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Wir schauten uns lange in die Augen, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Zu lange, denn in dieser Zeit verloren wir beide den Überblick über das Geschehen. Ein Schatten sauste durch die Gasse und ich wollte mein Gegenüber warnen, doch es war bereits zu spät. Im selben Moment, in dem ich nach Luft schnappte, um eine Warnung auszurufen, holte Shiwon zum Schlag aus. Es traf Jeongin knapp unter der Schläfe, woraufhin dieser zurücktaumelte.
Er war genauso unvorbereitet gewesen wie ich. "Niemand wagt es dieses Spiel zu unterbrechen,", zischte Shiwon in die Dunkelheit. Als er erneut den Arm hob,sprang ich auf. Zumindest soweit es mir auf den wackeligen Beinen gelang.
Jeongin machte keine Anstalten sich zu wehren oder gar wegzulaufen. Shiwons Faust kam in Berührung mit dem Gesicht des Kleineren, bevor ich einschreiten konnte.
" aber du...", er packte Jeongin am Kragen seines Hoodies. "... du wagst es einfach. Bist du eigentlich Lebensmüde?"
Meine Hand erreichte Shiwons Schulter und ich schubste ihn mit all meiner Kraft von Jeongin fort. Mit einem beklemmten Gefühl in der Magengegend schrie ich los: "Fass ihn nicht an!"
Shiwon hatte kein Recht Jeongin zu schlagen, geschweige solange dieser sich nicht verteidigte. Er strauchelte und ließ kurzzeitig von meinem Kumpel ab. Dies war das einzige, was ich damit hatte erreichen wollen.
Nicht eine Sekunde nachdem ich ihn geschubst hatte, kam er wieder in Gleichgewicht und sein eiskalter Blick begegnete mir. Ich wusste, dass die Entscheidung selbst einzugreifen, für meine eigene Gesundheit keine guten Voraussichten bot, allerdings war es mir gerade gleichgültig.
Shiwon war allein mein Problem und es sollte keiner der mir nahe Stehenden, aufgrund des Spiels zu Schaden kommen. Deshalb hatte ich meinem Vater oder Stray Kids bis jetzt auch noch nicht von der Zwickmühle erzählt, in der ich steckte.
Also musste er Jeongin, einen der wenigen Freunde, welche ich besaß, wortwörtlich aus dem Spiel lassen!
Ich wurde an die Wand gedrückt. Seine Hände auf meinem Hals ließen mich verstummen. Eine einzelne Träne rollte meine Wange hinab, nachdem mein Hinterkopf mit dem Gebäudes hinter mir kollidiert war. "Was hast du eigentlich in den letzten Minuten gelernt?! Willst du unbedingt erleben, wie es weiter geht?", drang seine vor Zorn verzerrte Stimme an mein Ohr. Ich versuchte meine zwischen unseren Oberkörpern klemmenden Hände zu befreien, bewirkte jedoch nur, dass er mich fester an die Hauswand quetschte. Meine Lungen schrien nach Luft und meine Beine versagten mittlerweile ihren Einsatz.
Shiwon schien weitersprechen zu wollen, ließ stattdessen aber plötzlich seinen Ellbogen nach hinten schnellen. Während der wenigen Sekunden, in denen ich genügend Freiraum zum Atmen gehabt hätte, hielt ich diesen selbständig an. Gesehen, was Shiwon vollbracht hatte, konnte ich nicht, doch das dumpfe Geräusch, welches kurz nach dieser Handlung ertönt war, verriet es mir.
Es war Jeongin gewesen, den Shiwon mit seiner Armbewegung zu Boden befördert hatte. Und das dumpfe Geräusch, welches erklungen war, war durch Jeongins auf dem Stein aufprallenden Körper ausgelöst worden.
Geschockt verharrte ich in meinem Befreiungsversuch und konnte einen Blick auf Jeongins Beine erhaschen, da Shiwon sich ebenfalls in seine Richtung gewandt hatte. Es herrschte Stille um uns, sodass ich schon glaubte, mein immer schneller werdender Herzschlag sei nicht mehr nur für mich vernehmbar. Die Tatsache, dass Jeongin sich nicht bewegte, nicht wieder aufstand oder nur vor Schmerzen aufstöhnte, machte mich verrückt. Meine Fingerspitzen begannen zu jucken und kribbeln. Ich wollte hier weg, fort aus diesem Käfig, um zu Jeongin zu gelangen. Selbst dafür zu Sorgen, dass er mich los ließ und verschwand musste ich letztendlich gar nicht. Diese Aufgaben übernahm dann das Echo von Schritten, das aus der Ferne auf uns zukam. Abgelenkt von der heran eilenden Hilfe - solange meine Vermutungen auf eine solche zutraf - bekam ich ich nicht mit, wie sich Shiwon zurück zu mir drehte.
Das Gewicht seines Körpers machte sich wieder bemerkbar, als er mich gegen die Wand presste. "Du hast Glück, dass du heute nicht allein' bist, aber denk nicht, ich würde so einfach aufgeben. Das Spiel hat gerade erst begonnen und ich werde in Zukunft keine Zurückhaltung zeigen, wenn es um das Beseitigen von Störenfrieden geht. Alles, was das Spiel unterbricht, geht später auf deine Kosten. Und noch ein kleiner Tipp:", sprach er und lehnte sich vor. "Wenn du möchtest, dass deine kleinen Freunde nicht so enden, wie er, hältst du besser den Mund. Meine Augen und Ohren sind überall und wir wollen doch nicht, dass unsere Partnerschaft im Spiel endet, bevor sie überhaupt begonnen hat." Er bewegte sich so weit vor, bis seine Lippen mein Ohrläppchen berührten. "Und weist du was?" Ich wartete mit geschlossenen Augen auf seine Antwort. "Du hast die Vorrunde bestanden.", flüsterte er.
Im gleichen Augenblick löste sich die Last von meinen Schultern. Nicht weil er diese Worte aussprach, sondern weil er von mir abließ. Seine Hände von meinem Hals nahm und seine Lippen nicht länger mein Ohr berühren ließ.
Er verschwand in der Dunkelheit und ich sank zu Boden.

Hidden Face [Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt