14

164 16 0
                                    


Vollkommen durchnässt kauere ich vor dem Altar auf dem Boden. Niemand tut wirklich etwas. Einige unterhalten sich leise, andere wringen das Wasser aus ihren Klamotten, wieder andere halten sich ein Kleidungsstück vors Gesicht, um dem Geruch nach Feuer, der noch immer im Raum hängt zu entgehen.
Mit mir sind wir noch sieben Leute.

"Mia, eine der zwei Schwestern."

Ich höre Claudia schluchzen. Vielleicht ist sie die andere Schwester.

"Veronica, die Brandstifterin."

Veronica. Ich hasse sie so sehr. Sie hat Mia getötet. Und...

"Max, Werwolf."

Keiner sieht wirklich überrascht aus. Alle haben sein Heulen gehört.

Auf Wiedersehen, Max. Auf Wiedersehen, Mia.

"Wer wird neuer Bürgermeister?", fragt Claudia. "Jetzt, wo Fred Tod ist."

"Auf seiner Karte steht ein Name", sagt die Frau.

Niemand rührt sich, also stehe ich auf und gehe in Freds Zimmer. Seine Leiche liegt im Bett, wie wir sie zurückgelassen haben, das Blut ist noch nicht getrocknet.

"In dem Buch unter dem Bett."

Ich fische es aus einer Blutlache. Es ist durchweicht und nicht mehr zu erkennen, was es mal für ein Buch war. Ich schüttele es und die Karte fällt heraus. Max steht mit Filzstift darauf geschrieben. Wie ironisch. Der Nachfolger ist der Mörder ist das Opfer des Feuers.
Ich seufze. Das bringt uns jetzt auch nicht weiter.

"Es war Max", erkläre ich, als ich zu den anderen zurückkehre. "Gibt es jemanden, der es freiwillig macht?"

Alexa hebt die Hand. Niemand sonst.

"Okay, haben wir Stimmen gegen Alexa?", frage ich. Keiner sagt etwas. "Na dann. Glückwunsch. Was jetzt?"

"Wir stimmen ab, wer hingerichtet werden soll."

"Erinnert ihr euch an den einen Morgen, an dem eine Blutspur zu Lauras Zimmer geführt hat?", fragt Liam.

Laura zuckt zusammen und ich muss ein Grinsen unterdrücken. Endlich erinnert sich jemand an meine geniale Idee.

"Okay, Laura. Andere Anklagen?"

Laura sieht kurz so aus, als wolle sie etwas sagen, entscheidet sich dann aber dagegen.

"Also, nur Laura."

Alle stimmen für sie. Laura erhebt sich und stellt sich über den Abfluss.

"Haylie, könntest du...?"

Ich nicke und gehe zu ihr.

Ich halte das Messer an ihre Kehle.

"Weißt du, wer das war?", fragt sie so leise, dass nur ich es hören kann. "Weißt du, wer die Spur gelegt hat?"

Es ist jetzt eigentlich auch schon egal, ob sie es weiß oder nicht, richtig?

Ich nicke langsam.

"Wer?"

Ich blicke auf meine rechte Hand. Mit meinen Krallen tippe ich gegen ihren Hals.

Laura starrt sie mit weit aufgerissenen Augen an, dann sieht sie in meine Gesicht. Ich lächele sie an. Einen Augenblick bevor sie zu schreien beginnt reiße ich ihre Kehle auf.

Gurgelnd fällt sie zu Boden. Ein Blutstrom bahnt sich seinen Weg zum Abfluss. Nach einigen Sekunden hört ihr Herz auf zu schlagen.

Ich drehe mich zu den anderen um. Keine schaut zu mir.

"Vik, hilfst du mir mal?"

Viktor hockt sich neben mich.

"Du hast...?", fragt er.

Ich nicke.

"Okay. Du nimmst ihre Arme, ich nehme die Beine."

Ich greife unter Lauras Schultern, Viktor nimmt ihre Knöchel. Zusammen tragen wir sie zur Leichenhalle.

Kaum betreten wir diese beginne ich zu frösteln. Es ist kalt hier drin und die Tatsache, dass ich noch immer nass bis auf die Knochen bin macht es nicht besser.

Wir legen Lauras Leiche in eines der nur noch wenigen verbliebenen leeren Fächer und gehen dann, um die weiteren toten Körper zu holen. Als sie alle in der Halle sind trage ihren Namen in die Liste ein.

Zwei Arme legen sich von hinten um mich.
"Hey", wispert Viktor in mein Ohr. "Bist du okay?"

Ich nicke, drehe mich um und umarme ihn.

"Wirklich?", fragt er nach.

"Nein", murmele ich und lege meinen Kopf auf seine Schulter. "Wir töten Menschen und es gefällt mir. Natürlich ist nichts okay, aber es gibt auch nichts, was wir tun können."

"Es tut mir Leid, dass Mia gestorben ist."

"Danke", sage ich tonlos. "Bist du okay?", wiederhole ich seine Frage.

"Max war ein guter Freund. Mir war klar, dass er früher oder später stirbt, aber ich habe immer noch gehofft, dass wir drei zusammen überleben."

"Wir können immer noch gewinnen", erinnere ich ihn, allerdings ohne selbst wirklich daran zu glauben.

Viktor lächelt mich an und nickt. Langsam beugt er sich zu mir runter und küsst mich. Vorsichtig erwidere ich den Kuss. Ein wohliges warmes Gefühl macht sich in meinem Körper breit, dass die Kälte und die unangenehme Atmosphäre verschleiert.

Nach einigen Sekunden lösen wir uns voneinander. Ich beginne leise zu lachen.

"Was?", fragt Viktor lächelnd.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Jungen in einer Leichenhalle küssen würde."

"Ja, ich auch nicht." 

Ich lächele ihn sanft an. "Ich denke", beginne ich, "wenn wir nicht hier in diesem Test oder was auch immer das ist gefangen wären, würden wir ein wirklich großartiges Pärchen abgeben." 

Viktor lacht auf. "Und unsere Ex-Freunde wären so neidisch."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Ex-Freunde?"

"Hast du keinen? Ex-Freundin?"

"Doch, schon. Also Freund, nicht Freundin. Du hast 'nen Ex-Freund?"

"Äh, ja. Ich bin bi." Er tritt einen Schritt zurück. "Ist das ein Problem?" 

Ich schüttele schnell den Kopf. "Nein, absolut nicht! Ich bin nur... überrascht."

"Dann ist ja gut." Er sieht erleichtert aus.

Ich grinse ihn schief an. "Und wie sie neidisch wären." 

WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt