Teil 21

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"Tschüss, Mom! Ich muss los!", rief ich in die Wohnung. "Ja, Schatz, machs gut!", schallte ihre gedämpfte Stimme zurück. Ich schloss meine Jacke und machte mich auf den Weg in ein neues Leben.

Zuerst fuhr ich mit der Bahn durch die halbe Stadt, um Claire abzuholen. Diese kam total verdutzt aus ihrem Haus. "Wa-?" Noch bevor sie das erste Wort aussprechen konnte, umarmte ich sie warmherzig. "Claire", sagte ich freudig, "schön, dich wieder zu sehen." "Ich freue mich auch. Aber warum bist du hier, ich... ich meine, das ist doch ein riesen Umweg für dich." "Für beste Freunde nimmt man gerne den längeren Weg auf sich", erklärte ich, woraufhin sie noch verdutzter dreinschaute. "Wie?" "Du hast mich schon verstanden. Los, lass uns gehen, sonst verpassen wir deine Bahn", lachte ich ausgelassen und sie stimmte mit ein. Während wir zur Haltestelle liefen, machte Claire mir durchgehend Komplimente. "Du siehst gut aus" "Ich freue mich, dass du endlich eingesehen hast, dass Schönheit nicht das Wichtigste im Leben ist".
Mir blieb letztendlich nichts anderes übrig als mein Aussehen akzeptieren zu lernen. Bald hätte ich noch weitere OPs, um mein Gesicht weiter zu "rekonstruieren", wie die Ärzte es nannten. Mein früheres Ich wäre nicht klargekommen mit diesem Gedanken aber mein Heutiges weiß, dass es entweder aufgeben kann, oder versuchen, weiter zu leben - für Marco und Claire. Irgendwann könnte ich in den Spiegel sehen und nicht mehr erschrecken vor der Wahrheit, mein Schicksal akzeptieren, aber bis dahin war Claire für mich da. Auch wenn ich nicht in die Schule wollte, um mich den Blicken der anderen zu stellen und Fragen über Fragen über mich ergehen zu lassen, wusste ich, dass dies die einzige Chance war wenigstens teilweise in mein altes Leben zurückzukehren. Ich hatte immer noch meine Pläne, studieren, reisen, mein eigenes Leben führen. Die Schule war nur ein kleiner Schritt auf dem Weg dahin und ich wusste, dass ich jetzt nicht einfach alles hinschmeissen konnte.

Als wir in der Schule angekommen waren, glotzten mich alle von meinen sogenannten Freundinnen an wie ein Alien, während Claire mich immer noch erfreut zutextete.
Es war mir nicht egal, angestarrt zu werden, aber durch Claire schaffte ich es beinahe, das zu ignorieren, denn vor Claire musste ich mich nicht verstecken. Ich wechselte ein paar Worte mit meinen alten Freunden, dann gingen wir getrennte Wege. Ich war nicht einmal böse auf sie, denn mein altes Ich hätte wohlmöglich dasselbe getan. Es ist besser so, ich hing mit Claire nicht nur ab, weil ich nicht alleine sein wollte, sondern, weil sie mich verstand und mir eine echte Freundin war.

Ich musste endlich einsehen, dass es egal war, wie schön oder auch hässlich ich war, mit einer guten Freundin und Marco an meiner Seite konnte ich mein altes Ich hinter mir lassen.

The inner beauty #GlamBookAward19 #JungleAward19 #firebirdaward2019 #iceSplinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt