"Geht's ihm schlechter?"

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»Was wird passieren?«, fragte John.
»Wenn alles gut geht, wird das der Biss seine DNA verändern und sein Körper wird anfangen sich selbst zu heilen«, erklärte Derek. »Allerdings ist er in wirklich schlechter Verfassung, also kann es sein, dass es länger dauert.«
»Und wann wissen wir das?«, fragte John.
»Wenn er die Nacht zum Vollmond überlebt.«
John hatte bei Derek gewartet, bis dieser aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war. Er musste es von ihm hören, dass alles geklappt hatte. Derek hatte aber nicht viel sagen können, nur dass die Blutung schnell gestoppt hatte. Und nun saß John im Wohnzimmer neben seinem Telefon und wartete. Der Mond stand hoch am Himmel. Wenn ihn niemand anrief hatte Stiles die Nacht überlebt und alles würde gut werden. Er hätte seinen Sohn zurück, aber er würde ihm seine Wunderheilung erklären müssen. Die Ärzte würden selber eine Antwort finden oder es als Wunder betiteln – hoffte John. Stiles würde er aber nicht in dem Glauben lassen können. Wenn denn alles gut ging....
Am frühen Morgen schreckte John hoch. Sofort sah er zum Telefon, doch dort war kein Anruf. Sie hatten nicht angerufen.
»Stiles lebt...«, murmelte er, sprang auf und zog sich an. »Er hat überlebt«, sagte er nun lauter und verließ im Laufschritt das Haus. Die Freude darüber war so groß, dass er gar nicht über das Gespräch nachdachte, was unweigerlich bevorstand. Er würde Stiles erzählen müssen, was er getan hatte, worum er Derek gebeten hatte.

Im Krankenhaus herrschte reges Treiben. Die Krankenschwestern flitzten in die Krankenzimmer, Ärzte überquerten die Flure und immer wieder wurden Tragen hereingeschoben und Menschen in Rollstühlen verließen die Notaufnahme. John wusste, dass es einen Autounfall gegeben hatte, aber er hatte Parrish losgeschickt. Er wollte keine Sekunde verlieren und endlich seinen Sohn sehen. Er musste sich selbst vergewissern, dass alles geklappt hatte.
Vor den Aufzügen hatten sich kleine Schlangen gebildet, also steuerte er die Treppe an. Lief in den ersten Stock und bog rechts ab.
»John!«, rief Melissa. Sie winkte ihn zu sich und schloss schnell die Türe des Zimmers, aus dem sie gekommen war. Mit einem Blutdruckgerät in der Hand kam sie auf den Sheriff zu. »Wir wollten dich grade anrufen. Bei der heutigen Visite-«
»Was ist passiert?«, unterbrach John sie augeregt. »Geht es ihm schlechter?«
Melissa schüttelte den Kopf. »Nein, eher im Gegenteil. Es geht ihm erstaunlich gut, wenn man auf die letzten Tage zurückschaut... Die Ärzte würden gerne weitere Untersuchungen machen und brauchen dein Eiverständnids«, klärte sie auf.
John nickte kurz, dann hielt er inne. Wenn es so war wie Derek sagte, dann würden die Ärzte nichts mehr finden. Dann gäbe es keine Krankheit mehr und vermutlich würden sie noch weitere Untersuchungen machen wollen. »Wir sprechen später, ja? Ich will erst zu meinem Sohn.« Er ließ Melissa stehen und lief weiter den Gang hinab.
»Aber«, sagte Melissa und schaute ihm verdutzt hinterher. Wie konnte der Sheriff, bei der Schwere dieser Krankheit, wichitge Untersuchungen aufschieben?

»Hey Dad!«, begrüßte Stiles seinen Vater. Er grinste ihn an, saß das erste Mal seit Wochen wieder aufrecht und hielt eine Fernbedinung in der Hand. Das Bild des Fernsehrs bewegte sich tonlos und die Kopfhörer lagen auf Stiles Beinen.
»Woher wusstest du, dass ich es bin?«, fragte John irritiert und schloss die Tür.
»Ich weiß nicht«, sagte Stiles nachdenklich. »Keine Ahnung...« Statt sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, grinste er erneut und sah seinen Vater an. »Fällt dir nichts auf?«
»Dir geht es besser«, antwortete John und setzte sich zu ihm.
Der Sheriff war nicht ansatzweise so überrascht, wie Stiles erwartet hatte. »Dich scheinen die Neuigkeiten ja nicht so umzuhauen«, grummelte Stiles. »Freust du dich nicht?«
»Doch natürlich«, antwortete John schnell. Und wie er sich freute! Er war erleichtert. Allerdings war er auch mit genau dieser Erwartung hier her gekommen. Nur wusste Stiles das nicht.
»Stiles, ich...« Der Sheriff atmete schwer aus. Er musste es ihm sagen. Er musste ihm sagen, was er getan hatte. Er konnte nicht darauf warten, dass Stiles es selbst herausfand. »Du wärst fast gestorben«, begann er. »Ich musste eine Entscheidung treffen.«
Sein Sohn blinzelte ihn verwirrt an. Was meinte sein Vater damit? »Hast du irgendeiner Wunder-Behandlung zugestimmt, die angeschlagen hat?«, fragte er lachend. Die Ärzte hatten zwar nichts gesagt, aber irgendwas musste passiert sein. Er fühlte sich großartig.
»So in etwa«, druckste John herum und atmete geräuschvoll aus. »Weißt du noch was ich dir über die Hales und das Feuer erzählt habe?«
»Die offizielle oder die inoffizielle Version?«, fragte Stiles.
»Die inoffizielle...«
John hatte Stiles damals von den Werwölfen erzählt. Er hatte Angst gehabt, dass er ins Visier der Jäger geraten könnte, wenn er zu viele Nachforschungen anstellte. Stiles war einfach zu neugiereg und grub selbst die tiefsten Geheimnisse aus. Also hatte er erntschieden, dass er die Wahrheit direkt von ihm erfahren sollte. Bis auf Derek gab es keinen Werwolf mehr und der hatte jeden gemieden, nach dem Brand.
Stiles schien allerdings nicht verstanden zu haben, was sein Dad ihm damit sagen wollte. Alles was er über Werwölfe wusste, war in keinerlei Hinsicht hilfreich für seine Situation.
»Stiles, Werwölfe können heilen und du lagst im Sterben«, rechtfertigte sich John.
Langsam bekam Stiles eine Ahnung und ein kalter Schauer zog sich über seinen Rücken. Er wollte sich nicht mal vorstellen, dass seine Gedanken wahr sein könnten. »Es gibt keine Werwölfe mehr in Beacon Hills«, sagte er daher.
»Derek Hale ist seit einigen Wochen zurück...«
Damit zerschlug sich Stiles Hoffnung. »Dad, was hast du getan?«, fragte Stiles alamiert.
»Ich hatte keine Wahl Stiles, du wärst gestorben!«
Nach Luft schnappend sprang Stiles aus dem Bett und riss sich dabei alle Kabel vom Körper. Die Maschinen schlugen Alarm, doch Stiles beachtete sie nicht. Er blickte auf die winzigen Einstichstellen der Nadeln, die sich in sekundenschnelle schlossen und sah ungläubig auf. »Dad, was hast du getan?«, fragte er nochmal.
»Ich musste dich retten«, sagte er bloß erschrocken. Bei all der Angst seinen Sohn zu verlieren hatte er nicht wirklich einen Gedanken daran verschwendet, wie dieser entschieden hätte. »Ich war egoistisch«, gestand er ein.
In der selben Sekunde wurde die Tür aufgerissen und Melissa stürzte hinein. »Was ist hier los?«, fragte sie aufgebracht, als sie Stiles neben dem Fenster stehen sah.
»Alles okay«, sagte Stiles schnell. »Ich hab nicht an die Dinger gedacht,« er deutete auf die Kabel, »als ich aufgestanden bin.«
»Du solltest überhaupt nicht aufstehen«, tadelte Melissa und ging zu den Maschinen, um sie abzustellen. »Du solltest auch gar nicht aufstehen können...«, murmelte sie nachdenklich. Stiles hatte schon seit zwei Wochen keine Kraft mehr zum Aufstehen gehabt. Danach hatte er nicht mal mehr sitzen können, geschweige denn länger als zehn Minuten wach bleiben. Vor einem Tag noch, musste Melissa sein Zimmer mit der Angst betreten, dass sie ihn das letzte Mal sehen könnte und nun stand er dort, als wäre nie etwas vorgefallen. Stiles war Scotts bester Freund. Allein für ihn wünschte sie sich, dass Stiles wieder gesund werden würde, aber die Realität sah anders aus. Das was sie grade sah, konnte mit der Realität nichts zu tun haben.
»Die Untersuchungen...«, murmelte sie.
»Es wird keine weiteren Untersuchungen geben«, sagte John bestimmt.
Melissa blickte auf. Sie verstand es nicht.
»Wenn sie ihn untersuchen, würden sie nichts mehr finden«, erklärte John. »Er muss aus diesem Krankenhaus raus.«
Melissas Augen weiteten sich ungläubig. Der Sheriff hatte den Verstand verloren. Absolut! Doch so wie er da stand und wie Stiles da stand, glaubte sie ihm.
»Ohne Abschlussuntersuchung werden sie ihn nicht nach Hause lassen«, prophezeite sie.
»Dann machen wir eine«, mischte sich Stiles ein. Sein Vater sah ihn verständnislos an. Hatte Stiles nicht verstanden, was los war? »Und dann werden sie nichts finden und der Sache auf den Grund gehen wollen«, redete er weiter.
»Und was ist der Grund?«, fragte Melissa.
»Wir müssen es so aussehen lassen, als sei er nie krank gewesen«, führte John den Plan weiter und überging Melissa. Obwohl er auf ihre Hilfe angewiesen war.
»Ganz genau«, stimmte Stiles zu. Scheinbar hatte sein Vater begriffen woraus er hinaus wollte. »Wir müssten nur die Blutbilder austauschen.« Fragend blickte er zu Melissa. Diese schüttelte aber nur mit dem Kopf. »Und was ist mit dem MRT? Es zeigt eindeutig, dass du krank warst.«
Stiles holte tief Luft. »Wenn wir das meiner Mutter nehmen, könnten wir es wie einen Fehler aussehen lassen.«
»Aber das erklärt noch nicht deinen Zustand«, warf John ein. »Wir müssen-»
»Ich werde kein Blutbild fälschen«, unterbrach Melissa ihn harsch. »Das alles kann mich meinen Job kosten, auf den ich angewiesen bin!«, machte sie deutlich. Mit verschränkten Armen blickte sie auf die beiden Männer. »Und solange ich nicht weiß, was hier wirklich passiert ist, werde ich gar nichts tun!«, stellte sie klar.
»Wir müssen es tun«, sagte John. Es gab keinen anderen Weg, auch wenn er es nicht von ihr verlangen wollte. Wenn jemand dahinter kommen würde, wären die Kosequenzen weitreichend. »Wenn es um Geld geht... wenn du Geld brauchst«, begann John, doch Stiles brachte ihn mit vorwufswollem Blick zum Schweigen. Die Mutter seines besten Freundes bestechen. Soweit würde er es nicht kommen lassen.
»Ich kann es dir jetzt nicht erklären«, sate Stiles und ging auf sie zu. »Aber das werde ich, versprochen, und Scott ebenfalls.« Stiles sah sich hilfesuchend im Zimmer um. »Ohne dich schaffen wir das nicht«, gestand er leise.
Melissa kaute auf ihrer Lippe herum. Sie wollte wirklich wissen, wie es sein konnte, dass es Stiles plötzlich so gut ging. Menschen heilten nicht einfach so, es sei denn...
»Werwölfe«, murmelte sie leise.
»Was?« Stiles sah erschrocken zu seinem Vater.
»Was hast du gesagt?« John wollte seinen Ohren nicht trauen. Er kam näher. Melissa konnte nichts über die Existenz von Werwölfen wissen, oder doch?
»Ist es das?«, fragte sie. »Ist Stiles deshalb wieder gesund?«
»Woher weißt du davon?«, fragte der Sheriff misstrauisch.
»Es ist schon einige Jahre her«, erklärte Melissa. »Ein Mädchen wurde eingeliefert. Cora Hale. Sie wurde von einem Auto angefahren. Bevor sie behandelt werden konnte, war sie aber verschwunden. Wir haben das ganze Krankenhaus nach ihr abgesucht. Ich habe sie gefunden und gesehen, wie ihre Wunden innerhalb von Sekunden verheilten. Als ihre Mutter kam, wollte ich eine Erklärung. Sie klärte mich auf und obwohl ich es mit eigenen Augen gesehen habe, konnte ich bis heute nicht wirklich dran glauben.«
»Okay, dann muss ich dir wohl nichts erklären«, entgegnete Stiles. »Hast du es Scott erzählt?«
Melissa schüttelte nur den Kopf. Scott war damals noch zu jung gewesen und jetzt hätte er es sowieso nicht mehr geglaubt. »Hast du ihm was gesagt?«, fragte sie.
»Nein, ich weiß es selbst erst seit ein paar Minuten«, erklärte Stiles und warf seinem Vater einen vernichtenden Blick zu. »Ist nicht so, dass ich in die Entscheidung eingebunden wurde.«
Melissa wechselte kurz einen Blick mit dem Sheriff, aber sie verstand auch ohne Worte. John hatte es veranlasst, er wollte seinen Sohn nicht sterben lassen. Vermutlich hätte sie nicht anders gehandelt.
»Gut«, sagte sie. Atmete tief ein, als würde es ihr neuen Aufschwung geben und sah zum Fenster.
»Ich muss das alte Blutbild verschwinden lassen und durch ein anderes ersetzen«, begann sie. »Ich muss das MRT deiner Mutter besorgen, aber wir werden trotzdem noch eins von dir machen müssen. Am besten heute Nacht. Ich muss es zurück datieren, damit alles stimmt. Auf dem neuen, was sie machen werden, werden sie dann nichts mehr sehen. Aber ich brauche eine aktuelle Blutprobe und deine werde ich nicht nehmen können.«
»Warum nicht?«, fragte Stiles.
»Weil deine DNA verändert ist. Das wird im Labor auffallen. Talia hat mich damals auch gebeten, Cora's verschwinden zu lassen.«
»Vielleicht könnten wir mein Blut nehmen«, warf der Sheriff ein. »Stiles und ich haben dieselbe Blutgruppe.«
»Dann brauche ich dich morgen früh hier«, sagte Melissa. »Ich muss die Blutproben sofort austauschen.«
John stimmte zu und war froh, eine Verbündete zu haben. Die Art wie Melissa ihn angesehen hatte, sagte ihm, dass sie sein Handeln verstand. Sie hieß er vielleicht nicht gut, aber wenigstens hatte sie Verständnis. Ganz im Gegensatz zu Stiles, der ihn nur noch vorwurfsvoll und wütend ansah.

Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt