Kapitel 9

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Kapitel 9

Niedergeschlagen stand Chat Noir auf dem schmalen Fenstersims und sah in das kleine Krankenhauszimmer hinein. Dort lag sie, und schlief in dem Bett am Fenster.
Lange hatte er, nachdem er eine ganze Weile, um einen klaren Kopf zu bekommen, durch Paris geirrt war, nach dem richtigen Zimmer und einen Weg hinein gesucht. Aber er hatte keine Chance. Die Fenster waren alle verschlossen oder lagen zu weit entfernt von ihrem Zimmer. Wenn er einfach so, als Chat Noir durch die Flure des Krankenhauses laufen würde, würde er viel zu viel aufsehen erregen, als das er dann noch unbemerkt in ihr Zimmer kommen könnte.
Schwermütig beobachtete er Marinette, wie sie ihren Kopf zum Fenster drehte. Im ersten Moment dachte er, sie würde aufwachen, doch sie schlief immer noch. Allerdings konnte er ihr dadurch jetzt direkt ins Gesicht sehen. Schwer musste er schlucken. Ihre Nase und ihr Mund waren bedeckt von einer Atemmaske und zig Schläuche und Kabel führten von ihrem Körper zu irgendwelchen Maschinen.
Vorsichtig legte er seine Hand auf das Glas des Fensters. Könnte er doch nur die verdammte Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen. Langsam rutschte seine Hand an der Scheibe herunter, bis er sie schließlich zu einer Faust ballte. Er konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Er konnte nichts machen, außer zu hoffen, dass sie das unbeschadet überstehen würde.
Ein wenig Licht drang plötzlich aus Richtung der Tür ins Zimmer und aufgeschreckt griff er daher hinter sich und nahm sein Stab in die Hand. Es war vermutlich besser, wenn niemand mitbekam, dass er hier war. Wie sollte er das sonst erklären.
Eilig fuhr er den Stab aus und machte sich zum Sprung bereit. Er konnte gerade noch einen Schatten erkennen, der das Zimmer betrat, als er einen großen Satz zum nächsten Haus machte.


Blinzelt sah Marinette zum Fenster. Hatte sie das gerade richtig gesehen? Stand da eben Chat Noir und sah hinein? Aber warum sollte er das machen? Es gab doch keinen Grund dafür. Sie musste sich geirrt haben, anders konnte sie sich es nicht vorstellen.
„Wie geht es dir mein Schatz?"
Schwerfällig drehte sie ihren Kopf in die Richtung der vertrauten Stimme.
„Maman", krächzte sie heiser durch die Maske hindurch und versuchte sich etwas aufzurichten.
„Bleib liegen. Es ist schon sehr spät. Der Arzt meint, es ist besser, wenn Papa und ich nun nach Hause fahren und dich schlafen lassen. Papa muss morgen zwar die Bäckerei öffnen, aber ich komme, so schnell ich kann wieder her. Ist das Okay?"
Mehr als ein schwaches Nicken bekam sie nicht mehr zustande, bevor ihr auch schon wieder die Augen zu fielen.



Stöhnend griff Adrien am nächsten Morgen nach seinem Wecker, der schon seit einigen Minuten piepte, und drückte auf den Knopf. Auf Aufstehen hatte er so gar keine Lust. Da es aber keine Sekunde später auch schon an der Tür klopfte, hatte er gar keine andere Wahl.
„Adrien machst du bitte die Tür auf."
Mit einem kurzen Blick auf seinem Kwami, der noch schlafend auf dem Kopfkissen lag, schwang er müde die Beine über die Bettkante. Schlurfend näherte er sich seiner Tür. Er hatte gestern, bevor er, als Chat Noir, sein Zimmer verlassen hatte, zur Sicherheit noch schnell die Tür abgeschlossen. Nicht, dass Nathalie in seiner Abwesenheit sein Zimmer betrat. Wie sollte er dann erklären, wie er aus dem Haus gekommen war. Sein Vater ließ sich ja ohnehin nicht blicken, also brauchte er sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen.
Gähnend drehte er nun den kleinen Schlüssel in dem Schloss herum und öffnete einen Spalt die Tür.
„Ja?"
„Adrien, da du heute anscheinend etwas spät dran bist, hier deine Termine für heute."
„Danke ..."
Augen rollend nahm er das Tablett entgegen und war im Begriff die Tür wieder zu schließen, als Nathalie noch schnell etwas sagte.
„Dein Vater lässt ausrichten, dass er zu einer Geschäftsreise in die USA fliegen muss."
„Aha. Und wann?"
War ja nichts Neues, dass sein Vater lieber durch die Gegend reiste, anstatt sich mal mit ihm zu befassen.
„Genau genommen ist er schon zum Flughafen aufgebrochen."
„Nicht mal verabschieden kann er sich", murmelte er leise und senkte kurz seinen Blick, sah dann aber wieder Nathalie an, „Und wie lange?"
„Angedacht sind zwei Wochen, falls allerdings Komplikationen auftreten sollten, könnte es auch etwas länger dauern. Nun mache dich bitte zur Schule fertig, du bist spät dran."
Ohne etwas zu erwidern, schloss er die Tür und ging seine Termine für heute durch. Seufzend legte er das Tablett danach auf seinen Schreibtisch. Schon wieder ein Fotoshooting nach der Schule. Dabei wollte er eigentlich versuchen Marinette zu besuchen.
Ein Blick auf die Uhr ließ ihn allerdings abermals aufstöhnen. Er musste sich nun wirklich ran halten, um noch pünktlich zur Schule zu kommen. Schnell eilte er zu seinem Bett und stupste Plagg an. Doch dieser machte gar keine Anstalten aufzustehen. Verübeln konnte er es seinem kleinen Freund jedoch nicht. War er selbst auch hundemüde und wäre am liebsten im Bett geblieben. Erst tief in der Nacht war er zurück zu Hause gewesen und hatte erst in den frühen Morgenstunden in den Schlaf gefunden. Aber er hatte jetzt keine andere Wahl. Er musste los und Plagg musste mit. Man wusste ja nie, wann der nächste Akuma auftauchen würde. Und plötzlich verharrte er in seiner Bewegung. Was sollte er überhaupt nun ohne Ladybug machen, falls jemand akumatisiert werden würde? Er konnte ja keine Akumas einfangen. Konnte er sie vielleicht irgendwie einfangen und sie aufbewahren, bis Ladybug wieder konnte? Wenn sie nun aber gar nicht mehr richtig gesund wurde? Doch bevor er sich weiter seinen Kopf zerbrechen konnte, holte ihn eine maulende Stimme aus seiner Gedankenwelt zurück.
„Man Adrien. Was stupst du mich hier so an. Ich will schlafen."
Laut gähnend schwebte Plagg hoch zu seinem Gesicht.
„Wenn ich jetzt aber schon mal wach bin, kann ich auch etwas essen. Wo ist mein Käse?"




So nah und doch so fern [Miraculous]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt