"Warum machst du das immer?"

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Derek beobachtete Stiles die letzten Tage vor dem bevorstehenden Vollmond genau. Es war ihm wichtig, abschätzen zu können, wie er sich verhalten würde. Durch die ganzen Fortschritte der letzten Tage, hatte er die leise Hoffnung, Stiles würde es nichts ausmachen. Doch der junge Beta wurde von Tag zu Tag unruhiger und nervöser. Manchmal zuckte er regelrecht zusammen, wenn er angesprochen wurde. Für die letzten zwei Tage hatte Derek ihn mit zu sich genommen. John war ebenfalls nervös und keine Hilfe für Stiles. In die Schule konnte der Jüngere auch nicht mehr gehen, denn immer wieder verwandelte er sich. Nicht gänzlich, aber es würde definitiv auffallen.
Als Derek seinen Beta zusammengekauert auf dem Bett liegen sah, trat er vorsichtig näher. Stiles wirkte erschöpft und angespannt. Derek setzte sich neben ihn. Vorsichtig berührte er seine Schläfe und sein Verdacht bestätigte sich. Stiles war völlig überhitzt. Werwölfe bekamen zwar kein Fieber, wie Menschen, aber wenn sie sich überanstrengten, überhitzten sie und es ließ sie noch schwächer werden.
»Was ist denn bloß los?«, fragte Stiles leidend und drehte sich zu Derek. Der Werwolf ließ seine Hand über seine Seite gleiten und stoppte an der Hüfte. Stiles sah kurz hin, dann blickte er wieder zu Derek.
»Du musst versuchen, dich auszuruhen und zu entspannen«, sagte Derek. »Nach dem Vollmond ist alles vorüber.« Stiles gab einen gequälten Laut von sich und legte seine Hand auf Dereks. Er verstand es einfach nicht. Warum bloß setzte ihm der Vollmond dermaßen zu? Er hatte so viel trainiert und dachte eigentlich, genügend Kontrolle zu besitzen.
Als Derek sich wieder erhob, griff Stiles schnell nach seinem T-Shirt. Der Alpha hielt inne, sah zu seinem Beta und löste vorsichtig seine Hand. »Ich komm sofort wieder«, versicherte er und ging aus dem Raum. Stiles sah ihm nach. Auch wenn Dereks Anwesenheit nicht wirklich hilfreich war, weil sie ihn verunsicherte und dazu führte, dass er noch weniger Selbstbeherrschung aufbringen konnte, wollte er ihn bei sich haben.
Derek kam, wie versprochen, schnell zurück. Er setzte sich wieder neben Stiles, aufs Bett und zog ihn zu sich. Dann legte er ihm seinen kalten Lappen auf die Stirn. Es war nicht nur, dass der Beta ihm leid tat, er hatte das ungute Gefühl, ein wenig dafür verantwortlich zu sein. Es fiel auch ihm diesmal schwer, sich zu kontrollieren und wenn er schwächelte, übertrug sich das auf Stiles. Gedankenversunken ließ er seine Hand wieder auf Stiles Hüfte gleiten. Der Jüngere drehte den Kopf etwas und betrachtete Dereks Seitenprofil. »Wieso tust du das immer?«, fragte er nach ein paar Minuten.
»Was denn?«
»Mich da anfassen«, Stiles deutete auf Dereks Hand.
»Tut mir leid.« Der Alpha zog die Hand augenblicklich weg, aber Stiles sah ihn weiter abwartend an. »Ich weiß es nicht«, erklärte Derek.
»Du tust es sehr oft, von Anfang an und immer dort«, fasste Stiles zusammen. »Es muss einen Grund haben.«
Derek richtete seinen Oberkörper etwas auf und sah auf die Stelle. Dann schob er Stiles Tshirt hoch und legte die Stelle frei. Genau so, wie er es schonmal getan hatte. »Dort hab ich dich gebissen«, fiel ihm ein. Ohne nachzudenken streichelte er über die nackte Haut. Sein Biss war komplett verheilt. Natürlich. Er hatte inzwischen so viel Zeit mit Stiles verbracht, dass er kaum glauben konnte, dass es erst gut einen Monat her war.
»Da?«, fragte Stiles überrascht.
»Ja, ich wusste nicht wie schnell es heilt und niemand durfte es sehen.« Unbewusst rieb Derek ein wenig fester über die Stelle. Stiles spürte ein verräterisches Ziehen zwischen den Beinen und rollte sich weg. Das fehlte ihm grade noch, dass er einen Ständer bekam, weil Derek ihn anfasste. Das wäre nun wirklich zu offensichtlich. Doch irgendwas schien der Alpha gemerkt zu haben. Sein Blick war dunkler, seine Pupillen geweitet. Er fasste wieder an dieselbe Stelle, strich darüber und sogar ein Stück tiefer. Stiles erschauderte, als er Dereks heißen Atem an seinen Lippen spürte. Alles sah danach aus, als sei er kurz davor, ihn zu küssen.
»Ich glaub ich weiß, was dir helfen würde, deine Anspannung loszuwerden«, raunte der Alpha. Stiles Augen weiteten sich überrascht. Er wagte es nicht, Derek anzusehen. Die Hand des Alphas griff nach seiner. Stiles beobachtete, wie er -mit Dereks Führung- über seinen eigenen Körper strich und die Hand zwischen seine Beine gedrückt wurde. Stiles riss den Kopf hoch, nun musste er Derek ansehen. Der entfernte sich jedoch ein ganzes Stück.
»Ich fahr nochmal weg und besorge was«, verkündete er mit tiefer Stimme. »Dann hast du deine Ruhe und kannst dich... entspannen.«
Stiles versuchte die Fassung zu wahren. In seinem Inneren brodelte es jedoch gefährlich. Er sah wie Derek aufstand und das Zimmer verließ, während er selbst regungslos liegen blieb, bis er den Motor des Camaro aufheulen hörte. Dann zog seine Hand wieder hoch. Wie hatte er bloß denken können, dass Derek mehr wollte? Und wie konnte dieser Vollidiot davon ausgehen, dass Stiles sich hier erleichtern würde, nur weil er es für eine gute Idee hielt? War er jetzt komplett übergeschnappt? Scheinbar, denn er hatte das Feld ja geräumt. Stiles schaffte es kaum sich zu beruhigen, am liebsten würde er aufspringen und abhauen, aber da war diese Angst in seinem Hinterkopf, dass er sich bald vielleicht gar nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Derek schnaufte, vor lauter Anstrengung zitterten seine Hände am Lenkrad. Was hatte er bloß getan? Es hatte ihn einfach mitgerissen. Er hatte den leichten Hauch von Erregung wahrgenommen und ihm war eine Sicherung durchgeknallt. Die durfte ihm bei Stiles aber nicht durchknallen – Verdammt noch mal! Er schlug, wütend auf das Lenkrad ein und fuhr schneller. Stiles war ihm scheinbar nicht ganz abgeneigt. Den Verdacht hatte er schon länger, weil er ständig nervös wurde, aber das hieß ja nichts. Vertrau darauf, dass ich weiß, was gut für dich ist, hatte er zu ihm gesagt. Was war, wenn Stiles genau das tat? Dann würde er vermutlich alles tun, was Derek wollte, weil er dachte es sei richtig. Stiles hatte selber gesagt, dass er gar kein Interesse daran hatte, neue Erfahrungen zu sammeln. Und waren seine eigenen Worte nicht gewesen, dass er Stiles beschützen würde? Er hatte nicht gedacht, dass er das vor sich selbst tun müsste. Mit zittrigem Atem verließ Derek die Hauptstraße. Die holprige Nebenstraße führte gradewegs zu einer kleinen Tierarztpraxis. Sie schien an diesem Tag gut besucht zu sein. Viele Kleinwagen reihten sich aneinander und die verschiedensten Tierlaute drangen an Dereks Ohr. Mit einem beklommenem Gefühl stieg er aus. Es war eine weitere Konfrontation mit der Vergangenheit.
Als er die Praxis betrat, verstummten die Tiere. Ihre Besitzer sahen erstaunt auf die Transportboxen, dann sahen sie zu Derek. Schien er doch der Grund zu sein. Genau in diesem Moment trat ein dunkelhäutiger Mann aus einem der Zimmer heraus. Ein freundlicher Ausdruck aus dem Gesicht, sah er sich im Wartezimmer um. Als er Derek sah, entglitten ihm kurz die Gesichtszüge, doch dann zeigte sich ein sanftes Lächeln. Derek stieß erleichtert Luft aus. Es war nicht so, dass er niemanden zurückgelassen hatte... damals.

»Schön, dass du hergefunden hast, Derek«, sagte der Tierarzt, während sie einen Behandlungsraum betraten. Derek nickte knapp und sah sich um. Deaton war einst der Abgesandte ihres Rudels gewesen. Damals, vor dem Brand, als seine Mutter noch der Alpha gewesen war. Er hatte Derek angeboten, sich um ihn zu kümmern, doch Derek hatte ihn hinter sich gelassen, wie alles andere auch. Er hatte ihn von sich gestoßen und ihm seine Lebensaufgabe genommen. Die meisten verstoßenen Druiden wurden wütend und rachsüchtig. Deaton nicht, im Gegenteil. Derek konnte die Freude über sein Erscheinen deutlich wahrnehmen.
»Tut mir leid, dass ich nicht eher gekommen bin.« Wahrscheinlich wusste Deaton, dass er schon seit mehreren Wochen zurück war.
Der Druide warf ihn einen Blick zu, der so viel aussagte wie: Netter Versuch!
Derek seufzte und lächelte entschuldigend. Es tat ihm nicht leid.
»Ich hab einen Beta«, erklärte Derek. »Der Vollmond macht ihm zu schaffen. Ich weiß nicht, was passieren wird.«
Deaton nickte und kramte in einer Schublade. Dann holte er mehrer Flaschen hervor.
»Wie du weißt, gibt es nichts, was eine Verwandlung an Vollmond verhindert oder abschwächt«, begann er zu erklären, »aber ich kann dir etwas geben, was die Nebenwirkungen bis zum Vollmond eindämmt.«
Derek trat neugierig näher. Deaton war auf seinem Gebiet ein Spezialist. Immer schon gewesen.
»Von der grünen Flasche, gibst du ihm morgens und abends zwei Tropfen, keinesfalls mehr! Von der roten Flasche löst du jeweils 5 Mililiter in heißem Wasser auf, je nach Bedarf.« Er schob die Flaschen zu Derek. »Der Sohn des Sherrifs ist sehr temperamentvoll, du solltest an Vollmond auf alles vorbereitet sein«, merkt e er noch an. Überrascht sah Derek auf. Von Stiles hatte er nichts gesagt.
»Er war tot krank und läuft herum, als sei nichts gewesen. Außerdem verbringt er viel Zeit mit dir, wie ich hörte. Ich kann eins und eins zusammen zählen«, erklärte Deaton. »Du hast richtig entschieden.«
»Die Alternative wäre sein Tod gewesen«, erwiderte Derek bloß. Er hatte nur eine Schuld beglichen, er konnte sich nicht mit ehrenvollen Absichten rühmen.
»Brauchst du sonst noch was?«, fragte Deaton.
»Hast du die alten Ketten noch?« Sie waren unzerstörbar für Werwölfe. Die besonders harten Fälle hatten ihre ersten Vollmonde in Ketten verbracht. So waren sie in Sichheit und alle anderen auch.
»Natürlich«, mit schnellen Schritten lief der Tierarzt aus dem Behandlungszimmer und betrat einen Nebenraum. Derek spähte durch die offene Tür. Scheinbar ein Arbeitszimmer. Es war von oben bis unten mit Holz ausgekleidet, ein alter Schreibtisch stand in der Mitte, auf einem roten Teppich. Viele kleine Glasflaschen und Kräuter befanden sich auf der Anrichte, gegenüber der Tür und ein großes Glas, gefüllt mit schwarzem Pulver. Das hatte nichts mit der Tierarztpraxis zu tun, da war Derek sich sicher.
Er hörte, wie verschiedene Schubladen aufgezogen wurden, dann kam der Druide auch schon wieder zurück.
»Hier, bitte.« Er reichte Derek die rasselnde Kette. Der Werwolf nahm sie dankend an, dann verabschiedete er sich wieder. Nun war er für alles gewappnet, außer auf ein Aufeinandertreffen mit Stiles.

Als er wieder am Haus ankam, versuchte er sich zu sammeln. Er durfte sich nichts anmerken lassen, dann könnten sie die Situation vorhin vielleicht einfach vergessen. Vielleicht hatte Stiles auch gar nicht gemerkt, dass Derek für einen Moment, die falschen Absichten gehabt hatte. Er atmete tief durch, stieg aus und lief ins Haus.
»Ich bin zurück!«, rief er. Das Einzige, was er vernahm, war ein verärgertes Schnauben. Er warf einen Blick ins Schlafzimmer, welches bisher nur aus einem provisorischem Bett bestand und suchte nach Stiles. Der Jüngere war grade dabei seine Jogginghose gegen eine Jeans zu tauschen.
»Willst du weg?«, fragte Derek überrascht.
»Ja!« Stiles schloss die Hose und lief aus dem Zimmer. Derek schubste er dabei grob aus dem Weg. Der Alpha folgte ihm verärgert.
»Scheint ja nicht viel gebracht zu haben«, merkte er an. Sofort wirbelte Stiles herum.
»Denkst du wirklich, ich hätte hier irgendwas getan, nur weil du denkst, dass könnte helfen?«
Derek sagte nichts, blickte Stiles nur ausdruckslos an, obwohl ihm innerlich heiße und kalte Schauer über den Rücken liefen.
»Wie du überhaupt auf die Idee kommst, sowas zu mir zu sagen«, wetterte Stiles weiter.
»Jetzt reg dich nicht so darüber auf, es ist nur-«
»Nein Derek! Es ist nicht nur...« Stiles war völlig egal, was der Alpha sagen wollte, »Es ist persönlich, es ist privat, es ist intim... Es hat dich überhaupt nichts anzugehen!«
Derek konnte ihn verstehen, auch wenn er nicht einlenkte. Die Reaktion vorhin war nunmal die einzige Möglichkeit gewesen, noch die Kurve zu kriegen. »Dann nimm wenigstens die Tropfen hier.« Derek reichte Stiles eine kleine Glasflasche. Der Jüngere betrachtete sie argwöhnisch.
»Was ist das?«
»Kräuter, die dir ein bisschen helfen«, antwortete Derek.
»Du meinst so, wie dein Vorschlag vorhin helfen sollte?«, stichelte Stiles. »Ich hab genug von deiner Hilfe, danke.«
Derek schob die Flasche in seine Tasche zurück. Stiles war inzwischen rausgegangen und fluchte weiter. »Ich hab nicht mal ein beschissenes Auto hier!«
»Ich kann dich fahren«, bot Derek an. Schließlich saß ihm das schlechte Gewissen im Nacken und er wollte Stiles irgendwie besänftigen.
»Nein, da lauf ich lieber«, schaufte Stiles.
»Okay dann...« Derek zog mit verkrampfen Fingern den Autoschlüssel hervor, »fahr allein, aber fahr bitte, bitte vernünftig.«
Stiles blieb wie erstarrt stehen. Er blickte auf den Autoschlüssel, dann zum Camaro und wieder zu Derek. Mann, der Kerl war echt verzweifelt. Oder es tat ihm einfach verdammt leid. Stiles konnte Derek ansehen, wie unwohl ihm das war. Trotzdem war er bereit, Stiles seinen geliebten Wagen zu überlassen. Stiles trat näher, streckte seine Hand nach Dereks aus, doch anstatt den Schlüssel zu nehmen, schloss er Dereks Hand darum.
»Lassen wir das lieber«, sagte er. »Außerdem willst es nicht wirklich und ich sollte mich, in dem Zustand, nicht allein in dein Auto setzen.« Stiles schien besänftigt.
»Wenn du willst, können wir auch zusammen fahren. Wir ketten mich einfach an den Beifahrersitz«, schlug Derek vor. Er wollte nicht, dass sein Beta ging.
Stiles lachte. Die Vorstellung, wie Derek, bei Stiles' Fahrstil, beinahe hyperventilierte aus Angst um sein Auto, aber nichts tun konnte, war amüsant.
»Vielleicht komm ich mal drauf zurück«, sagte Stiles. »Aber ich denke, jetzt grade brauche ich meinen besten Freund ein bisschen mehr, als meinen Alpha, der das Einfühlungsvermögen von einem Weichkäse besitzt.«
Dereks Augenbrauen zogen sich ein Stück zusammen. Finster blickte er seinen Beta an. Stiles hob abwehrend die Hände. »Wenn Scott einpaar gute Argumente findet, die für dich sprechen, darfst du mich vielleicht abholen.«
Derek rang sich ein Lächeln ab. »Aber wenn du...«
»Ich glaub bei Scott kann ich mich besser beruhigen.« Mit diesen Worten drehte Stiles sich um. Panik ergriff besitz von Derek, als er ihn weggehen sah.
»Es tut mir wirklich leid, ich wollte dich nicht bloßstellen«, rief er ihm hinterher.
Stiles drehte sich nochmal um. »Schon ok, Derek.«
»Du kommst doch wieder?«, sprach Derek seine Angst aus.
Stiles grinste schief. »Klar doch«, versprach er. Dann wendete er sich wieder ab und entfernte sich mit zügigen Schritten.

Als er endlich bei Scott angekommen war, spürte er die Anspannung von sich abfallen. Hier konnte er sich weder verraten, noch musste er sich verstellen. Er klingelte und es dauerte ewig, bis er ein Geräusch ausmachen konnte, dass ihm sagte, dass jemand im Haus war. Scott öffnete neugierig die Tür. Dann wurde sein Blick skeptisch.
»Hey«, sagte Stiles und schob sich an ihm vorbei.
»Was tust du hier?«, fragte Scott überrascht.
»Mir ein wenig Derek-Frei gönnen«, Stiles grinste gequält.
»Dann ab nach oben«, wieß Scott an.
Während Stiles sich über Dereks Verhalten ausließ und von seiner Aktion bis ins kleinste Detail berichtete, war er Scott überaus dankbar, dass er nicht loslachte. Und man sah ihm an, wie gerne er es würde.
»...ich mein kannst du dir vorstellen, wie ich mir vorkam?«, fragte Stiles. »Ich dachte echt, da würde gleich irgendwas passieren. Verstehst du? Ich hab nicht gehofft, ich hab es gedacht. Und dann bringt er sowas.« Stiles schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich hoffe demnächst behält er die guten Ratschläge für sich.«
Trotzig verschränkte Stiles die Arme vor der Brust und sah Scott erwartungsvoll an.
Scott kniff sich in die Nasenwurzel und konnte ein Grinsen nicht mehr verbergen. Wäre es nicht Stiles, hätte er längst lauthals losgelacht.
»Vielleicht sieht er das alles ja wirklich nur als Körperreaktion an«, versuchte Scott zu erklären. »Man stößt sich und bekommt einen blauen Fleck, man schneidet sich und blutet... Ich mein er ist seit seiner Geburt ein Werwolf. Privatsphäre ist für ihn bestimmt etwas ganz anderes. Er nimmt Dinge in Gegenwart von Menschen wahr und weiß, was sie getan und gefühlt haben, ohne das sie den Mund aufmachen.« Unsicher fuhr Scott sich durch die Haare. Das waren schließlich nur Vermutungen. »Schau, du bist als Mensch aufgewachsen. Sobald du deine Zimmertür zu machst, hast du Ruhe und dein Dad weiß nicht, was du tust. Bei Derek war es sicher anders. Egal, was er getan oder empfunden hat, jeder aus seiner Familie wusste es.«
Stiles atmete geräuschvoll aus, sah in die dunklen Augen seines besten Freundes , die ihn treu anblicken und zog die Lippen kraus. Wieso verschwor sein bester Freund sich denn nicht, mit ihm, gegen Derek?
»Warum nimmst du ihn in Schutz?«, fragte Stiles. »Warum versuchst du sein Verhalten zu rechtfertigen?«
Scott musste breit grinsen. »Na deswegen bist du doch hier, oder?« Er schmiss sich zu Stiles aufs Bett, drehte sich auf den Rücken und lachte. »Stiles, du willst das ich Derek in Schutz nehme. Du willst eine plausible Erklärung für sein Verhalten. Und die hab ich gefunden«, sagte Scott stolz. »Also möchtest du jetzt weiter über Derek reden oder können wir was anderes machen?«
Stiles erwiederte Scotts Blick verlegen. Er hatte ja recht, Stiles wollte, dass jemand Dereks Verhalten erklärte. Er könnte jetzt auch noch Stunden lang weiter über Derek sprechen, aber es wäre unfair. Scott musste im Moment dauernd zurückstecken.
»Was hältst du davon, wenn wir unsere Lacross Sachen nehmen und ein bisschen üben?«, fragte Scott euphorisch. »Ich kann dir auch meinen Ersatzschläger leihen«, schob er hinterher. Stiles hatte schließlich nichts dabei.
»Okay«, stimmte Stiles zu. Sofort sprang Scott auf und wuselte durch sein Zimmer. Er schmiss sich auf den Boden und rutschte unters Bett, holte eine Sporttasche hervor, wo sein alter Schläger und Bälle drin verstaut waren. Verwundert stellte Stiles fest, dass sein innerer Wolf gar nicht mehr auf hastige Bewegungen von Scott reagierte. Erleichtert darüber, stieß Stiles einen Seufzer aus und erhob sich. Derek hatte recht gehabt, wenn man sich auf Emotionen konzentrierte, war es einfacher, sich zu kontrollieren. So wusste er, dass Scotts hektische Bewegungen nichts anderes als ein Ausdruck von Vorfreude waren.
Nach vier Stunden, gab Scott auf. Er konnte nicht mehr –seine Glieder schmerzten. Gegen Stiles, selbst ohne Werwolfskräfte, hatte er nur noch geringe Chancen. Er war verdammt gut gerworden. Trotzdem hatte es Spaß gemacht. Stiles trug die Sachen zurück in Scotts Zimmer, während der sich mühsam hinterherschleppte und tastete nach seinem Handy. Er wählte Dereks Nummer und allein die Vorstellung, seine Stimme zu hören, ließ Stiles nervös werden.
»Hey Derek, kommst du mich holen?«, fragte Stiles, als das Freizeichen verstummte.
»Ich fahr gleich los«, sagte der Alpha und legte auf. Etwas an seiner Stimme klang merkwürdig. Nicht im negativen Sinne, aber halt eben anders.

Derek konnte die Erleichterung über Stiles' Anruf nich verbergen. Er hatte eigentlich nicht damit gerechnet. Er dachte, er hätte Stiles nun wieder vergrault und sie würden streiten und diskutieren. Alles Dinge, die Derek weder wollte, noch konnte. Aber so war es nicht, also ließ Derek auch keine Zeit verstreichen und machte sich schnell auf den Weg. Sie hatten Scott einmal nach Hause gefahren, Derek kannte den Weg zum Glück noch.
Als er da war, wartete er vor dem Haus. Stiles hatte ihn sicher gehört. Nach zehn Minuten kam der Jüngere endlich raus. Er verabschiedete Scott an der Tür und lief Derek entgegen. Der Alpha lehnte an der Beifahrerseite und hielt Stiles die Tür auf. Seine Augen glänzten, als er Derek sah. Er freute sich ihn zu sehen, stellte Derek fest. Verwundert warf er einen Blick zu Scott. Der Dunkelhaarige schien ganze Arbeit geleistet zu haben. Stiles war nicht mehr sauer, dafür wusste Scott vermutlich alles, bis ins kleinste Detail. Trotzdem nickte Derek in seine Richtung.
»Holen wir uns noch was zu essen?«, fragte Stiles. Einen Arm hatte er über die Tür, den anderen übers Dach gelegt.
»Ich hab mir was überlegt«, sagte Derek und wante sich ihm zu.
Stiles Neugier war kaum zu bremsen. Derek konnte ihn nur mit einem bedrohlichen Knurren ruhigstellen. Nun hüpfte Stiles wie ein Flummi auf seinem Sitz herum und wusste nicht, was er tun sollte.
»Derek, nun sag schon!«, drängelte er irgendwann.
»Was soll ich sagen?« Der Alpha gab sich gespielt unwissend, während er die letzten Meter zu seinem Haus passierte.
»Na was...« Stiles stoppte mitten im Satz und zog irritiert die Augenbrauen zusammen. »Was ist das da für ein Dreck vor dem Haus?«
»Das ist Holz«, berichtigte Derek.
»Wozu brauchen wir das?«
Während Stiles noch immer im Wagen saß, war Derek längst ausgestiegen. Als Stiles es bemerkte, sprang er schnell hinterher.
»Du hast mir doch von dem Campingausflug mit deinen Dad erzählt, bei dem ihr am Lagerfeuer grillen wolltet, aber es geschüttet hat, wie aus Eimern«, erklärte Derek. »Kurz danach sagtest du, dass das Zelt von deinem Dad wahrscheinlich noch mehr Komfort geboten hat, als diese Bruchbude und du nicht verstehst, warum du vor dem Vollmond noch sowas wie einen Survival-Trip hinter dich bringen musst, weil das ganze hier, abgesehen von Dach überm Kopf, der Wildnis gleichkommt.«
Derek blickte mit verbissener Miene zu Stiles, welcher einfach versuchte, seine Aussage wegzulächeln.
»Hab ich das so gesagt?«, fragte er. Derek nickte bedeutsam und Stiles hatte das Gefühl ganze fünf Zentimeter zu schrumpfen. »Dann fühlte ich mich zu dem Zeitpunkt, wohl noch etwas übergangen bei der Entscheidung, dass wir die letzten Tage hier verbringen.«
Derek nickte erneut, dann entspannte er sich wieder etwas.
»Jedenfalls dachte ich mir, wenn ich dich schon in die Wildnis verschleppe, holen wir diese Erfahrung nach.«
Stiles Augen weiteten sich, dann grinste er und begann wieder hibbelig zu werden. »Das ist echt cool!«, rief er aus. »Aber in Wald darf doch kein Feuer gemacht werden...«
»Das hier ist Privatbesitz und gehört mir. Ich kann tun, was ich will«, entgegnete Derek.
Stiles strahlte sofort wieder über beide Ohren. Das war großartig. Seit er ein kleiner Junge war, wollte er schon am Lagerfeuer grillen. Er hatte sich, sich und seinen Dad dann immer als Cowboys vorgestellt.
»Innen steht eine Schüssel mit Teig, den Rest hab ich im Auto«, sagte Derek. Ohne das es einer Aufforderung bedurfte, stürzte Stiles ins Haus. Die demolierte Haustüre quitschte vorwurfsvoll, als sie unsanft aufgestoßen wurde und Derek schüttelte den Kopf. Wenn er nicht aufpasste, dann lag der Rest des Hauses bald in Schutt und Asche.
Er stapelte das Holz ordentlich auf und immer stärker beschlich ihn ein beklemmendes Gefühl. Es war wie eine kalte Hand, die sich langsam um sein Herz schloss.
Stiles stürmte genauso hastig aus dem Haus, wie hinein. Knallte die Schüssel auf einen der provisorischen Stühle, die aus nicht verwertbaren Überresten der ehemaligen Einrichtung bestanden, und spähte erwartungsvoll in die befüllte Kiste. Neben Würstchen und Salat, fand Stiles eine große Tüte Marshmallows und Schokoriegel. Derek verschmähte sie, also war Stiles klar: Die waren für ihn. Sofort machte er sich über die Verpackung her. Ein kleines Stück der Tüte, schien statisch aufgeladen an Stiles Händen zu kleben. Immer wenn er es abstriff, hing es an einer anderen Stelle fest und irgendwann ging Stiles dazu über, es abschütteln zu wollen.
Die hektischen Bewegungen erregten Dereks Aufmerksamkeit und er sah amüsiert zu, wie Stiles den Kampf, gegen dieses winzige Stück Plastik zu verlieren schien. Er trat an ihn heran und griff danach »Also wenn du es nichtmal mit diesem Schnipsel aufnehmen kannst, sehe ich Schwarz für deine Zukunft.«
»Vielleicht bin ich ja Pazifist!« Stiles stolzierte stur an Derek vorbei und entlockte ihm ein weiteres Lachen, ehe sich wieder die Kälte um sein Herz legte, als er zu dem Holzstapel sah.
Trotzdem wollte er sein Vorhaben in die Tat umsetzen. Er traf letzte Vorkehrungen, kontrollierte mehrmals, ob die Feuerstelle ausreichend gesichert war und suchte nach einem Feuerzeug.

Zufrieden blickte Stiles ins Feuer. Nachdem er einen riesen Berg Würstchen und Stockbrot verschlungen hatte, spießte er nun Marshmallows auf. Ganze Sieben hintereinander, hielt er seinen Stock übers Feuer. Der Duft von karamellisiertem Zucker lag in der Luft und ließ Stiles genussvoll die Augen schließen.
Derek war zwischenzeitlich reingegangen und kam mit zwei Bierflaschen zurück. Eine gab er Stiles, der Jüngere sah ihn verwirrt an.
»Hat eh keine Wirkung bei dir«, erklärte Derek schulterzuckend.
»Wie?«, fragte Stiles entsetzt.
»Alkohkol...«, Derek deutete auf die Flasche, »du kannst dich nicht mehr betrinken.«
Stiles stöhnte auf und sah auf das Bier. »Ich werde niemals wissen, wie es ist, sich komplett wegzuschießen?«
»Muss man das wissen?«, fragte Derek irritiert.
»Na das gehört doch irgenwie dazu«, merkte Stiles an. »Warum trinkst du dann Bier?«
»Mir gefällt der Geschmack.« Der Unterton in Dereks Stimme sagte Stiles, dass das Thema damit beendet war. Derek wirkte generell angespannt. Seine Finger krampften sich um die Flasche, er starrte unentwegt ins Feuer. Er musste sich gradezu davon losreißen um Stiles anzusehen. Stiles sah auf Dereks Teller. Er hatte kaum was gegessen. Das war Stiles in seiner Begeisterung gar nicht aufgefallen.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Stiles.
»Klar«, murmelte Derek. Er rang sich ein Lächeln ab, aber das hätte er sich auch sparen können.
Stiles tat es Derek gleich und starrte ins Feuer. Vielleicht lag dort ja die wahre Antwort vergraben. Dann plötzlich, fiel es Stiles wie Schuppen von den Augen. Das Feuer, die loderten Flammen, dass war es, was Derek in diese Stimmung versetzte. Und dann brannte es auch noch hier, vor den Ruinen des Hauses, wo Derek seine ganze Familie verloren hatte. Stiles rutschte an Derek heran und war sprachlos. Er brauchte beinahe fünf Minuten, um einen Satz zu bilden, der Sinn ergab. Am Ende war es dann aber doch nur ein Wort, das ihm über die Lippen kam: »Warum?«
Derek blickte sich verwirrt um.
»Warum machst du das?«, fragte Stiles erneut. »Ein Feuer, vor deinem Haus, nach allem was passiert ist...«
Für einen Moment war Derek überrascht, dass Stiles die Quelle seines Unwohlseins ausgemacht hatte. Das hatte nichts mit trainierten Sinnen zu tun, er hatte es gemerkt, weil er ihn kannte. Derek hatte tatsächlich zugelassen, dass Stiles ihn so gut kennenlernte, dass er ihn verstand. Für einen Moment brachte es Dereks Herz aus dem Takt. Er war jedoch viel zu überrumpelt, sich lange mit diesem Gefühl auseinanderzusetzen, außerdem wollte Stiles eine Antwort. »Ich wollte dir einfach eine Freude machen, bevor der Vollmond kommt und...« Derek hielt einen Moment inne. Und was? Er wusste nicht, was an Vollmond passieren würde. Es könnte eskalieren oder ganz glimpflich verlaufen. »Du hast es grade echt schwer, ich wollte dich ablenken.«
»Warum?«, fragte Stiles erneut. Wieso war es dem Werwolf so wichtig, dass es ihm gut ging? Und warum zur Hölle erfüllte er ihm grade diesen Wunsch, wenn dieser doch seine schlimmsten Erinnerungen wieder aufleben ließ?
Derek schüttelte den Kopf. Er wusste es selbst nicht. Vielleicht war es der Glanz in Stiles Augen gewesen, als er von dem Ausflug erzählt hatte und die Ernüchterung, als er gesagt hatte, dass daraus nichts geworden war. Vielleicht hatte Stiles ihm aber auch nur eine Möglichkeit gegeben, sein schlechtes Gewissen zu mildern.
»Das von vorhin... Ich wollte es einfach wieder gut machen.«
»Erst bietetst du mir deinen Wagen an und jetzt das? Du bist ein Masochist, Derek Hale.« Stiles lachte leicht, dann stand er auf. »Dir sei vergeben«, seufzte er. »Und jetzt lass uns das Feuer ausmachen und reingehen. Ich muss schließlich noch die Zaubertränke von deiner Kräuterhexe zu mir nehmen.«
»Deaton ist ein Druide, keine Hexe«, antwortete Derek ohne drüber nachzudenken.
»Deaton? Der Tierarzt Deaton?«, fragte Stiles überrascht.
Derek nickte knapp und sofort stieß sein Beta ein Pfeifen aus. »Also muss ich demnächst zum Tierazt, wenn ich was hab?«
»Irgendwie schon«, stimmte Derek zu.
Die Augenbrauen des jungen Betas wanderten ein Stück nach oben. Er betrachtete Derek eingehend, dann zeigte sich ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen. »Das wird bestimmt Fragen aufwerfen, wenn ich in der Schule ein Attest vom Tierarzt abgebe, mit der Diagnose: Vermerhtes Durchbrechen der Fangzähne und allgemeiner Kontrollverlust an Vollmond.« Stiles lachte vor sich her, während er sich dranmachte, die Sachen einzuräumen. Als Derek plötzlich sein Handgelenk umschloss, sah er auf. Mit jedem Mal, wo er ihm in die Augen sah, verlor er sich mehr darin.
»Bist du sicher, dass du schon reingehen willst?«, fragte Derek.
»Es war wirklich schön, aber ich glaube es ist Zeit, den heutigen Tag zu beenden«, antwortete Stiles.
Derek sah dieses tiefe Verständinis in seinem Blick und die Kälte wich wieder aus seinem Körper. Mit Stiles an seiner Seite ging es ihm einfach gut. Die Erinnerungen waren nicht mehr ganz so schmerzhaft, weil er ihnen etwas entgegenzusetzen hatte. Seinen Beta.
Dereks andere Hand berührte zaghaft Stiles Kinn, mit dem Daumen strich er über seinen Mundwinkel und er fixierte sich auf die geschwungenen Lippen. Er wurde gradezu von ihnen angezogen. Als er bemerkte, was er im Begriff war zu tun, schüttelte er leicht den Kopf und räusperte sich. »Du hattest da was«, erklärte er.
»Danke«, irritert löste Stiles sich von seinem Alpha. Das war merkwürdig gewesen, aber vielleicht war Derek grade auch einfach emotional ein bisschen angeschlagen.

Als das Feuer gelöscht und alle Sachen innen waren, ließ Stiles sich aufs Bett fallen. Nach nur einer Nacht roch es schon unverkennbar nach ihm und Derek. Stiles mochte diesen Geruch, wenn er sich vermischte hatte er etwas sonderbar beruhigendes an sich. Derek kam mit einem Glas und einem Fläschen zu ihm. Stiles setzte sich auf.
»Das musst du trinken«, erklärte Derek und reichte ihm das Glas. »Und hiervon bekommst du zwei Tropfen.« Derek drehte den Verschluss der kleinen Flasche auf, zog die Pipette heraus und stellte sich vor Stiles.
»Soll ich das so nehmen? Früher gabs ekelige Tropfen immer mit Zucker«, merkerte Stiles.
»Mund auf!«, sagte Derek harsch.
Mit deutlichem Missfallen öffnete Stiles den Mund, strecke die Zunge raus und wartete, bis Derek ihm zwei Tropfen verabreicht hatte. Es schmeckte bitter und süß zu gleichen Teilen und es war erstaunlich kühl im Abgang.
»Und was tut das Zeug jetzt?«, fragte Stiles, während er auch den Inhalt des Glases hinunterzwang, das beinahe wie eine ausgepresste Zitrone schmecke. Er verzog angewiedert das Gesicht und sah Derek mit einem zugekniffenen Auge an.
»Es sorgt dafür, dass du ruhiger wirst und dich besser entspannen kannst, damit diese Schübe ausbleiben und du nicht mehr überhitzt.«
»Also bin ich jetzt von meinem Werwolf-Fieber geheilt?«, fragte Stiles.
»Ich denke schon.«
Da Stiles nun versorgt war, legte auch Derek sich ins Bett. Er sah Stiles einen Moment an, dann strich er ihm behutsam über den Arm. Irgendwas in ihm, drängte ihn förmlich zu Körperkontakt. »Ich denke beim nächsten Vollmond wird es schon besser laufen.«
Das hoffte Stiles inständig. Sein jetziger Zustand war grauenvoll, vor allem weil es nicht vorhersehbar war. In der einen Minute ging es ihm gut, dann begannen die Kontrollprobleme und es endete im Werwolfs-Fieber. Zumindest hatte Stiles es so genannt. Überhitzen konnte ein Motor, aber doch nicht er. Das klang, als sei er eine Sache und kein Lebewesen.
Die Tropfen schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Stiles merkte, wie sein Kopf sich entspannte und er krabbelte unter die Decke. Alles erschien plötzlich leicht. Es war ein angenehmes Gefühl und bevor es nachließ, wollte Stiles eingeschlafen sein. Denn sonst würde er nur wieder die halbe Nacht wach liegen und sich fragen, wie viel Körperkontakt er Derek zumuten konnte, denn am liebsten würde er sich ganz auf ihn drauflegen, damit jeder Zentimeter seines Körper mit dem des Alphas in Berührung kam.
Er dauerte nicht lange, da war Stiles eingeschlafen. Derek schlüpfte auch unter die Decke, blieb aber sitzen. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich, um alles was geschehen war und um das, was fast geschehen wäre. Er hatte Stiles küssen wollen, egal wie sehr er sich auch versuchte vom Gegenteil zu überzeugen. Da war nichts gewesen, was er hätte wegwischen können. Er war drauf und dran gewesen, Stiles zu küssen. Und das nachdem er ein paar Stunden zuvor schon auf dem besten Weg gewesen war, zu weit zu gehen. Er musste langsam wirklich aufpassen, was er tat und durfte sich nicht länger hinreißen lassen. Ja, er sehnte sich seit Neustem wieder nach körperlicher Zuwendung, Nähe und vielleicht sogar Liebe, aber das durfte er nicht bei Stiles suchen. Stiles war sein Beta, Stiles vertraute ihm. Er konnte ihn nicht auf diese Weise ausnutzen, nur weil es ihm bei Stiles leichter fiel, das zuzulassen. Er vertraute Stiles, er wusste, wie er war und Stiles wusste, wie Derek war. Stiles verstand ihn und deshalb könnte Derek sich auf ihn einlassen, denn er hätte keine bösen Überraschungen zu erwarten. Doch er durfte sich nicht darauf einlassen, denn dann würde er die Beziehung zu seinem Beta aufs Spiel setzen und das war es nicht Wert.
»Hey, du solltest dich auch mal langsam hinlegen«, murmelte Stiles und riss Derek so aus seinen Gedanken. Er zog an Dereks Arm, bis der Werwolf tiefer rutschte und legte sich näher zu ihm. »Mach einfach die Augen zu und denk an was Schönes«, nuschelte Stiles verschlafen. »Oder versuch dich daran zu erinnern, wann ich angefangen hab dich zu mögen... Ich hab nämlich nicht den blassesten Schimmer, wann das passiert sein könnte.«
Derek schloss lächelnd die Augen. Selbst im Halbschlaf redete Stiles noch wie ein Wasserfall. Aber Derek hörte ihn gerne reden und wenn er dann noch zugab, dass er ihn mochte, hörte er ihn gleich doppelt so gerne reden. Unbewusst suchte Dereks Hand nach Stiles'' und als er sie endlich fand, wurde er augenblicklich ruhiger. Er spürte, wie die Müdigkeit ihn überkam und driftete ab, in einen unruhigen Schlaf.
Nichtmal eine Stunde später wurde Stiles, von einem um sich schlagenden Alpha, aus dem Schlaf gerissen. Er brauchte einen Moment, bis er die Situation im Überblick hatte und ihm klar wurde, dass Derek ihm eine verpasst hatte. Sein Kiefer pochte schmerzhaft und Stiles kontrollierte, ob auch nichts gebrochen war. Dann wendete er sich Derek zu.
»Derek«, behutsam redete er auf den Werwolf ein. Er schien einen Alptraum zu haben. Seine Stirn war schweißbedeckt, das Tshirt klebte an seinem Oberkörper. »Das ist nur ein Traum, Derek. Komm werd wach.« Immer wieder wich Stiles den unkontrollierten Bewegungen des Werwolfes aus, bis dieser endlich die Augen öffnete. Ohne zu zögern, zog Stiles ihn in seine Arme und strich ihm beruhigend über den Kopf. »Schlaf weiter, das war nur ein blöder Traum«, sagte Stiles leise. Gleichzeitig fragte er sich, ob das, was er tat, noch okay war oder schon zu weit ging. Aber Dereks Atem wurde immer flacher, also schien es zu helfen.
»Das war nur eine Erinnerung, das ist Vergangenheit«, flüsterte Stiles. »Und auch wenn es blöd kling oder totaler Quatsch ist, aber ich werde nicht zulassen, dass dir nochmal so etwas passiert.«
Kurz erstarrte der Alpha und Stiles gleich mit ihm. Doch Derek sprang nicht wie erwartet auf und fragte ob Stiles noch alle beisammen hatte. Er ließ bloß den Kopf in Stiles Richtung gleiten, legte einen Arm und ihn und atmete ruhig ein und aus. Stiles schloss erleichtert die Augen und dann hätte er schwören können, dass es Dereks Lippen waren, die ihm einen sanften Kuss in den Mundwinkel hauchten. 

Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt