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"Das Dorf erwacht."

Ich setze mich auf. Ich bin nicht in meinem Zimmer. Es ist... Viktors. Er dreht sich neben mir auf die andere Seite und seufzt. Er sieht mich aus seinen hübschen braunen Augen an. Sein ganzes Gesicht ist mit Blut gesprenkelt. Ich streiche sanft über sein Kinn und küsse ihn. Er lächelt mich an. "Du hattest da was", flüstere ich, den metallischen Geschmack von Blut noch auf den Lippen.

Ich stehe auf und sehe in den Spiegel. Ich wasche das Blut ab und ziehe dann das T-Shirt an, dass ich mir gestern abend mitgebracht habe.

Als wir beide fertig sind gehen wir in den Mittelraum. Einige stehen um Steves Raum herum. Die übrigen betrachten ängstlich das Bild, das sich bietet: Wir haben die zwei weiteren Toten, Sebastian und Lotte, an die Wand gelehnt und mit ihrem Blut geschrieben: Don't leave your room. Es ist grauenvoll, aber ich bin auch irgendwie stolz drauf. Es war eine gute Idee.

Ich versuche meine zuckenden Mundwinkel mit einem entsetzten Ausdruck zu überspielen. Es mag mir nicht ganz gelingen. Ich sehe, dass auch Viktor Mühe hat, ein Lachen zu unterdrücken. Ich drücke seine Hand fester. "Nicht lachen", zische ich. Er beißt sich fest auf die Unterlippe, was mich zum schmunzeln bringt. Er kichert. "Viktor!" "Sorry", presst er hervor. Ich ziehe ihn an mich damit niemand ihn Lachen sieht. Ich probiere möglichst betroffen zu gucken. "Das ist so grotesk", murmele ich. Mein Freund holt ein paar mal tief Luft und sieht mich dann an. "Ja, das ist es. Es ist gut zu worden", sagt er mit einem Kopfnicken in Richtung Wandmalerei. "Danke. Und Vik- wir sind traurig, weil diese Nacht gleich drei Leute grausam ermordet worden sind." Er nickt.
Ich sehe mich um. "Das ist Mia", sage ich. "Ich bin gleich wieder da."

Ich laufe zu dem kleinen Mädchen. "Hey, hey, Mia, sieh dir das nicht an." "Haylie, ist das Blut?" Ich nicke. "Das ist..."

"Setzt euch."

"Komm, Haylie." "Hier liegen Leichen, bist du dir sicher, dass du..." Sie lächelt mutig. "Ich kann damit umgehen", sagt sie mit zitternder Stimme. "Okay", antworte ich. "Wenn du meinst."

"In dieser Nacht ist nicht nur eine Person gestorben, sondern gleich drei. Steve, Blinzelmädchen. Sebastian, Engel. Lotte, Unruhestifterin."

Engel. Gewinnt, wenn er in der ersten Nacht stirbt.
Unruhestifterin. Kann dafür sorgen, dass an einem Tag noch jemand stirbt.
Beide sind nicht dazu gekommen, ihre Karten einzusetzen.

Ein Schluchzen ist zu hören. Ein dunkelhaariger Mann sitzt über Lotte gelehnt und weint. "Wieso musste das passieren? Warum sie? Ich habe sie geliebt!"

"Das Werk Amors. Lotte und Patrick. Die Verliebten."

"Wenn einer stirbt, stirbt auch der andere", sagt jemand.

"Ganz genau."

"Erlöse mich", fleht Patrick. "Es tut so weh! Bitte!"
Plötzlich entspannen sich seine Gesichtszüge und er sinkt zu Boden.

"Patrick, schwarzer Rabe."

Ich sehe mich um. Alle wirken verängstigt, bis auf die Wölfe und ein Junge, der vielleicht fünfzehn ist. Ich kenne seinen Namen nicht, aber er ist viel zu glücklich.

"Kommen wir zur Abstimmung", sagt Fred.

"Was?", ruft Nils entsetzt. "Es sind so viele gestorben und wir müssen jetzt noch jemanden töten?"

"So sind die Regeln."

Nils fährt sich mit den Fingern durch die kurzen Haare. "Okay, okay. Dann bin ich für Valerian. Das hat Steve doch gestern gesagt, oder? Und er war nun mal unser Blinzelmädchen."

"Noch andere Vorschläge?", fragt Fred. Niemand sagt etwas. "Nun gut." Er zieht zwei Zettel. "Wir haben einen Stich ins Herz von- Moment, sie ist schon tod-" Er zerknüllt den Zettel und zieht einen neuen. "Haylie." Für einen Augenblick vergesse ich, wie man atmet.

Valerian. Ich soll Valerian töten. Wie in Trance stehe ich auf. Ich gehe nach vorne und nehme das Messer aus dem nun offenen Schrank.

Ich setze es an seiner Brust an. Er steht mit dem Rücken zu allen anderen. "Es tut mir Leid", flüstere ich. "Arthur. Jamie", erwidert er so leise, dass nur ich es hören kann. Ich nicke. Valerian schließt seine Augen. Ich stoße zu. Er keucht vor Schmerz. Ich höre, wie sein Herz aufhört zu schlagen. Ich fange ihn auf und lege ihn auf den Boden. Blut sichert aus seinem Körper und breitet sich im Muster des Putzes, der die Fliesen zusammen hält, aus.

"Valerian, Werwolf."

Alle beginnen zu jubeln. Viktor, Max und ich stimmen mit ein, ohne es auf irgendeine Weise ernst zu meinen.

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Das Bild habe ich auch auf Insagram hochgeladen. Wir haben einen Account, btw. Er heißt Flaschenhorn

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