Kapitel 19
Sie hörte zwar, dass Adrien ihr hinter her rief, doch sie konnte und wollte jetzt nicht mit ihm reden. Ohne sich herumzudrehen, lief sie einfach weiter und steuerte den Ausgang des Parkes an. Es war ihr im Moment einfach zu viel mit ihm zu sprechen. Sie musste erst mal das Chaos in ihrem Kopf sortieren. Nicht nur, dass sie nie im Leben damit gerechnet hätte, dass Adrien und Chat Noir ein und dieselbe Person waren, nein er hat die ganze Zeit gewusst, dass sie Ladybug war, und hatte nur deshalb den Kontakt zu ihr gesucht. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen über ihre Wangen kullerten und so wischte sie schnell mit ihrem Ärmel über ihr Gesicht. Wobei das vermutlich nicht viel brachte. Man würde es dennoch erkennen, dass sie weinte.
Ein erneutes Marinette ertönte hinter ihr, doch dieses Mal war es etwas lauter. Anscheinend lief er ihr hinter her. Ihre schmerzende Rippe ignorierend, legte sie noch einen Zahn zu und verließ den Park. Zum Glück konnte sie auf der anderen Straßenseite schon die kleine Bäckerei ihrer Eltern sehen. Nur noch wenige Meter und sie war zu Hause.
Sie wollte gerade die Straße überqueren, als sich plötzlich eine Hand um ihr Handgelenk legte und sie damit zum Stoppen brachte.
„Marinette. Warte, bitte. Lass uns reden. Lass es mich erklären."
Sie konnte deutlich die Verzweiflung, die in seiner Stimme mitschwang, hören, aber sie konnte jetzt trotzdem nicht mit ihm sprechen. Der Schock war einfach zu groß. Wäre sie nicht Ladybug, hätte er sich doch nie für sie interessiert. Und diese Erkenntnis traf sie schwer. Wie konnte sie auch glauben, dass jemand wie Adrien, sich für jemanden, wie sie, interessieren würde. Sie war einfach nur ein tollpatschiges Mädchen, was nicht viel zu bieten hatte.
„Ich kann nicht ... Bitte lass mich."
Sie löste sich aus seinem Griff, lief, ohne ein weiteres Wort, über die Straße, und ließ ihn einfach stehen.
An der Haustür angekommen, fischte sie eilig ihren Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür auf. Ein kurzer Blick über ihre Schulter verriet ihr, dass Adrien immer noch an Ort und Stelle stand und zu ihr herüber sah. Schnell betrat sie daher den Hausflur und ließ die Tür wieder ins Schloss fallen. Weinend lehnte sie sich mit ihrem Rücken gegen die Tür und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. Wirklich gelingen tat ihr das allerdings nicht und so schniefte sie leise vor sich her. Tikki streckte ihren Kopf aus dem kleinen Täschchen und sah sie mit großen Augen an.
„Marinette."
„Schon gut Tikki."
Erneut wischte sie sich die Tränen aus ihrem Gesicht und atmete tief ein. So konnte sie nicht hoch zu ihren Eltern gehen. Was sollte sie denn sagen, warum sie weinte? Sie konnte ihnen ja schlecht die Wahrheit sagen. Hier unten im Hausflur konnte sie jedoch auch nicht stehen bleiben.
Vorsichtig drücke sie sich daher von der Tür ab und setzte einen Fuß nach vorne, als sich ihre Rippe schmerzlich zurückmeldete. Der Kampf hatte ihr ganz schön zugesetzt, aber sie hatte keine andere Wahl gehabt. Sie musste den Akuma einfangen.
Langsam ging sie einen Schritt nach dem anderen auf die Treppe zu, legte ihre Hand auf das Geländer und sah hinauf. Noch nie war ihr der Weg hinauf so weit vorgekommen. Seufzend begann sie dann jedoch die Stufen hinauf zu steigen. Sie wollte sich nur noch in ihrem Zimmer verkriechen. Dazu musste sie aber auch erst mal an ihren Eltern vorbeikommen.
Nachdem sie endlich vor der Haustür angekommen war, schloss sie kurz ihre Augen, atmete noch einige Male tief ein und betrat dann die Wohnung. Leise schloss sie die Tür hinter sich und sah sich um. Ihre Eltern saßen auf dem Sofa und sahen zum Fernseher herüber. Das war ihre Chance.
„Ich bin wieder da", rief sie und steuerte sofort die Treppe zu ihrem Zimmer an.
„Hey Marinette, wo willst du den so schnell hin?", antwortete ihre Mutter, stand vom Sofa auf und lief in ihre Richtung.
Rasch ging sie daher einige Stufen hinauf, damit sie mit dem Rücken zu ihrer Mutter stehen würde. Sie musste ja nicht unbedingt ihr Gesicht sehen.
„Ich wollte mich etwas hinlegen."
„Ist alles in Ordnung bei dir? Wir haben in den Nachrichten gehört, dass es einen neuen Angriff gab. Geht es dir gut?"
Kurz zuckte sie zusammen, drehte sich jedoch nicht zu ihrer Mutter herum und ging eine weitere Stufe hinauf.
„Ach echt? Hab ich gar nicht mitbekommen. Mir geht es gut. Bin nur etwas müde."
„O-okay ... Na dann leg dich ein wenig ins Bett. Sag bescheid, wenn etwas sein sollte."
Bevor ihre Mutter weiter nachhaken konnte, überwand sie die letzten Stufen zu der Bodenluke und betrat ihr Zimmer.
„Ist gut."
Und schon hatte sie die Luke wieder geschlossen, kniete daneben auf dem Boden und pustete laut aus. Das war zum Glück noch mal gut gegangen.
Tikki flog aus der Tasche heraus und schwirrte jetzt neben ihr im Zimmer herum.
„Möchtest du reden?", fragte der kleine Kwami und setzte sich auf ihre Schulter.
„Ich kann es immer noch nicht glauben ... Adrien ist Chat Noir."
Langsam stand sie auf, ging zu ihrem Schreibtisch herüber und hängte ihre Tasche über die Lehne des Schreibtischstuhls.
„Das erklärt zumindest, warum du dich in beide gleichzeitig verliebt hast", murmelte Tikki. Böse sah sie kurz zu ihrer kleinen Freundin, doch dann wanderte ihr Blick über die Fotos an der Wand und plötzlich weiteten sich ihre Augen.
„Chat Noir ist Adrien ... Chat Noir hat die ganzen Fotos gesehen ... Adrien hat die ganzen Fotos an der Wand gesehen", stammelte sie leise vor sich her.
Konnte es noch peinlicher werden? Stöhnend setzte sie sich auf ihren Schreibtischstuhl und mit einem Mal schossen ihr etliche Begegnungen, die sie mit Chat Noir hatte, durch den Kopf. Das war alles Adrien.
Nur langsam drang diese Tatsache bewusst zu ihr hindurch. Vorhin im Kampf hatte sie alles abgeschaltet und von sich geschoben, damit sie sich auf den Kampf konzentrieren konnte. Aber nun hatte sie Zeit und konnte darüber nachdenken. Chat Noir war Adrien. Wenn das Alya wüsste, wie recht sie doch damals hatte, als sie ein Foto von ihm bearbeitet hatte. Kurz musste sie bei dem Gedanken daran schmunzeln, doch sofort verzog sich ihr Gesicht wieder.
Jetzt im Nachhinein machte es schon Sinn. Er war auch ständig verschwunden, wenn ein neuer Superschurke auftauchte. Er kam auch oft zu spät und nie hatte man Adrien gesehen, sobald Chat Noir auftauchte. Warum war ihr das vorher noch nie aufgefallen? Deswegen konnte er auch so genau wissen, dass Lila damals nicht wirklich Adrien mitgenommen hatte, und es nur eine Illusion gewesen war.
Sie musste an das Gespräch im Krankenhaus denken. Jetzt machte es auch Sinn, warum er gesagt hatte, dass er Ladybug liebte. Und dann fiel ihr noch etwas ein. Sie hatte also nicht nur Chat Noir geküsst, sondern damit auch Adrien. Ihre Wangen verfärbten sich rot. Seufzend legte sie jedoch ihren Kopf in ihren Nacken. Nun war zwar das eine Dilemma irgendwie verschwunden, aber es folgte gleich das Nächste.
Verwundert wurde sie von Tikki angestarrt.
„Alles in Ordnung?"
„Ja, mir ist nur gerade etwas aufgefallen", räusperte sie sich, wurde aber gleich danach wieder ernst.
Das alles änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass Adrien Ladybug liebte. Nicht Marinette. Wie sollte sie damit jetzt umgehen? Sie sah wieder zur Wand und stand plötzlich auf. Langsam strich sie mit ihren Fingern über die Fotos. Eigentlich wollte sie sie bevor Adrien kommen würde, abmachen. Danach hätte sie sie bestimmt wieder aufgehangen, aber nun? Eine einzelne Träne kullerte ihr über die Wange und entschlossen nahm sie das erste Bild von der Wand hinunter. Lange sah sie hinauf, doch dann öffnete sie die kleine Schublade an ihrem Schreibtisch und legte das Bild hinein. Schnell nahm sie auch die anderen Fotos ab und legte sie ebenfalls in die Schublade. Irritiert beobachtete Tikki sie dabei und setzte sich auf ihre Schulter.
„Warum nimmst du sie ab?"
Das letzte Foto war abgenommen und seufzend ließ sie es zu den anderen in die Schublade fallen.
„Ich brauch etwas Zeit zum Nachdenken. Adriens Gesicht dabei die ganze Zeit zu sehen, ist irgendwie nicht hilfreich."
„Bist du sauer, dass er es dir nicht gleich gesagt hat?"
Kopfschüttelnd setzte sie sich wieder auf ihren Schreibtischstuhl.
„Nein, das ist es nicht. Er wollte es mir ja sogar schon im Krankenhaus sagen, beziehungsweise zeigen ... Tikki, er liebt Ladybug, nur deshalb hat er sich für mich interessiert."
„Aber du bist doch Ladybug."
Ein erneuter Seufzer entwich ihr und mit einem schiefen Grinsen im Gesicht, stupste sie ihren Kwami an. Sie wollte Tikki gerade antworten, als ihr Handy begann zu piepen. Schnell zog sie es aus der Hosentasche und entsperrte das Display. Alya hatte ihr geschrieben und sie gefragt, wie das Treffen mit Adrien verlaufen wäre. Schnell schrieb sie ihr zurück, dass sie jetzt nicht reden wollte, und legte ihr Smartphone vor sich auf den Tisch. Sie konnte jetzt nicht mit ihr sprechen. Was sollte sie ihr auch sagen. Hey Alya, übrigens ich bin Ladybug und Adrien ist Chat Noir. Und soll ich dir noch etwas verraten, der liebt Ladybug. Nicht Marinette.
Langsam lehnte sie sich wieder zurück, zuckte allerdings sofort zusammen. Ihr gesamter Körper schmerzte. Sie sollte sich wirklich lieber ins Bett legen. Auf einen erneuten Aufenthalt im Krankenhaus hatte sie so gar keine Lust.
Langsam drehte sie sich daher mit dem Stuhl in Richtung Treppe und wollte gerade aufstehen, als ihr Handy auf ein Mal begann zu summen und einen Anruf signalisierte. Flink hatte sie sich zurückgedreht und nahm das Smartphone in die Hand.
„Adrien."
„Willst du nicht ran gehen?"
Kopfschüttelnd lehnte sie den Anruf ab und entschloss sich kurzerhand ihr Handy auszuschalten. Sie wollte im Moment mit niemandem sprechen. Schwerfällig stand sie auf, stieg zu ihrem Bett hinauf und rutschte langsam unter ihre Decke. Sie brauchte dringend Schlaf. Wenn sie nicht so erschöpft von dem Kampf gewesen wäre, hätte sie vermutlich nicht in den Schlaf gefunden. Zu viel Chaos herrschte in ihrem Kopf. Aber so hatte es nicht lange gedauert und sie war tief und fest eingeschlafen.
Blinzelnd öffnete sie ihre Augen, da ihr die ganze Zeit etwas gegen die Wange stupste.
„Tikki? Was ist denn los?"
Müde rieb sie sich ihre Augen und sah verwundert ihren Kwami an. Normalerweise weckte sie sie nicht, außer es war etwas passiert. Panisch riss sie nun ihre Augen auf und versuchte sich aufzurichten.
„Ein neuer Angriff?"
„Nein. Oh tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken."
Irritiert kratzte sie sich an ihren Kopf. Wie lange hatte sie wohl geschlafen? Es schien schon zu dämmern.
„Was ist denn dann los?"
Tikki deutete hoch zur Dachluke und erschrocken weiteten sich ihre Augen, als es plötzlich über ihr klopfte. Schnell sah sie hinauf und atmete laut aus, als sie in grüne Augen blickte. Sie senkte wieder ihren Kopf und schwang dabei ihre Beine über die Bettkante.
„Tikki könntest du ihm bitte sagen, dass er gehen soll."
„Solltest du nicht vielleicht lieber mit ihm sprechen?"
Sie steuerte die kleine Treppe an und stieg hinab.
„Ja, aber nicht jetzt. Ich gehe kurz runter. Sagst du es ihm?"
Tikki nickte ihr zu und so verließ sie ihr Zimmer.
Nur halbherzig hörte Adrien am nächsten Morgen Nino zu, wie er über sein Wochenende erzählte. Ab und wann nickte er zu stimmend oder gab ein kurzes Aha von sich. Wenn ihn jetzt aber jemand fragen würde, worum es überhaupt ging, hätte er keine Antwort darauf. Zu sehr waren seine Gedanken bei Marinette. Sein Blick wanderte die Straße hinunter zu der kleinen Bäckerei. Wenn sie ihm doch nur kurz mal zuhören würde.
„Adrien?"
Erschrocken sah er auf seinen Freund, der wild mit seinen Händen vor ihm herumwedelte.
„Oh, entschuldige. Was hast du gesagt?"
„Was ist denn mit dir los heute? Ich sagte, wir sollten vielleicht lieber mal rein gehen. Die Stunde fängt gleich an."
Verlegen kratzte er sich an seinem Hinterkopf, nickte Nino zu und wollte mit ihm gerade das Gebäude betreten, als Alya plötzlich wütend auf ihn zu stürmte.
„Du!"
Mit erhobenem Zeigefinger deutete sie auf ihn, blieb dann direkt vor ihm stehen und stemmte ihre Hände in ihre Hüfte.
„Kannst du mir mal verraten, was du gemacht hast?"
Irritiert blickte Nino zwischen Alya und ihm hin und her.
„Was ist denn hier los?"
Alyas Augen wurden zu kleinen Schlitzen und aufgebracht stupste sie ihm mit ihrem Zeigefinger gegen die Brust.
„Das würde ich auch gern mal wissen. Ich weiß nur, dass du dich mit Marinette treffen wolltest und seitdem meldet sie sich nicht mehr. Was hast du gemacht, dass sie mir schreibt, dass sie nicht reden möchte und ihr Handy ausstellt."
„Das kann ich dir nicht sagen. Das geht nur sie und mich etwas an. Aber sie spricht nicht mit mir, dass ich es ihr erklären kann."
Kopfschüttelnd legte Alya ihre Hand auf ihre Stirn.
„Sag mir nur eins. Magst du sie?"
„Ja."
Alya begann auf ein Mal schief zu grinsen und hakte sich bei Nino unter.
„Dann sieh zu, was auch immer vorgefallen ist, dass du das wieder hinbekommst."
Sie zwinkerte ihm noch kurz zu und zog dann, den sichtlich irritierten Nino, die Treppen hinauf ins Gebäude.
„Wenn das so einfach wäre", seufzte er leise.
Da die Schulglocke aber klingelte, eilte er den beiden hinter her und hatte ihren Klassenraum beinahe erreicht, als sich plötzlich jemand vor ihn stellte.
„Guten Morgen Adrien."
Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
„Lila ... Hallo."
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So nah und doch so fern [Miraculous]
FanfictionTag ein Tag aus, kämpfen sie Seite an Seite gegen die Superschurken von Paris. Doch, wer sie in Wirklichkeit sind, wissen sie nicht. Was passiert aber, wenn einer von den beiden durch Zufall herausbekommt, wer der andere ist? Der andere aber immer n...