Stiles wartete auf eine Aktion oder Reaktion seitens Derek oder seines Vaters. Doch nichts geschah in den Tagen nach ihrem Zusammentreffen im Polizeirevier. Sein Vater sagte kein Wort zu den Geschehnissen und Derek war wie vom Erdboden verschluckt. Er war nicht mal an seinem Haus anzutreffen. Stiles wusste es, weil er dort gewesen war. Die Nächte schlief er zwar viel besser, aber dafür zerbrach er sich den ganzen Tag über den Kopf über Sachen, die eigentlich nur mit Derek zu tun hatten. Plötzlich schien es so, als wäre der Alpha allgegenwärtig. Er verfolgte ihn in seinem eigenen Haus, möglicherweise sogar im Schlaf. Stiles war nicht ganz sicher, aber er hatte oft das Gefühl, dass selbst Träume an die er sich nicht erinnerte, mit Derek zu tun hatten. Es war merkwürdig und es passte ihm gar nicht, dass Derek plötzlich eine noch größere Rolle in seinem Leben zu spielen schien.
Doch in den letzten Tagen fragte er sich auch immer wieder, was seine Verwandlung ihm für Vorteile bringen könnte. Er verfügte theoretisch über schärfere Sinne. Er konnte besser hören, sehen und riechen, als andere. Er war schneller und stärker.
Theoretisch.
Stiles hatte keine Ahnung, wie er diese Kräfte nutzen konnte. Wann immer sie sich zeigten, passierte es ungewollt, unbewusst. Es gab keinen An- und Ausschalter. Keine Bedienungsanleitung. Er wusste nur, dass er im Stande war, diese Kräfte zu nutzen, ohne sich gänzlich zu verwandeln. Das brachte ihn aber auch nicht weiter. Dabei wollte er so gern wieder etwas mehr Kontrolle über sich haben.
Dafür gäbe es eine Lösung: Derek.
Sie hatten ihm auch bereits gesagt, dass er mit ihm trainieren musste. Aber weder sein Vater noch Derek rührte sich. Fast schon glaubte Stiles, einen kleinen Sieg errungen zu haben, als er sie so hatte stehen lassen. Das würde allerdings nicht zu seinem Alpha passen. Stiles glaubte nicht, dass er so einfach nachgeben würde.
Am Nachmittag überkam Stiles die Langeweile. Vielleicht war es auch die herannahende Verzweiflung, dass er nur noch seinen Alpha im Kopf hatte, die ihn dazu anstiftete sich eine Herausforderung zu suchen.
Sein Zimmer aufzuräumen wäre sicher eine, aber der hatte er sich schon als Mensch nicht stellen wollen. Also tigerte er durchs Haus und suchte nach irgendetwas, dass ihm nur als Werwolf gelingen würde.
Es gab nichts!
Frustriert ging Stiles wieder in sein Zimmer. Lärm von der Straße, zog ihn ans Fenster. Zwei Jungs fuhren mit ihren Skateboards die Straße hinab. Es sah noch nicht sehr gekonnt aus, aber besser, als Stiles es je hinbekommen würde. Ihm mangelte es am nötigen Gleichgewichtssinn. Oder besaß er ihn nun?
Stiles spähte zu dem Baum vor seinem Fenster. Er stand zu weit weg, um daran herunter zu klettern und sich aus dem Haus zu schleichen. In der Vergangenheit hatte er alles mögliche versucht. Aber vielleicht war es nun möglich.
Stiles kletterte auf den Fenstersims. Er müsste bloß springen und versuchen, auf dem Ast zu landen. Theoretisch unmöglich für ihn, aber möglicherweise ...
Stiles kniff einpaar mal die Augen zusammen und konzentrierte sich. Er ging in die Hocke, peilte den Ast an und sprang ab. Mit der Zehenspitze berührte er ihn sogar, doch er rutschte ab und schlug unsanft auf den Boden auf. Erschrocken sprang er auf, tastete seinen ganzen Körper ab und sah zum Fenster. Er war unversehrt.
Er lief wieder hinein und versuchte es gleich nochmal. Manchmal berührte er den Ast, manchmal verfehlte er ihn. Das gewünschte Ergebnis erzielte er nicht. Jeder einzelne Versuch endete auf dem harten Boden des Vorgartens. Stiles war froh, dass ihn die leicht vertrocknete Wiese in Empfang nahm und kein harter Asphalt.
Irgendwann gab er auf. Es brachte nichts, über bessere Fähigkeiten zu verfügen, wenn man sie nicht trainierte. Um sie zu nutzen, musste er üben.
Später machte Stiles sich auf den Weg ins Einkaufszentrum. Der Kühlschrank war leer, sein Vater würde vermutlich wieder irgendwas auf dem Heimweg mitbringen, aber Stiles hatte seit dem letzten Vollmond Hunger. Er aß gut das Dreifache als normal und dieser Hunger war trotzdem nur für Minuten gestillt.
Bald würde sein Vater nur noch arbeiten gehen, damit Stiles genug zu essen hatte. Stiles hatte sich sogar schon vorgestellt, wie Ende des Monats kein Geld mehr für irgendwas anderes übrig blieb. Wenn er aber nicht aß, wurde er unruhig und noch hungriger. Außerdem war er derart leicht reizbar, dass eine winzige Bewegung ausreichte, dass er kurz davor war sich zu verwandeln. Im Unterricht hatte Danny nur schnell nach einem Stift gegriffen, der dabei war vom Tisch zu rollen. In Stiles hatte es sofort Jagdinstinkte geweckt.
Im Parkhaus suchte Stiles sich eine ruhige Ecke. Die zweite Etage wurde kaum genutzt, da der Fahrstuhl nicht funktionierte und die Tür sich nur schwer öffnen ließ. Niemand machte sich die Mühe, mit vollgepackten Einkaufstaschen. Außerdem waren die meisten Lampen defekt. Da kaum noch jemand dort parkte, schien sich niemand dran zu stören. Stiles nannte es oft die Geisteretage. Er parkte gern dort, grade wenn Scott bei ihm war. Sobald sie ausstiegen, konnte man seinem besten Freund das Unbehagen ansehen. Er war schreckhaft und rechnete jeden Moment damit überfallen, ausgeraubt oder erstochen zu werden. Hier würde es keine Zeugen geben, sagte er immer. Stiles stimmte ihm zu, aber er parkte trotzdem dort.
Etwa eine Stunde später und mit vier vollen Einkaufstüten stand Stiles wieder vor seinem Jeep. Die Schlange an der Kasse war elendig lang gewesen. Die Frau vor ihm hatte so genervt, dass er kurz davor gewesen war, den Einkauf einfach stehen zu lassen und zu verschwinden, aber er brauchte wenigstens eine Kleinigkeit zu essen. Noch während er wartete, hatte er eine halbe Chipstüte verschlungen.
Nun war alles still. Beängstigend still. Stiles konzentrierte sich auf seine Umgebung, versuchte wenigstens Geräusche vom Parkdeck über oder unter ihm wahrzunehmen, doch es blieb still. Ein süßer Geruch lag in der Luft. Stiles versuchte sich daran zu erinnern, wozu der Geruch gehörte, während er den Einkauf einräumte, aber es wollte ihm nicht einfallen.
Er würde sofort nochmal zurückgehen und sich das kaufen, wonach es roch. Genau das wollte er! Chips, Nudeln, Pizza, alles was er gekauft hatte, war plötzlich uninteressant. Wie die Brotbeilage im Restaurant. Man aß es aus Langeweile und Hunger, während man auf das richtige Essen wartete.
Ohne den Kofferraum zu schließen, lief Stiles einige Meter. Er folgte dem Geruch und natürlich kam es aus der Richtung, wo keine Lampe mehr funktionierte. Das war das erste Indiz, das er umkehren sollte, aber er lief weiter. Er musste wissen, wonach es roch.
Mit der Zeit fand er sich besser in der Dunkelheit zurecht. Blind folgte er dem Geruch, der ihn gradewegs vor die Wand laufen ließ.
»Ahh... Fuck!«, fluchte er. Er hielt sich die pochende Schläfe, spürte Nässe und wusste, dass es Blut war. Nur wenige Sekunden später, war die Wunde verschlossen. Er tastete mit der anderen Hand an seine Stirn, um es sich zu bestätigen. Kein Blut, es war nichts mehr zu spüren.
Dann sah er sich um. Der Geruch konnte nicht so stark sein, dass er durch eine dicke Betonwand zog. Fenster gab es hier auch nicht, die Lüftung war aus. Die Geruchsquelle musste also hier sein. Direkt vor ihm.
Er blickte sich wieder um, nahm sein Handy heraus und schaltete die Taschenlampe ein. Doch er sah nichts außer verdreckten Wänden.
Stiles wollte das Handy schon wegstecken, als der Schein der Taschenlampe zu Boden fiel. Da war etwas Rotes. Er leuchtete etwas weiter und sah eine recht große Pfütze. Ihm stellten sich die Nackenhaare auf. Er ging in die Hocke und berührte mit seinen Fingern die vermeintliche Blutlache.
»Blut...«, sagte Stiles trocken. Er wusste in dem Moment nicht, was ihn mehr erschreckte. Die Tatsache, dass er eine recht große Blutlache vorfand, ohne ein Opfer oder dass der Geruch, der ihn noch hungriger machte, der von Blut war.
Er wischte sich die Hand an seiner Hose ab. Lief ein paar Meter zurück und wollte seinen Vater verständigen. Es musste etwas Schlimmes passiert sein.
Da brachte ihn ein plötzlich erklingender Herzschlag zum Erstarren. Jemand war dort und er war nicht verletzt oder ängstlich. Diese Person hatte die Ruhe weg. Stiles schluckte. Vielleicht hatte er ihn noch nicht bemerkt oder er wollte nur abwarten bis Stiles verschwand. Den Gefallen tat er ihm gern. Er ging so langsam wie möglich Richtung Jeep.
Seine Hände zitterten.
Als er den Jeep erreichte, wollte er den Schlüssel vom Kofferraum abziehen, doch da war keiner mehr. Das Auto war komplett verschlossen und Stiles war sich sicher, dass er ihn offen gelassen hatte. Er fühlte nochmal in seinen Taschen, aber dort war kein Schlüssel.
Also wusste die Person, dass er hier war.
Stiles schlich zur Tür. Wenn er zurück in die Mall lief, würde man ihm sicher nicht folgen. Dann könnte er seinen Vater anrufen und den Sicherheitsleuten Bescheid geben.
Er drückte die Klinke herunter, aber die Tür öffnete nicht. Er versuchte es erneut. Dann rappelte er an der Tür, zog und zerrte daran, bis er eingestehen musste, dass sie sich nicht öffnen würde.
Sein Atem war zittrig. Seine Hände auch. Spätestens jetzt wusste der Typ, wo er war. Er war zu laut gewesen.
Panisch blickte er sich um. Es gab keine Fluchtmöglichkeit und kein Versteck. Nur dieses riesige, verlassene Parkdeck mit einer Tür, die nicht öffnete.
Stiles wurde immer ängstlicher. Nun hätte er nichts gegen eine ungewollte Verwandlung. Selbst wenn er den Kerl dann töten würde. Lieber töten, als getötet werden. Aber er blieb menschlich. Vielleicht hatte er Glück, wenn der Kerl ihn nur verletzte, dass er wieder heilte.
Stiles versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, um wenigstens noch klar denken zu können. Aber es funktionierte nicht. Er hatte Angst und das Einzige, was ihm einfiel, war irgendwie nach Derek zu rufen, aber er wusste nicht wie.
Er hörte die Schritte näher kommen und tat das Einzige, was er noch tun konnte: Rennen!
Er suchte nach einer dunklen Ecke, irgendetwas, dass ihm Schutz bieten könnte, aber es gab nichts. Er lief weiter. Die Person hinter ihm holte auf. Stiles versuchte ein Ablenkungsmanöver und startete die Stoppuhr seines Handys. Er ließ es in einer Ecke liegen und rannte in die entgegengesetzte.
Er wog sich in Sicherheit, nun zumindest etwas Zeit gewonnen zu haben. Wenn die Uhr ablief und sein Handy klingeln würde, dann würde es Aufmerksamkeit erregen und Stiles könnte es zu seinem Jeep schaffen. Wenn er etwas fand, womit er die Scheibe einschlagen konnte und ihn kurzschloss, könnte er fliehen. Die Idee einfach zu Ausfahrt zu laufen, hatte er wieder verworfen. Dort präsentierte er sich wie auf dem Silbertablett, wenn er nicht schnell genug war.
Er blieb stehen, lauschte, doch er hörte nur sein eigenes Blut in seinen Ohren rauschen.
So leise wie möglich schlich er weiter zu seinem Jeep. Gleich müsste die Uhr abgelaufen sein., wenn ihn sein Zeitgefühl nicht täuschte.
Er lief einmal an seinem Wagen herum und war überrascht. Der Schlüssel steckte in der Fahrertür. Ihm war mulmig zu Mute. War das eine Falle?
Er drehte den Schlüssel um und öffnete die Tür keinen Zentimeter, da zuckte er zusammen. Der Signalton der Stoppuhr ertönte und das direkt hinter ihm.
Er drehte sich langsam um und wurde sogleich mit einem Arm auf der Brust gegen sein Auto gepresst. Sein Handy flog achtlos zu Boden. Stiles hörte es nur, er hatte die Augen fest zugekniffen.
»Du bist tot«, knurrte eine tiefe Stimme.
Heiße und kalte Schauer überfielen Stiles nacheinander. Sein Körper bebte und seine Hände zitterten so stark, dass das Schlüsselbund klirrte. Er ließ es zu Boden fallen und öffnete die Augen.
Er war wütend und erleichtert. Er hätte Derek um den Hals fallen und eine rein hauen können.
Er sah den goldenen Schein seiner Augen, in denen des Alphas reflektieren. Jetzt funktionierte es – natürlich!
»Bist du total bescheurt?«, fragte Stiles aufgebracht. »Was geht in deinem kranken Kopf vor sich?«
Er versuchte, sich loszureißen, aber Derek war stärker.
»Ich wollte dir etwas demonstrieren«, sagte der Alpha ruhig.
»Was denn, bitte? Das auch Werwölfe an einem beschissenen Herzinfarkt sterben können?«
Die Erleichterung darüber, dass es Derek und kein geisteskranker Irrer war, der hinter ihm her war, war verpufft. Stiles Hass auf Derek wuchs von Sekunde zu Sekunde und führte dazu, dass er sich weiter verwandelte.
Er hörte das Grollen in sich und versuchte nicht einmal es aufzuhalten. Die Angst saß ihm noch immer in den Knochen und die Kraft, die sich grade in ihm entwickelte, war ein guter Platz um sie zu verstecken.
Er war Derek auf den Leim gegangen. Er war auf seinen Trick hereingefallen und war davon gerannt, anstatt sich ihm zu stellen. Er war wütend auf sich, weil es ihm peinlich war. Er hätte Derek bemerken müssen!
Sein Alpha blickte ihn an. Da lag nichts in seinem Blick, keine Belustigung, nichts was Stiles provozieren könnte, aber in seinem Kopf ratterte es. Er redete sich ein, dass Derek ihm sowieso nicht zugetraut hatte, dieses Spiel zu durchschauen und je länger Stiles darüber nachdachte, desto mehr meinte er in Dereks Blick erkennen zu können.
Er wollte nicht mehr, dass Derek ihn ansah. Er sollte verschwinden. Stiles wollte allein sein und kein Wort von ihm hören.
Als sich Dereks Lippen öffneten, hob Stiles seinen Arm und zog ihm die Klauen durchs Gesicht. Drei tiefe Kratzer zierten nun das Gesicht des Alphas. Blut tropfte auf seine Jacke und zu Stiles erstaunen zuckte er nicht mal mit der Wimper.
Stiles knurrte, versuchte erneut, sich loszureißen. Ohne Erfolg.
»Das war eine Falle, die jeder Jäger dir stellen könnte«, erklärte Derek. Er störte sich nicht an Stiles Befreiungsversuchen. »Wärst du ihnen in die Falle getappt, wärst du jetzt tot.«
Stiles erschauderte und sah in die Richtung, wo er das Blut ausgemacht hatte. Nun kam er sich noch dümmer vor. Er hätte nachdenken müssen. Er hatte einfach nach Hause fahren sollen.
»Du brauchst mich, um all das zu lernen«, sagte Derek und ließ etwas von Stiles ab.
Sofort drückte Stiles sich vom Wagen weg. »Ich brauch dich nicht!«, knurrte er ihm entgegen. Die Augen funkelten angriffslustig und sein Herz überschlug sich. Er schnappte nach Dereks Arm. Der Alpha zog ihn reflexartig weg. Dann versuchte Stiles, ihn zu treten. Er vergrub die Klauen in Dereks Jacke und wollte ihn irgendwie zu Boden bringen.
Kurz war Derek überrumpelt, dann hatte er Stiles wieder unter Kontrolle. Er schubste ihn gegen die Fahrertür, schmiss sich mit dem ganzen Körper gegen ihn und brüllte.
Stiles Körper vibrierte. Sein innerer Wolf, so fühlte es sich an, wollte sich zurückziehen, doch Stiles hielt ihn bei sich.
Derek brüllte erneut und diesmal gab Stiles nach. Er ließ seinen Wolf ziehen, legte den Kopf zur Seite und spürte, wie er langsam ruhiger wurde. Heute war er Derek nicht gewachsen. Seine Demonstration hatte ihn aus der Fassung gebracht. Die Angst, die er empfunden hatte, das war alles zu viel gewesen. Er fühlte sich elend. Seine Augen wurden feucht, doch Stiles war fest entschlossen, das nicht zuzulassen. Er würde keine einzige Träne vor Derek vergießen.
Er konzentrierte sich weiter auf seine Atmung. Er nahm Dereks Geruch wahr und fühlte sich sicher. Er kam ihm so vertraut vor. Noch immer krallte er sich in die Jacke, aber er wollte nicht loslassen. Es war der einzige Halt, den er grade hatte.
Eine unsichtbare Last fiel von Derek ab. Stiles hatte sich zurückverwandelt. Er hatte auf ihn reagiert. Das war ein Fortschritt. Doch Derek war sich bewusst, dass er Stiles nicht jedes Mal zu Tode erschrecken konnte, nur um sein Ziel zu erreichen. Er sah, wie aufgewühlt der Jüngere war. Vielleicht war das doch zu hart gewesen.
»Es tut mir leid«, sagte Derek leise. »Ich dachte nur, wenn siehst, was passieren kann... wenn du die Angst spürst, dann verstehst du es besser.«
»Was denn? Das wegen dir irgendwann mal eine Horde Verrückter hinter mir her ist?«, fragte Stiles zynisch.
»Das du jemanden brauchst, der dich über Gefahren aufklärt und dir beibringt, wie du dich verhalten musst.«
»Ja, das weiß ich selbst. Aber diese Person wirst nicht du sein«, entgegnete Stiles. Er drehte seinen Kopf zu Derek und öffnete die Augen.
»Es gibt aber niemand andern. Meinetwegen such dir jemaden, aber bis du einen anderen Werwolf gefunden hast, wirst du mit mir trainieren«, erklärte Derek eindringlich.
Stiles schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht. Er wollte nicht von Derek abhängig sein und seine Zukunft in seine Hand legen. Er wollte sich Derek nicht unterwerfen.
»Ich brauch keinen Alpha«, sagte Stiles.
»Doch brauchst du... Vertrau mir«, sagte Derek selbstsicher.
»Vertrauen?«, Stiles lachte hohl auf. »Derek, bitte, wieso sollte ich dir vertrauen? Du hast doch bewiesen, dass-»
»Du hast mich abgewiesen, vor den Kopf gestoßen... du hast mich angegriffen, gebissen und Sachen gesagt, über die die du dir kein Urteil erlauben solltest«, fuhr Derek dazwischen. »Und trotzdem bin ich immer noch hier... Was sagt dir das?«
Er sah Stiles eindringlich an, doch der Jüngere kaute nur auf seiner Lippe. »Was sagt dir das, Stiles?«
Stiles haderte. Was sagte das aus? Das er Derek wichtig war? Das Derek sich trotz allem um ihn bemühte, obwohl es Stiles war, der ihn brauchte?
»Ich vertrau dir nicht«, sagte Stiles kopfschüttelnd.
»Dann vertrau nicht mir, sondern darauf, dass ich weiß was gut für dich ist.« Derek's Stimme klang so sanft, dass Stiles es schwer hatte, nicht einfach nachzugeben. Tief in seinem inneren wollte er jemanden an seiner Seite haben, der ihm zeigte was richtig und was falsch war.
»Gut für mich wäre gewesen-«
»Dich gar nicht erst in einen Werwolf zu verwandeln, hab ich verstanden«, unterbrach Derek ihn. »Aber dafür ist es jetzt zu spät. Du lebst, du bist ein Werwolf, also lass mich dir doch einfach zeigen, wie du trotzdem ein normales Leben führen kannst.«
Stiles sah an Derek vorbei, schluckte einpaar mal und versuchte ruhig zu bleiben. Dieser Zwiespalt in ihm wollte einfach nicht nachlassen. Ein Teil von ihm fühlte sich Derek zugehörig. Der andere hasste ihn und Stiles war selbst verwundert, wie stark diese Abneigung war.
»Es muss nicht für immer sein«, versuchte Derek weiter. »Wir können die ganze Sache sein lassen und du wirst mich nie wieder sehen, wenn du dich erstmal unter Kontrolle hast.«
Stiles starrte ihn einfach nur an. Diesmal konnte Derek nicht sagen, in welche Richtung seine Gedanken gingen. Er wollte, dass Stiles zustimmte. Wenn er ihn zwang, und auch dazu war er bereit, würde es die ganze Sache bloß erschweren.
»Was wenn ich 'ja' sagen würde?«, fragte Stiles.
»Dann würden wir uns jeden Tag vor der Schule und am Nachmittag sehen.«
Stiles sog die Luft ein. »Übertreib nicht gleich.«
»Vor der Schule powern wir dich aus und nach der Schule fängt das eigentliche Training an. So lernst du am schnellsten«, erklärte Derek.
»Okay, aber die Wochenenden sind frei.«
»Nur morgens.« Derek ließ etwas von Stiles ab. Scheinbar kam sein Beta grade etwas auf ihn zu. Dem jungen Werwolf schien dieses Angebot nicht zu gefallen.
»Okay, dann sonntags«, kam Derek ihm entgegen.
»Sonntags, was?«
»Frei.«
Stiles zuckte mit den Schultern. War besser wie nichts. Außerdem hatte er so wenigstens ein bisschen seinen Kopf durchgesetzt.
»Wars das?«, begeistert klang Stiles nicht. Aber Derek war froh, dass er sich nicht mehr ganz dagegen sträubte.
»Nicht ganz«, sagte er zögerlich. »Ich denke, damit das funktioniert, sollten wir einpaar Regeln aufstellen.«
Stiles blickte den Älteren mit hochgezogenen Augenbrauen an. War das sein ernst? Er kam ihm entgegen und Derek wollte Regeln aufstellen?
»Regel Nummer 1: Wenn du irgendein Problem hast, rufst du mich sofort an. Egal wann, egal was es ist.« Derek bückte sich nach Stiles Handy und tippte seine Nummer ein. Dann gab er es ihm wieder und Stiles betrachtete es argwöhnisch. Es hatte glücklichweise nur einen kleinen Kratzer vom Sturz davon getragen.
»Regel Nummer zwei: Ich werde dir nichts verbieten, aber du wirst dir meine Meinung anhören und darüber nachdenken, ob es nicht vielleicht besser wäre, auf mich zu hören.«
Nun war Stiles doch recht erstaunt. Er dachte eigentlich, es hagelte nun Verbote, stattdessen wollte Derek nur, dass er ihm zuhörte. Er nickte knapp.
»Regel Nummer 3: Du wirst jeden Vollmond bei mir verbringen, bis du die volle Kontrolle hast.«
Stiles wollte erst widersprechen, dann nickte er jedoch zustimmend. Er brauchte ganz sicher Hilfe an Vollmond und Derek hatte beim letzten schon verhindert, dass er schlimmeres tat.
»Regel Nummer 4: Jede verpasste Trainingseinheit wird nachgeholt.«
Stiles blickte auf. Na das war ja toll und wenn er sich daneben benahm, musste er nachsitzen?
»Wenn du meinst«, sagte Stiles und biss die Zähne zusammen. Nur zu gern würde er protestieren, aber das brachte ihn auch nicht weiter. Je schneller er es hinter sich brachte, desto schneller war er Derek wieder los.
»Also bist du einverstanden?«, fragte Derek verdutzt.
Stiles holte tief Luft.
»Ja«, sagte er knapp.
»Dann sehen wir uns morgen früh.« Derek war ziemlich verwundert. Er ging wenige Schritte und drehte sich immer wieder um, mit der Erwartung Stiles überlegte es sich anders. Sein Beta sah ihn aber einfach nur nach.
Als er sich dann zu seinem Wagen drehte, fiel Derek plötzlich etwas ein.
»Vielleicht lässt du das lieber«, sagte er und lief eilig zum Jeep zurück. »Ich glaube es wäre besser, wenn ich dich nach Hause bringe.«
Stiles schloss genervt die Augen. Die ganze Zeit riss er sich zusammen und nun kam die nächste Geduldsprobe. »Warum?«, fragte er und öffnete die Augen wieder.
»Nur so«, wies Derek ab. »Ich bring dich nach Hause und holst deinen Jeep einfach morgen ab... morgen Abend.«
»Derek...«, Stiles wollte sich nicht für dumm verkaufen lassen.
Der Alpha seufzte und sah gequält auf. Bis grade war alles so gut gelaufen.
»Eventuell hast du Wasser im Tank«, murmelte Derek.
»Eventuell?« Stiles sah ihn auffordernd an.
»Ziemlich sicher«, gestand Derek.
»Warum hab ich Wasser im Tank?« Stiles riss sich zusammen. Innerlich tobte er beireits.
»Hättest du es geschafft wegzufahren, dann wärst du so vermutlich nicht weit gekommen und-«
»Okay«, unterbrach Stiles. Die beschwichtigende Geste dabei, machte er mehr für sich selbst. »Fahr mich nach Hasue!«
Er schloss ab und lief zu Derek.
»Ich werd mich morgen darum kümmern«, versprach Derek.
Stiles atmete einpar mal tief aus, warf immer wieder einen wütenden Blick zu Derek, doch sie hatten es grade geschafft, sich irgendwie zusammenzuraufen, das sollte nicht umsonst gewesen sein.
»Das wirst du«, sagte er, »und damit das mit uns beiden funktioniert hab ich hier Regel Nummer 5 für dich: Finger weg, von meinen Sachen!«
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Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du leben
FanficAU! - Als John den bevorstehenden Verlust seines Sohnes nicht hinnehmen will, trifft er eine folgenschwere Entscheidung: Er bittet Derek, einen Alpha-Werwolf, um einen Gefallen. Ohne wirklich darüber nachzudenken, ob er in Stiles' Interesse handelt...