauen. Meinetwegen können wir aber gerne diesen Sonntag etwas unternehmen. Deine erste Tanzstunde findet am Samstag Vormittag statt, richtig?" Ich nickte strahlend: "Ja, das tut sie. Dann können wir Sonntag Abend etwas unternehmen. Worauf hättest du denn Lust?"
Das nächste Stück Pizza fand seinen Weg in meinen Mund und ich malte mir in Gedanken schon einmal aus, was man alles für Sachen machen konnte. Als mir jedoch ein Fehler bewusst wurde, den wir mit der Wahl des Tages gemacht hatten, vergaß ich beinahe wie man zu kauen hatten.
"Wie wäre es mit...", begann mein Vater, bevor ich ihn unterbrach. "Sonntag haben doch gar keine Geschäfte auf und an Feiertagen auch nicht! Wie dämlich, dass ich das nicht bedacht habe. Dann bleiben uns nur noch die Tage in der Woche, in denen Seoul total voll ist..." Ich wunderte mich selber, darüber wie mir das nicht früher eingefallen war, aber da meldete mein Vater sich wieder zu Wort: "Sonntag ist immer noch eine Option, Kairi. Natürlich wenn du nichts gegen Restaurants hast?" Restaurants waren Abends in Südkorea zwar immer gut besetzte Orte und ich war mir sicher, dass es in einem Lokal nicht lange dauern würde, bis mein Vater erkannt wurde, aber das hatte ja jetzt nichts mehr zu bedeuten. Ich erinnerte mich an meine Entscheidung zurück. Sorgen und zu viele Gedanken waren etwas, das ich mir nun nicht mehr zu machen brauchte, auch wenn diese Situation sich so ungewohnt anfühlte.
"Gut. Dann besprechen wir weiteres am besten Morgen. Und du willst wirklich sofort alle Vorsichtsmaßnahmen beiseite legen?", hakte er noch einmal nach. Ich nickte kräftig zur Bestätigung seiner Frage. Meine Gedanken fuhren währenddessen allerdings in eine andere Richtung, wenn nicht sogar rückwerts. Wie mein Leben aussehen würde, nachdem unsere Verwandschaft bekannt gegeben worden wäre, konnte ich mir schon vorstellen. Die Blicke die auf einem lasten würden, sobald man das Haus verließ. In der Schule war ich sie bereits gewohnt, wegen meinem Ruf als Einzelgänger und seit kurzem auch wegen Shiwon. Doch ein Frage hatte sich wie ein Wurfhaken in meinem Kopf festgekrallt und wollte nicht mehr loslassen. Würde es Stray Kids und meine Freundschaft beeinflussen?
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Hidden Face [Stray Kids FF]
FanfictionKairi Parks wahre Identität wurde ihr Leben lang vor den Medien verheimlicht, um ihr eine normale Jugend zu ermöglichen. Dies nur weil ihr Vater, Park Jin-young, der Eigentümer des berühmten Unternehmens "JYP" und somit erfolgreicher CEO ist. Länger...