Teil 14

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Ich wusste gar nicht, wo mir der Kopf stand, als keine zehn Sekunden, nachdem Marco den Raum verlassen hatte, eine Schwester ihn betrat und mich mitleidig ansah.

"NEIN! RAUS! VERPISS DICH, DU HURE, UND SPAR DIR DEIN MITLEID FÜR DEN KLEINEN SCHWANZ VON DEINEM MANN!", randalierte ich völlig neben der Spur, doch sie ließ sich nichts anmerken, sondern kam wortlos auf mich zu und gab mir ohne meine Erlaubnis eine Spritze, woraufhin innerhalb weniger Sekunden alles schwarz wurde.

Als ich wieder wach wurde, war mir sofort bewusst, in was für einer Scheiße ich jetzt steckte. Das, was ich gestern - oder heute? - getan hatte, würde sicher nicht konsequenzenlos bleiben.

Durch die Verbände hörte ich ein gedämpftes Geräusch: die Tür wurde geöffnet. Schuldbewusst drehte ich meinen Kopf in die Richtung, in der nun... Claire stand. Na bitte. Es gab also doch noch gute Momente in diesem Leben.

"Hallo", sagte sie mit rauer Stimme.
"Hallo", entgegnete ich boshaft. "Jetzt erklär mir mal, was das sollte! Warum hast du dich vor der OP so aufgespielt?! Bist du jetzt völlig verrückt? Du hast behauptet, ich würde dich wie ein Stück Dreck behandeln!"

Sie sah mich an wie ein kleines Haustier, das genau wusste, dass es etwas getan hatte, was es nicht durfte: große Augen, eine hässliche Grimasse und der berühmte Es-tut-mir-so-leid-Blick. "Also ich... Ich weiß nicht genau, wie ich das formulieren soll ohne..." - "Mach jetzt! Sonst lasse ich Mona anrufen und richte ihr aus, dass sie sich darum kümmern soll, dass es dir bald wieder genau so gut geht wie davor", drohte ich, woraufhin Claire wieder ihren Kopf einzog. "Ähm, ich... Ja also... Ich war auf Schmerzmitteln, deshalb habe ich mich so grob ausgedrückt, aber... Ich habe es genau so gemeint, wie ich es gesagt habe. Ich werde mich nicht länger verstecken. Ich finde es nicht gut, wie du und deine 'Freunde' mich behandeln!" Dass mir ihr meiner Meinung nach viel zu aufsässiger Kommentar fast die Sprache verschlug, überpielte ich ganz professionell: "Sag mal, hörst du dir eigentlich selbst beim Reden zu? 'Ich finde es nicht gut, wie ihr mich behandelt'... Hast du das mit deiner Oma zusammen auswendig gelernt, für den Fall, dass ich dir mal wieder die Wahrheit sage, oder was?" - "Was hast du eigentlich gegen mich?", patzte sie dazwischen. Das brachte mich jetzt total aus der Bahn. Wieso lenkte sie ab? "Willst du nicht erstmal meine Frage beantworten?", verschaffte ich mir Zeit. "Nein", gab sie entschlossen zurück, auch wenn ich ihr immer noch die gleiche Angst wie sonst auch ansehen konnte. "Was hast du gesagt?", knurrte ich, woraufhin sie gleich wieder den Kopf einziehen wollte, sich aber im letzten Moment noch davon abhalten konnte. "Schon traurig, dass du deinen Körper schlechter unter Kontrolle hast als ich, obwohl ich mich nicht bewegen kann", grinste ich. "Ach ja? Das liegt daran, dass durch dein Mobbing solche Bewegungen bei mir schon zu Reflexen geworden sind. Das kann man sich nicht an einem Tag abgewöhnen." "Damit willst du wohl sagen, dass du schon einen Dachschaden hast, weil dir endlich mal jemand die Wahrheit über dich gesagt hat", konterte ich. "Wir sind uns wohl beide dessen bewusst, dass du hier die weniger Schöne bist." Das reicht! "Ach, Claire, weißt du... ich habe mir jahrelang so viel Mühe dabei gegeben, dich gut zu erziehen, was deine Eltern wohl verpasst haben. Und wie dankst du mir das? Indem du behauptest, ich würde dich mobben! Wenn du so eine Scheiße von dir gibst, hast du doch wohl auch nichts Besseres verdient, oder? Sei ehrlich." Erst stutzte Claire, doch dann schien sie sich dafür zu entscheiden, mich mit meinen eigenen Waffen zu schlagen: "Ach, Zue, weißt du... über all die Jahre habe ich gehofft, du siehst von selbst ein, was du alles falsch gemacht hast, aber da konnte ich lange warten. Dafür fehlt dir einfach die nötige Intelligenz. Ich dachte, du siehst ein, dass es unnötig ist, mich zu hassen, wenn ich einfach mal ganz normal mit dir rede, ohne, dass du ständig mit 'Hure' oder 'Fick doch deinen Vater' dazwischenquatschst. Deshalb habe ich dich monatelang jeden scheiß Tag besucht, auch wenn ich dafür eine sechs in Englisch geschrieben habe. Es war mir egal, Zue. Als du nicht reden konntest, habe ich dein wahres Inneres gesehen, deine wahre Schönheit. Du bist nur nicht bereit, sie zu zeigen, selbst jetzt nicht, wo dein Körper hässlicher ist als meiner. Und auch ich habe viele Narben davongetragen. Mehr als du denkst."

The inner beauty #GlamBookAward19 #JungleAward19 #firebirdaward2019 #iceSplinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt