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Träge horchte ich dem Vogelgezwitscher, welches wohltönend von den Bäumen zu mir hinunterklang. Es schmeichelte meinen Ohren, während ich meinen Blick auf den Schulhof gerichtet hielt. Der Himmel über ihm strahlte blau, ohne dass sich irgendeine Wolke vor die, am Horizont stehende Sonne, schob und ich wusste, dass ich die letzten ruhigen Minuten vor dem ersten Gong zum Entspannen nutzen musste. Danach würde der Unterricht beginnen, was zehn stressige Schulstunden bedeutete. Für manche, wie die wenigen Schüler, die vor dem Gebäude darauf warteten, dass der Unterricht begann, konnten zehn Schulstunden todlangweilig sein. Für mich jedoch waren sie der reinste Stress: Zuhause lernte ich nicht viel - außer ich hatte es wirklich nötig -, sodass ich in der Schule besonders aufmerksam sein musste.
Entweder man passte im Unterricht auf oder man wiederholte den Lernstoff zu Hause!
Deshalb genoss ich die noch bestehende Stille und fuhr die Naht meines Rocks mit den Fingern nach. Ruhe war immerzu angemessen, wenn man so vollgeplant war, wie ich in den letzten Tagen. In den letzten Tagen, war wohl die richtige Bezeichnung. Nach meinem fragwürdigen Verschwinden bei Stray Kids am Vortag, wusste ich nicht, ob mich in Zukunft ebenfalls ein so vollgestopfter Terminkalender, beziehungsweise Tagesablauf erwarten würde. Ohne die Verabredungen mit den Jungs war mein Kalender nämlich nicht ansatzweise so voll. Das einzige, was ich sonst außerhalb der Schule tat, war Tanzunterricht nehmen.
Ich schreckte aus meinem Tagtraum hervor, als sich das Holz der Bank wölbte und jemand neben mir Platz nahm.
Mein Kopf schnellte zur Seite und ich erblickte meinen neuen Sitznachbar. Später hätte ich mir allerdings gewünscht, nicht in seine Richtung geschaut zu haben.
Sein Anblick widerte mich an, obwohl er nicht einmal schlecht aussah. Aber das war nur eine Fassade, hinter der sich sein widerlicher Charakter verbag. Mehr gab es nicht zu sagen.
"Schön sich wiederzusehen.", begann er in einem Ton, den ich nicht deuten konnte.
Die Haare auf meinem Nacken stellten sich auf und ich wurde unsicher.
Als hätte ich nicht wahrgenommen, wandte ich den Blick ab.
Konnte er nicht einfach verschwinden? War meine Geste ein paar Tage zuvor in der Cafeteria nicht deutlich genug gewese? Ich wollte nichts von ihm und seinen Freunden. Ebenso wenig hegte ich Interessen für das Spiel, welches sie spielten.
Warum kam er dann wieder zu mir?
"Hast du darüber nachgedacht?", überbrückte er die Stille zwischen uns. Ich antwortete nicht.
Was hatte ich mir nur gedacht? Dass er ohne Grund herkommen oder zurückgehen würde? Ich war ein Idiot.
Von mehr Bedeutung jedoch, war die Antwort die ich ihm jetzt geben würde.
Damit ich nicht ständig meinen Standort ändern musste, wenn er in meine Nähe kam, war ich verpflichtet ihn geradewegs abweisen.
"Ja. Und meine Antwort lautet 'Nein'.", entgegnete ich. Das ganze hatte nicht im Geringsten so selbstsicher geklungen, wie ich es mir erwünscht hatte. Es schwang sobald ich den Mund öffnete ein unsicherer Ton in meiner Stimme mit. Mein Körper war außer Kontrolle, reagierte wie er wollte. Zitternde Finger und blasse Haut.
Ich atmete tief ein und redete mir Mut zu: Er war nur ein Junge. Ein Jugendlicher, der seinen Gelüsten nachging und aufgrunddessen ein Mädchen wie mich ansprach. Eigentlich klang es gar nicht so beängstigend.
Auch wenn es sich in Wahrheit fiel unangenehmer und beängstigender anfühlte, neben ihm zu sitzen.
Naja, er wusste nun zumindest über meine Meinung bescheid.
Shiwon seufzte und legte beide Arme auf die Lehne der Bank. Einen hinter meinen Rücken, was mich nicht gerade beruhigte. Das Grinsen, welches sich jetzt auf seinem Lippen ausbreitete, zeugte ebenfalls nicht von Liebenswürdigkeit.
"Als ob mich diese Aussage davon abhält, mir zu nehmen, was ich will.", spottete er. Die rechte seiner Hände näherte sich meiner Schulter und drückte mich dann an ihn. Bevor er die Grenze von Körperkontakt überschritt, bei der es bei mir mit Fremden nicht weiterging, machten meine Beine sich selbstständig. Innerhalb einer Sekunde war ich aufgesprungen und brachte einige Schritte abstand zwischen uns.
"Fass mich nicht an.", zischte ich.
Das letzte Mal war ich ihm eher verängstigt und still gegenübergetreten, was nun nicht mehr möglich erschien. Denn auch bei mir gab es Grenzen, die man nicht überschreiten durfte. Hätte er mich nur weiter angesprochen - egal wie widerwertig sein Grund dafür war -, hätte ich ihn versucht zu ignorieren und ihm einfach aus dem Weg zu gehen. Wenn er jedoch Körpernähe suchte, obwohl wir einander Fremd waren, war ich genötigt ihm die kalte Schulter zu zeigen.
Ein Seufzen ertönte von der Bank und sein Kopf hing nach hinten in den Nacken hinab. Kurz darauf schaute er mir wieder entgegen. Das Grinsen, welches er aufsetzte war unheimlich und mir nicht geheuer.
Was dachte er nur in diesem Moment, dass sein Gesicht ein solches Bild zeigte?
Ich wich zurück, als er sich erhob und auf mich zukam. Seine Augen ließen mir eine Gänsehaut auf den Armen entstehen. Sie funkelten wild, nachdem auch das Grinsen von seinen Lippen geschwunden war. Glücklicherweise machte er halt, bevor er erneut die Grenze überschritt. Seine Körpergröße war einschüchternd, da ich ihm bloß bis zu den Schultern reichte. Demgegenüber versuchte ich keine Furcht zu zeigen, indem ich ihm direkt in seine Augen blickte. Er schaute mich kurz emotionslos an. Danach senkte er den Kopf in meine Richtung, sodass sein heißer Atem mein Hals und Ohr streifte. Mit leiser Stimme glitten die Worte über seine Lippen: "Denk nicht im geringsten, ich würde dich so davonkommen lassen. Du gibst Sachen von dir, bei denen ich normalerweise einen Strich ziehe, aber du bist eben anders.
Zu Anfang habe ich gedacht, dass du dich lediglich für besser als die anderen Schüler hieltest und deswegen immerzu alleine bist. Allerdings ist mir klar geworden, wie falsch ich doch lag. Du bist ein Einzelgänger - ein Außenseiter. Wäre es so, wie ich es zuerst vermutet hatte, hättest du dich perfekt in unsre Gruppe eingefügt. Jetzt spielt das aber keine Rolle mehr. Ich habe dich als meine Partnerin gewählt. Daran können weder du noch ich etwas ändern, also finde dich damit ab, dass du in Zukunft Teil unseres Trupps und Spiels bist. Einen Ausweg gibt es sowieso nicht mehr."
Er verschwand aus meiner Sicht und lief davon. Mich ließ er dabei geschockt zurück. All das war viel zu schnell verlaufen. Die Worte von eben hatten in meinen Ohren so irreal geklungen, dass ich mich eigentlich hätte umdrehen müssen, um zu gucken, ob Shiwon wirklich hier gewesen.
Dass dies kein Traum sein konnte, wusste ich natürlich, aber ich konnte nicht glauben, was er von sich gegeben hatte. Wenn es der Wirklichkeit entsprach, steckte ich in Schwierigkeiten. Ich wollte weder an diesem Spiel beteiligt, noch seine Partnerin sein.
In was hatte ich mich da hineingeritten? Einzig und allein mein Dasein als Einzelgänger war an dieser komischen Situation schuld. Warum hatte ich mich beim Beginn des Schuljahres nicht dafür entschieden, einfach Leute kennenzulernen? Dann wäre Shiwon nie auf mich aufmerksam geworden und ich niemals in diese Zwickmühle geraten! Ach ja, ich besaß ja meine Gründe.
Zulassen würde ich eine Mitgliedschaft bei ihrem Spiel jedoch nicht. Egal wie, ich musste Shiwon in Zukunft aus dem Weg gehen! Sonst würde es vielleicht zu etwas kommen, das ich nicht wollte. Auch seinen Freunden durfte ich nicht mehr unter die Augen treten.
Langsam drehte ich meinen Oberkörper zum Schulgebäude, in das sich schon einige Schüler begaben. Shiwons schwarzer Haarschopf war nirgendwo zu erkennen, weswegen ich mich ebenfalls über den Schulhof zu den Eingangstüren aufmachte. Je näher ich der Baute kam, desto unruhiger wurde ich.
Ob sich in den Gängen des Eingangsbereichs Shiwons Kumpels aufhielten? Würden sie mich ansprechen? Wohl kaum, nachdem er mich über die gegenwärtige Lage aufgeklärt hatte.
Derart ereignete es sich später. Ohne Probleme betrat ich das Klassenzimmer und die Pausen verliefen genauso friedlich. Ahnen, dass mich etwas erwartete, von dem ich an meinen schlimmsten Tagen geträumt hatte, tat ich keinesfalls.

Hidden Face [Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt