Schockmoment

3.3K 170 14
                                    

   Ich stand gerade vor meinem Spiegel und betastete vorsichtig mein blaues Auge, als ich im Spiegel sah wie meine Mutter hinter mir mein Zimmer betrat. Sie hatte ein scheues Lächeln im Gesicht und ihre rehbraunen Augen ließen sie nur noch schüchterner wirken. Auch ihre engelsgleichen blonden Locken verstärkten diesen Eindruck nur noch mehr. Meine Mutter war eine schüchterne aber absolut liebenswerte Person. Wenn es mich nicht so verstören würde, dass meine eigene Mutter einen so großen Respekt vor mir hatte, dann würde ich sie für die tollste Person auf dieser Welt halten. Unter diesen Umständen fiel mir das jedoch schwer.

   Sie strich ihre blaue Bluse glatt und räusperte sich kurz. „Hier ist jemand für dich.“ Als sie die Tür weiter öffnete drehte ich mich um und sah plötzlich wie Ben in der Türe stand. Mit großen Augen starrte ich ihn an.

   „Falls ihr etwas braucht, dann sagt Bescheid.“, sagte meine Mutter noch, bevor sie mein Zimmer wieder verließ und hinter sich die Türe schloss.

   „Was machst du denn hier?“, fragte ich Ben erstaunt. Eine Welle seiner Belustigung überrumpelte mich als er mir wie immer seine Gefühle entgegen schleuderte. Bei dieser Intensität der Gefühle fragte ich mich wie er es ein zweites Mal innerhalb von 24 Stunden hatte schaffen können,  dass er mich mit seiner Anwesenheit überraschte. Mir fiel das Gespräch mit Leon wieder ein, ich musste unbedingt vorsichtig sein.

   „Du warst heute nicht in der Schule. Ich wollte nachsehen ob es dir gut geht.“ Er machte sich tatsächlich ernsthafte Sorgen um mich. Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte. „Das sieht ja ganz schön krass aus.“ Sein Finger deutete auf mein blaues und geschwollenes Auge.

   Da ich noch immer überrascht war und nicht wusste was ich sagen sollte zuckte ich nur mit den Schultern und starrte Ben weiter an als sei er ein seltenes Geschöpf. Ich wusste nicht so ganz wie ich jetzt mit Ben umgehen sollte.

   „Tut es denn sehr weh?“ Er war ja wirklich süß wie er krampfhaft versuchte mich zum Reden zu bringen. „Nein.“ Besser eine knappe Antwort als gar keine. Das dachte Ben sich wohl auch denn ich spürte seine Zufriedenheit. Und offenbar bestärkte es ihn auch genug weiter in mein Zimmer zu treten und sich dann auf mein Sofa zu setzen, nachdem er sich ausgiebig umgeschaut hatte.

   „Setz dich zu mir.“ Er legte seine Hand aufs Sofa neben sich und tippte auf die Stelle wo ich mich hinsetzen sollte. Ich wollte mich nicht setzen und ich wollte nicht, dass Ben hier war. Doch wenn er schon hier war konnte ich mich auch genauso gut zu ihm setzen. Schließlich war das mein Zimmer. Wieso sollte ich auch stehen bleiben? Also ging ich langsam und schweigend um meinen Tisch herum, um mich neben ihn zu setzen, behielt ihn jedoch genau im Auge. Er grinste mich fröhlich an als er bemerkte, wie ich ihn beobachtete. „Mache ich dich etwa nervös?“

„Nein!“, antwortete ich sofort ohne zu überlegen und funkelte ihn böse an. Das war ja wirklich unverschämt und dreist. Doch er lachte nur und nahm meinen bösen Blick nicht wirklich ernst.

„Schon gut, ich wollte dich doch nur aufziehen.“

„Haha, sehr witzig“, schmollte ich. Ich verstand Ben überhaupt nicht. Nicht nur, dass er mich gestern so seelenruhig davon abgehalten hatte jemanden zu töten, nein jetzt machte er sich auch noch Sorgen um mich, besuchte mich sogar zuhause und neckte mich obwohl er genau wusste wozu ich fähig war. Nun, ich würde ihn natürlich nicht töten bloß weil er mich aufzog, doch gestern hatte ich schließlich auch überreagiert.

   „Wo warst du denn heute?“

Ich atmete tief durch um meine Verärgerung zum Ausdruck zu bringen. „Ich musste einige Dinge klären. Und außerdem“, ich deutete auf mein Auge, „wie du schon sagtest, damit würde ich die Anderen nur noch nervöser machen.“ Ben lachte laut auf und ich nahm eine deutliche Welle der Erheiterung wahr.

Die JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt