"Willst du mich wirklich zwingen es auszusprechen?"

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Am nächsten Morgen, wurde Derek von einem sehr unnachgiebigem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Das penetrante Klingeln, wollte einfach nicht verstummen. Derek öffnete die Augen, blinzelte. Stiles lag neben ihm, wie erschlagen. Der halbe Körper hing aus dem Bett und er schien sich nicht im geringsten an dem nervtötendem Piepen zu stören. Derek zog die Augenbrauen zusammen, blickte finster drein und lehnte sich über Stiles, um dem Ding endlich den Gar aus zu machen. Dann wollte er sich wieder hinlegen, aber er stoppte in seiner Bewegung. Stiles musste in die Schule, deshalb hatte das blöde Teil ja überhaupt geklingelt. Er stupste den Jüngeren an, doch der schlug bloß um sich. Derek versuchte, ihn anzusprechen – nichts. Einen Moment blickte er ratlos drein, dann rutschte er ganz nah an ihn heran und strich vorsichtig über seine Wange und seinen Hals, bis er sah, dass sich die Härchen auf seinem ganzen Körper aufstellten. »Stiles...«, säuselte er.
Der Jüngere gab einen gequälten Laut von sich, dann brüllte Derek ihm plötzlich ins Ohr. Stiles sprang erschrocken aus dem Bett, stürzte beinahe zu Boden und richtete sich mit rasendem Herzschlag auf. Er warf Derek einen tödlichen Blick zu und wollte grade anfangen zu reden, als Derek ihm zuvor kam. »Du kommst zu spät zur Schule«, sagte er schulterzuckend. Stiles sah zur Uhr, presste die Lippen aufeinander und packte einpaar Klamotten zusammen. »Sei froh!«, zischte er. »Du bekommst es trotzdem irgendwann zurück.« Mit dieser Drohung verschwand er im Bad. Derek grinste breit, streckte sich einmal lang auf dem Bett aus, ehe er aufstand und sich anzog. Stiles brauchte nicht lange. Er hastete aus dem Bad, mit freiem Oberkörper und der Zahnbürste im Mund. Gehetzt wühlte er in seinem Kleiderschrank und schmiss zwei Tshirts aufs Bett. Derek beobachtete es verwundert. Dann verschwand Stiles erneut im Bad und kam ohne Zahnbürste zurück.
»Meine Klamotten passen nicht mehr«, sagte es und fuhr mit der Hand an seinen Oberkörper hinab. Derek konnte nicht wegsehen. Er hätte es lieber tun sollen. In seinen Lenden begann es zu pochen und er schloss ergeben die Augen.
»Seh ich irgendwann aus wie du, oder was?«, scherzte Stiles.
»Mit deiner Trainingsmoral sicher nicht«, entgegnete Derek.
Das Tshirt das Stiles nun anzog, musste vorher wie ein Sack an ihm gehangen haben, denn es spannte locker über seine Schultern.
»Ich muss dringend ausmisten... und neue Sachen kaufen. Zwei Drittel kann ich nicht mehr tragen. Ist dir übrigens aufgefallen, dass sich das mit dem Essen gelegt hat? Aber dafür muss ich jetzt Klamotten kaufen, auch nicht besser... Es lebt sich echt teuer, als Werwolf. Wie soll man da sparen? ...Hey Derek, hörst du mir überhaupt zu?«
Derek hörte nicht zu. Er folgte Stiles Bewegungen, sah dem Muskelspiel seiner Arme zu und hoffte jedes Mal, dass das Tshirt nochmal ein Stück hoch rutschte und etwas von der blassen Haut freilegte. Wenn das so weiterging, war er in wenigen Tagen ein notgeiler Alpha, der seinen Beta einfach besprang.
Stiles stand irgendwann vor Derek und schnippte mit dem Finger. Derek hasste diese Geste und schlug die Hand weg.
»Verrätst du mir, was dich ablenkt?«, fragte Stiles.
»Nein«, Niemals!
Stiles zuckte mit den Schultern, dann packte er seine Schultasche. »Wann soll ich heute bei dir sein?«, fragte er beim Hinausgehen.
Derek folgte ihm. »Gar nicht. Heute fällt dein Training aus. Ich muss am Haus weitermachen. Da ist viel liegen geblieben.«
Stiles drehte sich verwundert zu Derek um. Das hatte es ja noch nie gegeben. Sonst war er es immer, der sich drückte.
»Ich werd's nicht nachholen«, sagte er entschlossen.
»Musst du nicht.« Dereks Instinkt sagte ihm, dass es besser wäre, Stiles aus dem Weg zu gehen. Das war zwar potenziell problematisch, aber er musste jede Gelegenheit ergreifen. »Mach was für die Schule oder treff dich mit Scott. Ich hab heute viel Arbeit vor mir.«
Stiles stimmte zu, auch wenn er noch immer skeptisch war, und stieg in seinen Wagen.
Derek verabschiedete sich schnell und lief zum Camaro, um Stiles rauszulassen, bevor er wirklich zu spät kam.
Ein stück folgte Derek dem Jeep, bog aber an der nächsten Kreuzung ab. Stiles beobachtete es im Rückspiegel. Etwas war komisch an Dereks Verhalten. Vielleicht wurde ihm auch alles zu viel? Das Haus, Stiles - Derek hatte ja kaum noch Zeit für sich. Stiles konnte wenigstens abschalten, wenn Derek nicht bei ihm war. Er sollte sich etwas für ihn überlegen. So wie er Derek einschätzte, machte er sich um alles Gedanken, außer um sich selbst.
Mit diesem Entschluss hielt er auf dem Schulparkplatz und lief ins Gebäude. Tyler grüßte ihn, was er seit einiger Zeit täglich tat, und Stiles hob kurz die Hand, so wie er er täglich tat. Dann suchte er Scott. Er wartete vor dem Klassenzimmer und hatte ein Buch in der Hand. Englisch war keines seiner guten Fächer, also versuchte er immer sich vorzubereiten. Zumindest in diesem Schuljahr.
»Hey«, begrüßte Scott ihn. »Wir haben nur eine Doppelstunde Englisch. Danach fällt der ganze Unterricht aus.«
Stiles Augen blitzten erfreut auf. Das waren doch gute Neuigkeiten.
»Sollen wir danach was machen?«, Scott klappte das Buch zusammen und steckte es weg. Stiles schüttelte entschuldigend den Kopf.
»Ich denke, ich werde Derek helfen. Er muss viel am Haus machen und zu zweit gehts schneller.«
Auch wenn Stiles handwerkliches Geschick sich in Grenzen hielt, so gab es doch kleine Aufgaben, die er erledigen konnte, damit Derek Zeit sparte. Direkt nach dem Unterricht fuhr er zur Bäckerei, holte Kaffee, Bagels und Donuts für später. Voll bepackt machte er sich auf den Weg zu Derek. Wenn sie sich ranhielten und viel schafften, könnte er Derek am Abend vielleicht ins Kino einladen. Als Dankeschön. Er musste sich nur noch überlegen, wofür er sich bedanken wollte.


Derek war nicht direkt nach Hause gefahren. Er setzte sich in ein kleines Diner und bestellte Kaffee. Die aktuelle Zeitung lag noch von seinen Vorgänger auf dem Tisch und Derek schlug sie auf. Obwohl die Geschehnisse in der Welt ihn kaum interessierten. Sie hatten nichts mit seiner zu tun und er würde die Hälfte aller Probleme anders lösen.
Nach einer Weile, kam er sich beobachtet vor. Der Tisch vor ihm wurde nun von einer dunkelhaarigen, jungen Frau besetzt. Sie sah müde und erschöpft aus, trotzdem ließ sie Derek nicht aus den Augen. Der Werwolf versuchte, sich wieder auf den Artikel in der Zeitung zu konzentrieren. Er wusste, sie guckte noch immer. Mit dem Vorbeilaufen der Kellnerin wurde auch ihr Geruch zu ihm getragen. Er verdrehte die Augen. Er hasste es, wenn er so deutlich mitbekam, das jemand Interesse an ihm hatte. Aber kam es nicht eigentlich ganz gelegen? Derek hatte Sex bitter nötig, egal wie erbärmlich das klang, und dabei war es ihm egal, ob Frau oder Mann. Wobei er Frauen bevorzugte. Sie wirkten zarter und schutzbedürftiger als die Männer, die er attraktiv fand. Die Frau am Tisch gegenüber war nicht ganz sein Typ, dafür wirkte sie zu selbstbewusst, aber hübsch war sie. Und es ging nur um Sex, eine einmalige Sache, nach der Derek hoffentlich wieder im Stande war, klar zu denken und sich auf das Wichtige zu konzentrieren. Vor allem aber, um sich wieder normal in Stiles Nähe aufhalten zu können.
Er lächelte sie an, schaute ihr einen Moment lang in die Augen und widmete sich dann wieder der Zeitung. Sie war wirklich so selbstbewusst, wie es den Anschein hatte. Ohne zu zögern, kam sie an Dereks Tisch und setzte sich. Sie lächelte, er erwiderte es. Das Spiel kannte er, auch wenn er es lange nicht gespielt hatte. Für gewöhnlich ging er aber auf die Frau zu.
»Lange Nacht gehabt?«, fragte er.
Sie nickte und umfasste ihre Tasse. »Und du, eine zu kurze?«
Derek lachte auf und rieb sich über die Augen. »Der Morgen hat zu früh begonnen«, stimmte er zu.
»Na dann wird der Kaffee hier es auch nicht reißen«, ließ die Dunkelhaarige verlauten.
»So?« Derek stellte Tasse weg und beugte sich etwas zu ihr. »Kennst du was, das besser hilft?«
Sie lächelte bestätigt. »Es soll helfen entspannt und zufrieden in den Tag zu starten oder schlafen zu gehen.«
»Und wie erreicht man das?«
»Atemübungen, ein bisschen sportliche Aktivität um den Kreislauf in Schwung zu bringen und abzuschalten.« Sie lachte auf und schüttelte den Kopf. »Wir brauchen nur einen geschlossenen Raum, dann kann ich es dir zeigen.«
Amüsiert blickte Derek sie an. Sie schien das zu sagen, was ihr grade durch den Kopf schoss. Gefiel ihm irgendwie.
»Ich lebe momentan auf einer Baustelle«, warnte er sie vor.
»Stört mich nicht«, sagte sie mit ziemlich energischer Stimme. Derek war überrascht. Ohne sie aus den Augen zu lassen hob er die Hand. Als die Kellnerin kam, zahlte er schnell für sie beide.
»Ich bin übrigens Derek«, sagte der Werwolf während sie zu seinem Wagen gingen.
»Gut zu wissen. Das wird hilfreich sein, falls du mich dazu bringst, deinen Namen stöhnen zu wollen.« Ohne rot zu werden lief sie zur Beifahrertür. Sie schien nichtmal sonderlich beeindruckt, von dem Camaro. Derek starrte sie an. Sie gab das mit einer solchen Belanglosigkeit in der Stimme von sich, dass es wie eine Feststellung klang. An irgendwen erinnerte sie ihn.
»Wie heißt du?«, fragte Derek, als von ihr nichts weiter kam.
»Leah«, antwortete sie.
Als Derek daraufhin den Wagen aufschloss, setzte sie sich schnell hinein. Es war ungewohnt, dass da jemand anderes, als Stiles saß. Er blickte einpaar mal neben sich.
»Stimmt was nicht?«, fragte Leah und legte eine Hand auf Dereks Oberschenkel. Derek zuckte leicht zusammen. Plötzlich war er von seiner Idee gar nicht mehr so angetan.
»Nein, alles Bestens. Erschreck dich nur nicht. Das Haus ist vor vielen Jahren abgebrannt. Zum Teil sieht es auch immer noch so aus.«
»Ich bin schon in einigen Bruchbuden abgestiegen«, entgegnete sie. »Ich weiß, es spricht nicht für mich, aber ich bin nicht der Typ Frau, der Beziehungen führt oder Verpflichtungen eingeht.«
»Gut zu wissen«, sagte Derek erleichtert.
»Die große Liebe reißt man nicht Morgens, in einem Diner auf.«
Da stimmte Derek ihr zu, doch so wie sie große Liebe aussprach, war da was.
»Du hattest sie schon gefunden, hmh? Die große Liebe...«
Sie lächelte traurig. »Gefunden und verloren. Ein Autounfall vor vier Jahren. Seitdem will ich mich nicht mehr binden. Ich schätze, ich bin auch noch nicht drüber hinweg. Deshalb arbeite ich nachts, damit ich nicht schlafen muss. Über Tag fällt es leichter.«
Derek war erstaunt von ihrer Offenheit. Er würde ihr sicher nichts aus seinem Leben erzählen.
»Männer zeigen zu viel Interesse an der geheimnisvollen Fremden«, erklärte sie. »Ich gehe auf Nummer sicher und mach ihnen direkt klar, was sie erwarten können und was nicht.«
Derek brachte die letzten Meter zum Haus, ohne ein weiteres Wort, hinter sich. Die Frau sah ein wenig erschrocken aus.
»Keine Fragen«, sagte Derek knapp.
Sie nickte verstehend und stieg aus. Derek führte sie gradewegs in sein Schlafzimmer. Sie blickte sich um.
»Geht doch«, sagte sie und ging auf ihn zu. »Wir haben alles was wir brauchen.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und ließ ihre Hände lasziv über seinen Körper gleiten, dann löste sie sich von ihm und öffnete ihren Mantel. Derek hatte einen anderen Anblick erwartet. Sie trug ein kurzes Top, welches grade das Nötigste bedeckte, ein roter Spitzen-BH blitzte hervor und ihr Rock könnte auch als Stoffstreifen durchgehen. Derek war sich sicher, dass er zu viel sehen würde, wenn sie vor ihm herlaufen würde. Wen hatte er sich da ins Haus geholt?
»Keine Sorge, ich bin Tänzerin, keine Nutte«, beruhigte sie ihn.
»Sorry«, murmelte Derek unbeholfen. Es musste ihm ja förmlich im Gesicht geschrieben stehen, was er dachte.
»Berufsrisiko«, tat sie es ab und zog Derek zu sich. »Wie machst du es am liebsten?«, fragte sie und Derek war schon wieder überfordert. Die richtige Antwort wäre vermutlich: Gar nicht – denn das Einzige, was er wollte war dieses kurze Gefühl von Befriedigung, nach dem Orgasmus und wie er dahin kam, war ihm eigentlich egal. Außerdem bekam er immer mehr Zweifel, ob es richtig war, was er tat.
Leah schien zu merken, das etwas nicht stimmte. Sie rieb mit der Hand über seine Mitte und stellte fest, dass er nicht erregt war.
»Ist wohl noch zu früh für dich«, sagte sie grinsend. »Ich kenn da ne gute Technik.«
Ohne sich beirren zu lassen, fuhr die Dunkelhaarige fort. Sie öffnete Dereks Hose und schob sie langsam von den Hüften. Dabei ließ sie den Augenkontakt nicht abbrechen. Derek würde gern wegsehen, aber diese Geste schickte sich nicht für einen Alpha. Irgendwas fühlte sich komisch an und das lag nicht an dem, was sie tat. Derek versuchte sich so gut es ging zu konzentrieren. Er musste seine Erektion gradezu heraufbeschwören und plötzlich wusste er wieder, warum er freiwillig auf Sex verzichtet hatte. So war es immer gewesen. Bis er in Fahrt kam, dauerte es ewig. Wie konnte er da plötzlich wieder solche Lust drauf haben?
Langsam ging sie vor ihm in die Knie, zog ihm seine Hose weiter hinunter, bis sie an seinen Knöcheln hing. Dann legten sich ihre Lippen um seine erwachende Erektion. Sie ist unvorsichtig, schoss es Derek durch den Kopf. Sie konnte schließlich nicht wissen, dass er weder Krankheiten bekommen, noch übertragen konnte. Darauf hinweisen wollte er sie aber nicht. Er legte eine Hand auf ihren Hinterkopf und zog leicht an ihren Haaren. Es dauerte nicht lange, bis er ganz erregt war. Es war eine Reaktion seines Körpers, vielleicht war für Derek deshalb alles eine unbedeutende Körperreaktion, weil es bei ihm eben nie mehr war. Er konnte sich nicht vorstellen wie es anders sein sollte. Nun, wenn er an seinen Traum zurückdachte, konnte er das eigentlich schon, aber den Gedanken ließ er nicht weiter zu. Nicht jetzt, denn das machte das, war er grade im Begriff war zu tun, noch viel verwerflicher. Etwas ruppiger, als beabsichtigt, riss er Leah hoch.
»Das reicht«, sagte er mit rauer Stimme und drängte sie zum Bett. Auf dem Weg befreite er sie von den wenigen Klamotten und zog sein Tshirt über den Kopf. Als sie vor ihm lag, blickte Derek sich suchend um. Besaß er überhaupt noch sowas wie Kondome? Die Dunkelhaarige angelte nach ihrer Jacke und zog eine kleine Verpackung hervor. Derek nahm sie sofort an sich und riss sie auf. Er rollte das Kondom über und stellte sich vor sie.
»Dreh dich um«, forderte er.
Leah blickte ihn skeptisch an, tat es aber. Als sie sicher vor ihm kniete, positionierte Derek sich. Er nahm ihre Frustration wahr. Wahrscheinlich hätte sie sich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Engagement gewünscht, aber Derek war kein guter Liebhaber, das wusste er. Er wollte es auch gar nicht sein. Es ging ihm nur um eins, um sich, mehr nicht. Sollte sie sich doch vorher überlegen, ob man unbedingt mit wildfremden Leuten ins Bett sprang.
Er baute schnell einen gleichmäßigen Rhythmus auf und musste zugeben, absolut aus der Übung zu sein. Dieses bisschen Reibung brachte ihn beinahe dazu, zu kommen. Lange würde er das nicht durchhalten. War vielleicht sogar besser, wenn es schnell vorbei war.
Ein leises Knarren holte ihn aus seiner Konzentration und bevor er auch nur im Stande war, es zuzuordnen, kam er. Er stöhnte rau auf und verstärkte die Nachwirkung des Orgasmus, indem er sich noch ein wenig in ihr bewegte. Genau dafür tat er es. Er stieß erleichtert die Luft aus und ließ dieses Gefühl durch seinen ganzen Körper ziehen. Dann atmete tief ein und hatte plötzlich einen sehr vertrauten Geruch in der Nase. Stiles!
»Hey Derek, ich hab-« Sein Beta hielt erschrocken inne. Die Tür stand weit genug offen, dass er alles sehen konnte. Derek schloss die Augen. Die Freude, die grade noch deutlich in seiner Stimme zu hören war, verflog und Derek nahm nur noch Enttäuschung und Schmerz wahr. Er ignorierte es.
»Sorry«, murmelte Stiles und stürmte aus dem Haus. Derek hörte den rasenden Herzschlag noch, als Stiles die Haustür längst hinter sich zugeschlagen hatte. Vielleicht war es auch sein eigenes Herz.
»Fuck!« Er zog sich aus der Dunkelhaarigen zurück und hob seine Boxershorts auf. Warum hatte er plötzlich so ein schlechtes Gewissen? Er lief in den Flur und hörte grade noch, wie Stiles in seinem Jeep davon fuhr. Auf der Treppe standen eine Tüte und zwei Kaffeebecher. Derek griff nach der Tüte und rieb mit dem Daumen über das Papier. »Scheiße«, fluchte er und ging zurück ins Schlafzimmer.
»War das dein Freund?«, fragte die Dunkelhaarige. Für sie schien Dereks Reaktion nur diesen Schluss zuzulassen.
»Nein« Derek sah sie nicht an, sondern hob sein Tshirt auf und zog es über. Dann sammelte er ihre Sachen auf und warf sie ihr entgegen. Er war auf einmal so wütend. Und an irgendjemanden musste er es auslassen. Nun verstand er auch, warum Stiles ihn manchmal so vor den Kopf stieß.
»Das wars jetzt?«, fragte Leah ungläubig.
»Ja, wir sind fertig«, antwortete Derek.
»Du meinst wohl, du bist fertig.« Verärgert zog sie ihre Sachen an. »Ich hatte nicht vor, nur als dein Bespaßungsprogramm zu dienen«, warf sie ihm vor.
»Ach nein? Du bist doch für Männer nichts anderes.« Derek verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie an. »Fällt wohl auch unter Berufsrisiko... und jetzt raus hier!«
Derek bereute seine Worte schnell. Er sah zu, wie die junge Frau, ohne ein Wort, an ihm vorbei rauschte und hinaus eilte. Sie war verletzt und damit hatte er es innerhalb von wenigen Minuten geschafft, zwei Menschen zu verletzen und zur Flucht anzutreiben. Wütend schlug Derek gegen die Wand. Warum hatte Stiles nicht eine Stunde später auftauchen können oder gar nicht?
Er blickte auf die offen stehende Haustür und ging hin. Leah hatte in ihrer Wut schon einige Meter hinter sich gebracht. Sie musste laufen, weil sie mit Dereks Wagen gekommen waren. Kurz war er versucht, ihr zu folgen und sie als Wiedergutmachung für seine Worte zu fahren, aber er verwarf den Gedanken schnell wieder. Sie war jetzt grade vielleicht aufgelöst, aber spätestens mit dem nächsten Kerl war er vergessen.

Stiles fuhr rechts ran. Seine Sicht verschwamm mehr und mehr, sein Herz zog sich immer wieder schmerzhaft zusammen. Von wegen Derek hatte keine Zeit für sich. Er nahm sich Zeit für sich. Wahrscheinlich wartete er jedes Mal nur darauf, dass er Stiles endlich los wurde und machte sich dann eine Nummer klar. Oder war das grade seine Freundin gewesen? Eher nicht. Das hätte er ihm sicher nicht verschwiegen. Besser machte es das aber nicht.
Er rieb sich über die Augen und versuchte sich zusammenzureißen, aber er bekam das Bild von Derek nicht aus dem Kopf. Nackt, war er in ihr gewesen. Stiles hatte sie wirklich in flagranti erwischt.
Es tat so unglaublich weh. Er fühlte sich betrogen, obwohl er keinen Grund dazu hatte. Fast hätte er sich selbst geglaubt, dass er seine Gefühle für Derek falsch deutete. Fast hätte er es geschafft sich einzureden, nicht in ihn verliebt zu sein, nur Scott hatte es besser gewusst. Vorsichtig fuhr Stiles nach Hause und wischte sich immer wieder über die feuchten Augen. Als er es endlich geschafft hatte, sprang er aus dem Wagen. Er lehnte sich so stark an die Haustüre, dass er hineinstolperte, als er aufschloss. Er schlug die Tür zu und ließ sich an der Wand im Flur auf den Boden sinken. Er hatte das Gefühl zu ersticken. An all den Gefühlen und an all dem Schmerz.
Er hatte es grade geschafft sich zu beruhigen, als sein Vater aus der Küche kam.
»Was ist passiert, Junge?«, fragte er besorgt.
»Nichts«, antwortete Stiles mit zittriger Stimme.
»Stiles, ich hab Augen im Kopf.« Der Sheriff ließ sich neben seinem Sohn nieder. »Wenn es irgendwas gibt, was du mir sagen willst... Du kannst über alles mit mir reden.«
Stiles schüttelte nur verzweifelt den Kopf. Er wollte nicht reden.
»Hat es was mit Derek zu tun?«, hakte sein Vater weiter nach.
Stiles schüttelte noch immer den Kopf, doch seine Augen wurden wieder feuchter. Zitternd rieb er sich die Tränen weg.
»Ich hätte fast geglaubt, dass ich mir diese Gefühle nur einbilde«, stammelte Stiles vor sich her.
»Du bist in Derek verliebt«, äußerste sein Vater den längst gehegten Verdacht. Stiles blickte ihn mit großen, glasigen Augen an.
»Ich wollte wirklich glauben, dass es nicht so ist«, krächzte er.
»Und was ist passiert, dass du es nicht mehr glauben kannst?« John legte ihm eine Hand auf die Schulter und knetete sie sachte.
»Ich hab ihn gesehen...«, Stiles schluckte und holte tief Luft. »Er hat ne andere gevögelt und...« Verzweifelt schüttelte er den Kopf, wollte die Bilder loswerden die unweigerlich auftauchten.
»...und das tut so weh, dass du die Wahrheit nicht mehr ignorieren kannst«, brachte John es auf den Punkt.
Stiles nickte langsam und ließ sich von seinem Dad in eine Umarmung ziehen. Er wollte ihn nicht lieben. Liebe tat weh. Warum verliebte er sich denn immer in die Falschen? Lydia hatte sich nie für ihn interessiert und Derek würde es auch nie, auf diese Weise, tun. Er stand auf Frauen, dass hätte ihm schon klar sein müssen, als er von Paige und dieser Jägerin erzählt hatte. Dieser Kuss hatte ihm rein gar nichts bedeutet. Er war nur für Stiles da, weil es seine Pflicht war.
Stiles vergrub sich tiefer in den Armen seines Vaters. Sie saßen beinahe eine Stunde so da, ehe der Sheriff ihn in sein Zimmer scheuchte, damit er sich aufs Bett legte. Liebeskummer muss man durchstehen, da gibt es kein Heilmittel, hatte er gesagt. Stiles wollte es aber nicht durchstehen. Er wollte Derek neben sich liegen haben, in seinen Armen liegen und sich der Illusion hingeben, dass alles gut werden würde.

Wie gerädert stand Stiles, am Abend, in der Küche. Er sah seinem Vater zu, wie er das Essen in den Ofen schob und Teller aus dem Schrank holte. Er wollte ihm helfen, aber er fühlte sich wie gelähmt. Ausgelaugt. Er hatte sich, wie ein kleines Kind, die Augen aus dem Kopf geheult und es ging ihm kein Stück besser.
Als es klingelte sahen sie beide verwundert zur Tür.
»Oh nein!«, fluchte der Sheriff plötzlich.
»Was denn?«, fragte Stiles.
»Ich hab Derek heute Morgen zum Abendessen herbestellt.«
Stiles stöhnte innerlich auf und sah seinen Vater vorwurfsvoll an. Das konnte er jetzt gar nicht gebrauchen.
»Soll ich ihn wegschicken?«, fragte John.
»Nein«, Stiles atmete einmal tief durch, »wir tun so, als wäre alles wie immer.«
Besser Derek war bei ihnen, als woanders. Mit gestrafften Schultern lief Stiles zur Tür, zwang die Traurigkeit aus seinem Gesicht und öffnete. Derek blickte ihn unsicher an.
»Das Essen ist fast fertig«, sagte Stiles und drehte sich um. Er lief voraus in die Küche und blieb neben dem Backofen stehen. Derek blickte sich um, spürte den Blick von Vater und Sohn auf sich und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Dabei hatte er doch gar nichts Verwerfliches getan. Er hatte nur Sex gehabt. Das Stiles ihn dabei erwischt hatte, war so unangenehm, wie es bei jedem anderen auch wäre. Sollte man dann nicht einfach drüber lachen und es nie wieder erwähnen? Das mit dem drüber lachen, konnten sie auch gerne überspringen.
»Du solltest auch mal über eine Klingel nachdenken«, ließ Stiles verlauten und schmunzelte, als sich eine leichte Röte über Dereks Wangen zog. »Oder du ziehst ne Socke über die Türklinke.«
John wendete sich lachend ab, Stiles grinste über beide Ohren, nur Derek ließ sich mit verbissener Miene auf einem der Stühle nieder.
»Das war echt unangenehm«, gab er schließlich zu. Die Tatsache, dass auch John bescheid wusste, machte es nicht besser.
»Für wen?«, fragte Stiles und setzte sich ihn gegenüber. »Für den, der in der Tür stand oder...«
»Für den, der nackt da stand«, berichtigte Derek. »Was wolltest du überhaupt?«
Stiles zuckte mit den Schultern. »Ich hatte nur zwei Stunden, also dachte ich, ich besorg was zu essen und helfe dir, weil du so viel um die Ohren hast, dass du keine Zeit für dich hast«, erklärte Stiles. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass es nicht so ist und du dir durchaus Zeit für dich und andere nimmst.«
Derek hörte den stillen Vorwurf, der so gar nicht zu Stiles Gesichtsausdruck passen wollte. Machte er ihm was vor? Er widerstand dem Drang, Stiles Gefühle zu lesen, aber die Unsicherheit blieb, den ganzen Abend. Selbst John verhielt sich komisch. Jedenfalls merkte Derek, dass er immer wieder einen besorgten Blick zu seinen Sohn warf. Er dachte doch wohl nicht, dass ihn das, was er gesehen hatte, auf dumme Ideen brachte, oder? Nein, ihm musste klar sein, dass Stiles in seinem Alter schon den ein oder anderen Gedanken an Sex verschwendet hatte.

Obwohl Stiles nicht wirklich begeistert ausgesehen hatte, als Derek erklärte, mit nach oben zu kommen, ließ er sich nicht beirren. Sie mussten nochmal drüber reden. Derek wollte nicht, dass das zwischen ihnen stand. Als er sich kurz erlaubte, Stiles Gefühle wahrzunehmen, um seine Reaktion einschätzen zu können, war er ziemlich verwundert.
»Wenn du nicht willst, das ich hier bin, dann sag es doch einfach«, sagte Derek gekränkt.
Stiles stand mit dem Rücken zu ihm und ließ die Schultern hängen.
»Darum gehts doch gar nicht«, murmelte er und lief zum Bett. Wie gern würde er sich jetzt unter der Decke verkriechen, aber dann würde Derek ja immer noch dort stehen.
»Was ist es dann?« Derek war erbarmungslos. Er wollte es klären, also drehte er Stiles zu sich.
»Ich fühl mich nicht schlecht, weil du hier bist«, sagte Stiles. »Ich fühl mich schlecht bei den Gedanken, wo du bist, wenn du nicht bei mir bist oder wo du hingehst, wenn ich dich jetzt wegschicke.«
Stiles kaute auf seiner Lippe und sah an Derek vorbei.
»Warum?«
Dereks Stimme klang beinahe ein wenig ängstlich. Stiles sah ihn an. Er zwang sich dazu, denn er musste Dereks Reaktion sehen.
»Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand bei dir ist. Ich kann nichtmal den Gedanken daran ertragen, das es so sein könnte.«
Stiles legte all seine Hoffnung darin, dass Derek es verstand, ohne dass er genauer wurde. Er hatte nur leider keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging.
»Das ist okay«, sagte Derek unerwartet. »Daran können wir arbeiten.«
Stiles starrte ihn perplex an. »Was?« Wie sollte man daran arbeiten?
»Scheinbar hast du eine zu starke Bindung zu mir als Alpha aufgebaut. Das kriegen wir wieder in den Griff.«
Stiles schüttelte energisch den Kopf. Wenn es doch so einfach wäre...
»Doch, Stiles. Mach dir keine Sorgen-«
»Hör auf«, fuhr Stiles dazwischen. »Hör auf, alles auf Alpha und Beta und Körperreaktionen zu beziehen. Das hat absolut nichts damit zu tun!«
Derek war wie erstarrt. Sein Blick glitt zum Boden und er schien zu überlegen. »Was ist es dann?« Ratlos blickte er wieder auf.
Stiles kaute mittlerweile so stark auf seiner Lippe, das sich ein metallischer Geschmack in seinem Mund ausbreitete.
»Willst du mich wirklich zwingen, es auszusprechen?«, fragte er.
Derek nickte unbeholfen. Er hatte wirklich keine Ahnung. Wie konnte er denn keine Ahnung haben?
»Merkst du nicht, dass ich dabei bin, mich in dich zu verlieben?«, fragte Stiles ernüchtert. Er fühlte sich plötzlich so machtlos.
Derek wich erschrocken zurück. »Nein Stiles, das hast du falsch interpretiert. Es ist nur-«
»Ist es nicht«, sagte Stiles. »Du kannst dazu stehen, wie du willst, aber versuch nicht, mir meine Gefühle auszureden.«
Eine Weile herrschte erdrückendes Schweigen. Derek schien ihm nicht ganz zu glauben oder es einfach nicht wahrhaben zu wollen. Dabei musste er es doch wissen.
»Ich hab selber versucht eine andere Erklärung dafür zu finden«, sagte Stiles leise. »Aber das hat nicht funktioniert. Und als ich dich mit dieser Frau gesehen hab, war ich nich eifersüchtig oder sonst was... Es tat einfach nur weh.«
Das sollte Derek doch nun wirklich überzeugen. Stiles wollte Derek nicht für sich allein, weil er sein Alpha war. Er wollte Derek. Er wollte mit ihm zusammen sein.

Derek stand einfach nur da, sprachlos und völlig überrumpelt. Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, was sollte das heißen? Er war noch nicht in ihn verliebt? Er war ein bisschen verliebt? Oder sah er Derek eher als potentiellen Kandidaten an?
Fragen würde er ihn nun sicher nicht. Er musste sich erstmal auf die Antworten vorbereiten. Stiles war sein Beta und genau als diesen sah er ihn. Vielleicht auch ein bisschen als Freund, aber doch nicht als zukünftigen Lebenspartner.
»Jetzt sag doch was«, hörte er Stiles sagen. »Schrei mich an oder lach mich aus...«
Derek zwang sich den Blick zu heben. Es schürte ihm die Luft ab, in Stiles traurige Augen zu sehen. Er hätte es merken müssen – und unter diesen Umständen hätte er ihn wirklich niemals küssen dürfen. Jeder dagewesene Körperkontakt erschien ihm plötzlich so falsch. Hatte er es am Ende noch provoziert?
»Ich...« Derek holte tief Luft, »... muss nachdenken.« Er lief zur Tür, fühlte sich aber wie gelähmt.
»Derek«, Stiles wollte ihn aufhalten. Er machte sich zwar keine Hoffnungen, aber eine klare Ansage, die brauchte er, um die Angst loszuwerden, dass Derek sich nun von ihm abwenden würde, weil ein verknallter Teenager dann doch zu viel des Guten war.
»Mach dir keinen Kopf«, sagte Derek. »Ich muss einfach nur nachdenken.«
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, zuckte Stiles zusammen. Fröstelnd schlang die Arme um seinen Körper. All die Wärme war mit Derek aus dem Zimmer verschwunden.

Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt