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Eine Nacht, ein Tag und schon haben wir zwei Tote. Ich hasse dieses Spiel, ich hasse diese Frau, die es mit uns spielt. Ich habe Angst davor, die nächste zu sein, die bei der täglichen Abstimmung getötet wird. Was ist das hier? Soll das irgendeinen bestimmtes Ziel haben? Und das schlimmste von allem: Ich freue mich auf die nächste Nacht, in der ich endlich wieder töten darf, aber gleichzeitig fürchte ich mich vor dem Morgen, wenn ich erkenne, was ich getan habe.

Ich sehe das Bild an, das ich gezeichnet habe. Es ist Rico, wie er tod in seinem Bett liegt. Der größte Teil des Papiers ist rot. Ich bin erschrocken von mir selbst, wie Detailgetreu das ganze ist. Ich blättere um beginne ein Bild von Ricos Gesicht zu zeichnen. Vielleicht können wir es ja aufhängen oder so.

Es klopft an der Tür. Ich sehe auf. Es ist Mia. "Hey", sage ich. "Hallo Haylie." Sie setzt sich zu mir auf's Bett. "Was malst du da?", fragt sie. Ich zögere, zeige ihr dann aber doch das Bild von Rico. "Das ist schön." Ich lächele. "Danke." "Kannst du mich auch malen?" "Klar, kann ich machen."

Allmählich nimmt das Licht ab. Ich habe das Gefühl, dass es rötlich wird, wie ein Sonnenuntergang. Ich liege in Viktors Zimmer auf dem Bett und starre an die Decke. Wir unterhalten uns über unser zu Hause, unsere Familien, unsere Freunde. Er hat eine kleine Schwester und wohnt mit ihr und seinen Eltern in einer Wohnung in der Stadt. Ich erzähle davon, wie mein Vater und ich vor kurzem zu meinen Großeltern gezogen sind, nachdem meine Mutter ihn rausgeworfen hat. Ich hätte bei ihr bleiben können, aber das wollte ich nicht, absolut nicht. Ich wollte ein neues Leben anfangen, ohne sie, aber jetzt bin ich hier.

"Schlafenszeit, Ladys and Gentlemen."

Ich erhebe mich. "Wir sehen uns", sage ich. "Ich würde gerne sagen, ich freue mich, aber in Anbetracht der Situation passt das nicht", meint Viktor. "Da hast du wohl oder übel recht. Bis dann."

"Die Werwölfe erwachen", flüstert die durchdringende Stimme, die ich schon letzte Nacht gehört habe. Ich erhebe mich langsam und gehe zur Tür. Mein Blick bleibt am Spiegel hängen. Ich habe lange, spitze Reißzähne, Ohren wie ein Wolf und meine Augen glühen rot in der Dunkelheit. Ich habe Angst. Der Wolf ignoriert es und geht raus in den Raum in der Mitte. Valerian grinst mich schaurig an. Ich sehe Viktor aus seinem Zimmer kommen. "Anna", sagt Max gerade heraus. Wir anderen nicken kurz angebunden. Leise öffnet er die Zimmertür. Er beugt sich über die schlafende Frau. "Nur zu, Bruder", knurre ich. Sie riecht so verlockend. Er zieht seine Klaue über ihren Arm. Im Dämmerlicht sehe ich seine Augen blitzen. Anna keucht und schlägt die Augen auf. Geschockt sieht sie uns an. Sie öffnet ihren Mund zu einem Schrei, aber Max hat seine Zähne schon in ihrem Hals vergraben. Ich stürze mich auch auf sie. Viktor reißt ein Stück von ihrem Körper ab und zieht es in den Mittelraum. Ich genieße den metallischen Geschmack des Blutes, das meine Kehle hinunter läuft. Ich knurre zufrieden.

Als wir fertig sind, Anna zu zerlegen, verlassen wir den Raum. Ich meine zu sehen, wie die Tür zu Steves Zimmer geschlossen wird.

Ich erwache vor dem Weckruf. Ich sehe die Spur getrocknetes Blut auf dem Boden. Ich hoffe nur, dass sie nicht auch draußen ist. Ich wasche das Blut von meinem Körper und aus meinem T-shirt. Ich wünschte, ich könnte jetzt einfach zu Viktor oder Mia gehen. Aber wenn draußen noch gespielt wurde, was würden sie mit mit machen? Mich sofort töten, weil ich etwas gesehen hätte? Das wäre nicht gut für die Wölfe. Garnicht gut. Ich finde das hier absolut nicht richtig, aber trotzdem will ich gewinnen. Ich will, dass die Werwölfe gewinnen.

Gedankenverloren kratze ich ein paar Blutreste hinter meinem Ohr hervor. Wie ist das da hingekommen? Ich lecke es von meinem Finger. Noch vor zwei Wochen wäre mir schon vom Geruch schlecht geworden. Heute ist es garnicht mal so übel. Metallisch, aber doch irgendwie süß. Frisch ist es bestimmt noch besser.

WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt