Fremde Gefühle

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   Bevor ich richtig aufwachte spürte ich bereits die Anwesenheit meiner Mutter. Sie kam langsam die Treppe herauf und wollte gleich in mein Zimmer kommen und mich fürs Frühstück wecken. Doch ich war gestern Abend erst so spät eingeschlafen, dass ich noch viel zu müde war. ‘Geh weg!‘, dachte ich mürrisch und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Ich wollte unbedingt, dass meine Mutter es sich anders überlegte und mich nicht weckte. Denn wenn ich erst einmal die Augen geöffnet oder etwas gesagt hätte, dann würde ich garantiert nicht mehr weiterschlafen können.

   Kurz bevor meine Mutter die Türe öffnete dachte ich nochmal flehend ‘Geh weg! Lass mich in Ruhe!‘  Und ich spürte tatsächlich, dass sich meine Mutter umentschied und die Treppe wieder herunter ging. Zufrieden und erleichtert schlummerte ich wieder ein.

   Ein paar Stündchen später wachte ich endgültig auf. Diesmal wesentlich erholter und ausgeruhter. Ich öffnete meine Augen und wurde von fröhlichen Sonnenstrahlen begrüßt, die bereits mein gesamtes Zimmer abtasteten. Gut gelaunt stand ich auf und machte mich fertig.

   „Guten Morgen, Liebling.“, begrüßte mich meine Mutter, als ich in die Küche kam. „Ich habe dir zwei Brötchen aufgehoben, ich hatte irgendwie das Gefühl  du wolltest lieber ausschlafen.“ Ich nickte dankbar. „Danke, Mama. Das war wirklich nötig.“

   Inzwischen war auch mein Vater in die Küche gekommen. „Guten Morgen, Kleine.“ Er kam auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, während meine Mutter mir ein Glas Orangensaft eingoss.

   „Wie kommt‘s, dass du nicht unterwegs bist?“, erkundigte sich mein Vater. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Leon hatte wohl anderes zu tun.“ Ich merkte, dass ich immer noch wütend war und auch meinem Vater entging mein vorwurfsvoller Ton nicht. „Etwa mit einer anderen Frau? Bist du eifersüchtig?“ Ich spuckte den Orangensaft den ich gerade im Mund hatte wieder ins Glas zurück und sah meinen Vater mit großen und entsetzten Augen an. „Eifersüchtig? Auf keinen Fall!“, blockte ich ab und schüttelte ungläubig den Kopf. Doch mein Vater zog nur unbeeindruckt eine Braue hoch und nuschelte mehr zu sich selbst: „Na das bezweifle ich aber.“ Doch damit ließ er es bleiben und hakte nicht weiter nach. Ich war kurz versucht nochmal zu betonen, dass ich wirklich nicht eifersüchtig war, doch ich befürchtete, dass es sowieso nichts bringen würde.

   Als ich fertig war mit meinem gemütlichen Frühstück machte ich mich fertig und fuhr dann los zu Leon. Ich hoffte einfach mal, dass er zuhause war.

   Und tatsächlich, als ich dort ankam und klingelte öffnete er mir wie immer sofort die Türe. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich ob er vielleicht eine Kamera angebracht hatte, die ihm schon vorher verriet wenn sich jemand seinem Haus näherte.

   Ich spürte eine extreme Unsicherheit die von Leon ausging, als er da so in der Türe stand und mich überrascht ansah. „Mit dir habe ich ja heute nicht gerechnet.“, sagte er erstaunt und trat beiseite damit ich eintreten konnte. Ich zuckte nur mit den Schultern und ging betont lässig an ihm vorbei ins Haus. „Warum das?“

   Mein extrem entspanntes Verhalten machte Leon offenbar nervös. Er konnte mich so nicht einschätzen und ich merkte, dass ihm das gewaltig missfiel.

   „Ich dachte du wärst wütend auf mich.“, sagte er leise als er mir hinterher ins Wohnzimmer ging. Ich setzte mich auf die Couch und sah Leon mit dem wärmsten und nettesten Lächeln an, das ich momentan aufbringen konnte. Mein Plan war nun ihn zu verwirren, sodass es ihm hoffentlich nicht auffiel wenn ich irgendwann den Schlüssel zur Sprache bringen würde. "Ich habe wohl etwas überreagiert gestern.", säuselte ich und lehnte mich auf dem Sofa zurück. Leon war mehr als nur ein kleines bisschen verwirrt, als er sich mir gegenüber auf den Sessel setzte. Dann hörte ich wieder auf zu lächeln und sagte diesmal etwas ernster und mit fester Stimme: "Und trotzdem finde ich es nicht in Ordnung, wie du mich behandelt und übergangen hast."

Die JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt