Übernahme

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   Mit quietschenden Reifen brachte ich mein Auto knapp einen cm hinter Leons Wagen zum stehen. Ich stieß die Tür meines Minis ungewohnt grob auf und stieg mit einem Blick aus dem Auto, der selbst das wärmste Lagerfeuer eingefroren hätte.

   An Leons Türe angekommen machte ich mir nicht die Mühe zu klingeln. Dieses sanfte Drücken auf die Klingel, die dann eine beinahe beruhigende Melodie von sich geben würde, passte grade so überhaupt nicht zu meiner Stimmung. Stattdessen hämmerte ich sowohl mit Fäusten als auch mit Füßen lautstark gegen die Haustür, die ich erst wenige Stunden zuvor aufgebrochen hatte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. So ahnungslos war ich da noch gewesen. Unwissend, dass ein Dämon in mir lebte und vor allem unwissend, dass mein einziger richtiger Freund mich betrogen und zum Tode verdammt hatte.

   „Leon!“, brüllte ich wild der Tür entgegen. Alles in mir schrie danach Leon wehzutun, ihm heimzuzahlen, was er mir angetan hatte. Ich war mir nicht sicher ob mein Dämon meine Wut noch weiter anstachelte, doch es war mir auch egal. Ich wusste, dass mindestens ein Großteil dieser verzweifelten wilden Wut von mir selbst stammte.

   Endlich hörte ich hinter der Tür ein Geräusch und ich stellte sofort meine Faustschläge gegen die Tür ein. Sobald die Tür einen Spaltbreit geöffnet war, stieß ich sie augenblicklich mit Gewalt nach innen auf. Leon konnte der Tür gerade so ausweichen, war dadurch jedoch etwas abgelenkt. Ich nutzte diese Schwäche, schloss meine rechte Hand kräftig um seinen Hals und stieß ihn mit meinem Körpergewicht und meiner linken Hand auf seiner Brust grob gegen die Wand hinter sich.

   Ich spürte wie ihm durch den harten Aufprall kurz die Luft wegblieb und er gierig ein paar Mal nach Luft schnappte, bevor seine Lungen endlich seinem verzweifelten Wunsch nachkamen und ihm die Sauerstoffaufnahme wieder gewährten.

   „Kalißa…“, brachte er krächzend hervor. Seine Augen waren Angst geweitet und sein Blick zeigte Trauer und Schock gleichermaßen.

   „Spar dir den Scheiß!“, fuhr ich ihn an und drückte ihn nochmal fester gegen die Wand. Ich hatte mittlerweile mein Messer in meiner rechten Hand und hielt es ihm gegen den Hals. Nicht stark genug, dass ich es seine Haut verletzen würde, aber dennoch mit so viel Kraft, dass Panik in ihm aufstieg.

   „Hast du oder hast du nicht mein Messer ausgetauscht damit ein Dämon in meinen Körper gelangen konnte, der mich töten will?“ Ich sah ihm tief in seine strahlenden eisblauen Augen. Doch bevor er ein Wort herausbringen konnte verrieten ihn bereits seine Gefühle die unkontrolliert auf mich einprasselten. Da war wieder dieses schlechte Gewissen. Gemischt mit Trauer, Panik, Verzweiflung und ein wenig Wut. Doch das schlechte Gewissen war es, was ihn verriet. Und das hätte ihn schon vor einer Ewigkeit verraten sollen. Wie oft hatte ich dieses schlechte Gewissen bei ihm wahrgenommen? Ich hatte es immer ignoriert, anstatt diesem merkwürdigen Gefühl seinerseits auf den Grund zu gehen. Noch mehr Wut strömte durch meinen Körper als mir meine Dummheit bewusst wurde.

   „Ich will eine Antwort!“, schrie ich ihn an. Obwohl wir beide wussten, dass ich bereits die Wahrheit kannte. Doch ich wollte es hören, wollte seinen Verrat aus seinem eigenen Mund hören.

   „Ja.“, gab er mir mit schwacher und trauriger Stimmer zur Antwort.

   „Ja was?!“ Erneut drückte ich ihn kräftig gegen die Wand sodass sein Hinterkopf gegen die Wand stieß. Nicht übermäßig kräftig, aber stark genug, dass es ihm Schmerzen bereitete.

   „Ja ich habe die Messer vertauscht.“

    Und da floss es dahin. Mein letztes Fünkchen Hoffnung, dass ich mich doch geirrt hatte, dass der Dämon mich angelogen und ich Leons Gefühle gerade falsch gedeutet hatte. Vorbei. Er hatte den Verrat gestanden. Bis gerade hatte ich nicht bewusst wahrgenommen, dass ich doch noch gehofft hatte alles würde sich zum Guten wenden.

Die JägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt