Stiles machte auf die schnelle seine Hausaufgaben, während Derek ihn zur Schule fuhr. Den Block auf den Beinen, einen Stift in der rechten Hand und einen Kaffee in der linken. Einen Bagel hatte er im Handschuhfach deponiert und musste über jeden von Dereks verärgerten Blicken lachen. Sein Blick war auf den Block geheftet, aber Derek würde auch so wissen, dass er sich über ihn amüsierte. Er hatte Dereks Angebot tatsächlich angenommen. Aber weniger wegen der Bequemlichkeit, sondern eher, weil es bedeutete Zeit mit ihm zu verbringen.
Ja, er war gerne bei Derek. Dass musste er sich nach seiner spontanen Aussage, dass er niemand anderen wollte, eingestehen. Ebenso wie er sich eingestehen musste, dass es die Wahrheit war. Derek war nun mal die einzige Konstante in seinem Leben, seit dieser Verwandlungssache. Er hatte zwar noch Scott und seinen Vater, aber bei Derek fühlte er sich am wohlsten. Ihm konnte er nichts anhaben. Ihn konnte er nicht verletzen. Derek beschützte ihn, vor sich selbst und allem anderen.
Das gestrige Training war sogar wirklich gut verlaufen. Er hatte es geschafft, Derek aufzuspüren, nur durch seinen Geruch. Nachdem er sich zwei mal in die Irre hatte führen lassen und die Fräkalien eines Tieres als Derek ausgemacht hatte. Der Alpha hatte ihn leicht pikiert gefragt, ob er denn wirklich so roch, aber Stiles hatte ihn schnell beruhigt und gesagt, dass die Leute in der Mall dann vermutlich angewiedert davon gelaufen wären.
Auf das Joggen am Morgen hätte Stiles gern verzichtet, aber selbst er merkte, wenn er sich verausgabte, hatte er nicht so viele Probleme damit, sich unter Kontrolle zu halten.
Der Tag verging wie im Flug, obwohl Stiles es kaum erwarten konnte, das die letzte Stunde endlich vorbei war. Ehe er sich versah, stand er wieder auf dem Parkplatz und wartete auf Derek. Sein Alpha ließ jedoch auf sich warten.
Stiles sah all seine Mitschüler das Schulgelände verlassen, er blieb allein zurück. Ungeduldig lief er auf und ab. Er hasste es zu warten und erst recht versetzt zu werden. Derek hatte ihn doch nicht wirklich vergessen?
Nach einer halben Stunde hörte Stiles, dass der Camaro sich näherte. Er blieb stehen und starrte zur Auffahrt. Das Kribbeln in seinem Bach nahm zu. Die Ungeduld wich Nevosität.
Als der Wagen hielt und Stiles hineinsah, verstärkte sich das Kribbeln. Derek sah anders aus, keine großartige Veränderung, aber es fiel auf. Die Haare waren verwuschelt, er hatte eine Sonnenbrille auf und er trug eine Lederjacke. Stiles schluckte und öffnete die Tür.
»Du bist zu spät«, sagte er und setzte sich.
»Sei froh, dass ich überhaupt komme«, grummelte Derek und startete den Wagen.
Stiles zog die Augenbrauen hoch. Derek hatte es ihm angeboten, warum klang es nun so, als hätte er ihn dazu genötigt?
»Tut mit Leid, ich hab nicht auf die Zeit geachtet. Ich... war beschäftigt«, erklärte Derek und rieb sich die Augen unter der Sonnenbrille.
»Die Frau aus der Mall?«, fragte Stiles ohne nachzudenken. Eigentlich wollte er das gar nicht wissen. Er wollte nicht mal drüber nachdenken.
»Ähm... Ja«, antwortete Derek zögernd. Er heftete seinen Blick auf die Straße und fuhr auf direktem Wege zu seinem Haus.
»Na toll!« Stiles verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich tiefer in den Sitz sinken. Als er selbst bemerkte, was er da tat, richtete er sich wieder etwas auf. »Ich meine: Toll«, sagte er und versuchte sich irgendwie für ihn zu freuen. Es passte ihm nur leider ganz und gar nicht, dass Derek ihn für irgendjemand anderen versetzte.
Derek nahm die Eifersucht nur allzuseutlich wahr. Er stöhnte innerlich auf. Was fand Stiles bloß an dieser Frau? Es war nicht mal die Wahrheit. Er hatte die halbe Nacht nach dem anderen Werwolf gesucht und sich vorhin kurz hingelegt. Er musste unbedingt herausfinden, ob dieser Werwolf etwas schlechtes im Schilde führte. Für den Fall, dass er gefährlich werden könnte, wollte er Stiles vorbereiten.
»Wir trainieren heute Nahkampf«, informierte Derek.
»Was?«, Stiles sah erschrocken zu dem Alpha, »Bist du verrückt, ich hab keine Chance gegen dich.«
»Du sollst auch nicht wirklich gegen mich kämpfen«, entgegnete Derek. Er wollte nur, dass Stiles sich im Ernstfall verteitigen konnte. Das war erstmal wichtiger, als seine Instinkte zu kontrollieren. Ansonsten hätte Derek keine Ruhe.
»Und warum? Der nächste Vollmond kommt und die willst mir zeigen, wie ich kämpfen kann, anstatt wie ich mich kontrollieren kann?« Die Ungläubigkeit in Stiles Stimme verriet deutlich, wie er die Sache sah und er hatte ja Recht. Wenn Derek ihn jetzt im Kampf unterrichtete, hätte er an Vollmond vermutlich wirklich ein Problem.
»Okay, wir werden etwas anderes versuchen«, sagte Derek und deutete Stiles an, ihm aus dem Haus zu folgen. »Ich kann dir nicht beibringen wie man kämpft, wenn du bei jeder meiner Bewegungen zusammenzuckst.«
Stiles verdrehte die Augen. Derek hatte gut reden, er musste ja auch nicht damit rechnen, schlimme schmerzen zu ertragen. Denn wenn er ihn angriff, da war Stiles sicher, würde er welche haben. Völlig egal ob Verletzungen nun heilten oder nicht, es tat weh. Stiles dachte ungern an den gebrochenen Arm zurück.
»Ich versteh sowieso nicht, warum ich kämpfen lernen soll«, sagte Stiles. Es ging bei dem Ganzen hier doch darum, dass er lernte sich zu kontrollieren und keine tickende Zeitbombe mehr war. Um später normal weiterleben zu können.
»So kannst du dich im Notfall verteidigen«, entgegnete Derek.
»Gegen wen?«
Derek warf einen zögernden Blick über die Schulter. Er wollte Stiles noch nichts von dem anderen Werwolf sagen. Zumindest nicht, dass er nicht wusste, welche Absichten er hegte. Normalerweise hätte ein Wolf in fremden Territorium sich zu erkennen geben müssen. Und Derek war sicher, dieser Werwolf hatte ihn auch bemerkt.
»Stell nicht so viele Fragen«, murmelte er.
Mit zusammengekniffenen Augen folgte Stiles ihm. Es ging um ihn, wie könnte er da keine Fragen stellen?
»Du wirst dich an mir vorbei schleichen. So lernst du deine Sinne zu nutzen und sie zu kontrollieren. Je besser das klappt, desto leichter ist es an Vollmond«, erklärte Derek. »Wenn du es schaffst unbemerkt ins Haus zu kommen, machen wir Schluss für heute.«
»Wenns danach geht, stehen wir nächste Woche noch hier«, entgegnete Stiles frustriert. Er hatte doch keine Chance gegen Derek, begriff er das nicht?
Sie starteten von verschiedenen Positionen im Wald. Stiles rannte schnurstracks zum Haus zurück und wurde auf nicht mal der Hälfte des Weges von Derek überrascht.
"Was machst du da?", fragte der Alpha irritiert.
"Zum Haus zurück gehen?"
"Du trampelst wie ein Elefant durch die Gegend und achtest kein Stück auf deine Umgebung. Was soll dir das bringen?" Derek verschränkten die Arme und sah den Beta streng an. "Du musst wahrnehmen wo ich bin und ausweichen."
"Sag das doch!" Stiles trat unruhig von einem Bein aufs andere. Er hatte schon wieder oder immer noch Hunger. Außerdem kam er sich blöd vor.
"Was sonst ist der Sinn beim Vorbeischleichen?"
Stiles kratzte sich am Hinterkopf und grinste Derek an. Den Teil hatte er wirklich außer Acht gelassen. Er hatte nur noch den Teil im Kopf, bei dem er es ins Haus schaffen musste.
"Also nochmal", befahl Derek. Sie gingen zurück auf ihre Plätze. Er hatte ja gar nicht vor, es Stiles unnötig schwer zu machen, aber ein bisschen anstrengen musste er sich schon.
Er lief langsam Richtung Haus. Stiles gab sich Mühe keinen Laut von sich zu geben, aber er achtete noch immer nicht auf Derek. Der Alpha ließ ihn ein Stück laufen, dann näherte er sich soweit, dass er ihn anspringen und zu Boden bringen konnte.
"Mann!", rief Stiles frustriert. Er hatte sein Ziel doch schon vor Augen gehabt. Und er war wirklich leise gewesen.
Derek half ihm auf. "Denk drüber nach, was du falsch gemacht hast", sagte er und ließ Stiles stehen. Der Beta ging zurück in den Wald. Dann lief er erneut los. Diesmal konzentrierte er sich auch auf Derek. Er schaffte es, ihn irgendwann auszumachen, aber was sollte er nun tun? Er war weder schneller, noch stärker. Was brachte es ihm, zu wissen das er keine fünf Meter entfernt auf ihn lauerte?
Stiles versuchte etwas mehr Abstand zu bekommen. Er lief in den dichteren Wald und versuchte nicht länger leise zu sein. Derek wusste eh wo er war. Jetzt musste er ihn irgendwie aufhalten, um schneller sein zu können.
Als er so tief im Wald war, dass er sich selbst zwischen Bäume und Geäst quetschen musste, machte er sich auf Richtung Haus. Sobald es lichter wurde, rannte er los. Er sah das Haus immer näher kommen, aber bevor er die letzten Bäume ganz hinter sich gelassen hatte, sprang Derek von einem hinunter, direkt auf ihn drauf.
Sie beide trugen nur Jogginghose. Dadurch spürte Stiles ziemlich viel von Derek, denn er saß breitbeinig auf seinem Hintern und er überlegte ernsthaft wo das nun einzuordnen war. Angenehm oder Unangenehm? Er wollte dass Derek sich bewegte, allerdings nicht, um von ihm runter zu gehen.
Erschrocken stützte Stiles sich vom Boden ab. Diese Gedanken gingen in eine ganz falsch Richtung!
"Nochmal!", knurrte Derek. "Und diesmal gibst du dir mal etwas Mühe."
Er stand auf und ließ Stiles ohne ein Wort stehen, dabei hätte der ihm zu gerne welche an den Kopf geworfen. Er gab sich Mühe und er hatte sich sogar einen Plan überlegt! Was wollte der Idiot denn noch?
Stiles stand wieder an seinem Baum. Diesmal wartete er hab. Der Schrecken über seine Gedanken, saß ihm noch immer in den Knochen. Nochmal wollte er es nicht zu Körperkontakt kommen lassen.
Leise schlich er etwas weiter in den Wald, zog seine Sachen aus und wälzte sie durch den Dreck. Ein wenig davon rieb er sich selbst über Brust und Rücken. Auf diese Weise konnte er seinen Geruch überdecken und es Derek schwerer machen. Dann schlich er leise weiter zu Dereks Startposition.
Stiles folgte seiner Spur weiter, bis er sich irgendwann ganz sicher war, wo der Alpha sich aufhielt.
Derek sah sich suchend um. War Stiles abgehauen? Sein Geruch war weg und es war still. Würde er sich noch ein bisschen mehr konzentrieren, könnte er Stiles Herzschlag wahrnemen - oder eben nicht- und hätte Gewissheit. Aber er wollte ihm eine Chance geben. Als Alpha war er ihm so oder so überlegen. Bis jetzt gab es keine Spur von ihm. Vorsichtig lief er weiter. Er sah in den Wald, entschied sich dann aber doch, zum Haus zu gehen. Schließlich musste Stiles dort auftauchen. Er ließ seinen Blick weiter wachsam über das Gelände schweifen, sah aber nicht, dass der Jüngere sich wenige Meter hinter ihm versteckte.
Stiles war noch immer wie erstarrt. Was sollte er jetzt tun? Ins Haus stürmen würde nicht funktionieren, vorher würde Derek ihm erwischen. Ratlos suchte er den Boden ab. Es musste doch irgendwas geben. Sein Blick blieb an einem Stein hängen. Nur zu genau erinnerte er sich an das versuchte Täuschungsmanöver mit seinem Handy. Ob Derek diesmal drauf reinfallen würde?
EIne andere Chance hatte er nicht. Er bückte sich, hob den Stein auf und schmetterte ihn mit all seiner Kraft in Dereks Richtung. Zeitgleich rannte er los, zum Haus. Er hörte eine dumpfen Aufprall und einen schmerzerfüllten Ausruf. Er kam ins Staucheln. Hatte er ihn etwa getroffen? Dem wütenden Knurren nach zu urteilen schon.
Er nahm die Beine in die Hand und lief schneller. Jetzt war es eh zu spät, aber noch konnte er es schaffen ins Haus zu gelangen. Er hörte Derek herumwirbeln. Das Laub unter seinen Füßen raschelte und Stiles versuchte noch ein wenig schneller zu laufen.
Er raste auf sein Ziel zu. Die dunkle Eichentür versperrte ihm den weg. Es wäre ein leichtes gewesen, anzuhalten und sie zu öffnen. Stiles jedoch bretterte weiter und einfach hindurch. Das Holz zersplitterte in alle Richtungen, Stiles stolperte und fiel auf den harten Dielenboden.
Derek trat langsam an die Tür heran. Den Mund, voller Unglaube, leicht geöffnet, sah er durch das Loch. Er sah seinen Beta am Boden liegen und konnte es trotzdem nicht fassen. Er öffnete die Tür, trat herein und starrte weiter auf das zersplitterte Holz.
»Ich habs geschafft«, bemerkte Stiles leise.
Derek sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu ihm. Sein Beta kaute schuldbewusst auf seiner Lippe herum, während er wartete, dass Derek etwas sagte. Der Alpha blieb stumm, ihm fehlten schlichtweg die Worte.
Stiles atmete tief ein und überlegte, wie er erklären sollte, was passiert ist. So hatte er es nicht geplant. Es würde schwer werden, die Entschuldigung an die Größe des Schadens anzupassen.
»Dann sind wir wohl fertig für heute«, sagte Derek nach einer Weile.
Stiles nickte zögernd und stand auf. Als Derek auf ihn zu kam und die Hand hob zuckte er erschrocken zusammen. Der Alpha zog ihm jedoch nur einpaar Splitter aus dem Gesicht. Vorsichtig strich er über die Haut, um sicherzugehen, dass alle raus waren. Das löste in Stiles den Wunsch aus direkt durch die nächste Tür zu rennen, extra mit dem Gesicht voran. Er entfernte sich langsam von Derek. Diese Gedanken, sollte er schleunigst in den Griff bekommen.
Zusammen machten sie sich auf den Weg nach draußen. Als Derek die Tür hinter sich zuzog, drehte Stiles sich nochmal um.
»Willst du nicht abschließen?«, fragte er grinsend.
»Hau bloß ab!«, antwortete Derek verärgert und scheuchte ihn Richtung Camaro.
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Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du leben
Hayran KurguAU! - Als John den bevorstehenden Verlust seines Sohnes nicht hinnehmen will, trifft er eine folgenschwere Entscheidung: Er bittet Derek, einen Alpha-Werwolf, um einen Gefallen. Ohne wirklich darüber nachzudenken, ob er in Stiles' Interesse handelt...